Kapitel 33 - Der Vorfall

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Endlich hatte Alec etwas Luft zum Atmen! Der Termin gerade eben hatte ihm sämtliche Energie geraubt, denn sein Gesprächspartner liebte es, lange, sehr einschläfernde Monologe zu halten, die niemanden interessierten. Glücklicherweise hatte er schon damit gerechnet, dass ihn dieser Termin ermüden würde, weshalb der nächste erst am Nachmittag anstand.

Jetzt hatte er Zeit und er hatte vor, diese zu nutzen. Gemeinsam mit Magnus natürlich.

Es waren kaum ein paar Stunden vergangen und schon vermisste er ihn, sein Lächeln und die entspannende Wirkung, die er auf ihn hatte. Sie könnten vielleicht in die Bibleothek gehen und gemeinsam etwas lesen oder einfach nur kuscheln. Hauptsache Magnus wäre dabei.

Gott, er war wirklich weich und kitschig geworden, seid er ihn kannte, aber das war ihm egal. Er mochte diese sanfte Seite ja auch irgendwie, obwohl er sie nur bei Magnus zuließ. Er wollte schließlich nicht als schwach gesehen werden.

Da er der König war, traten die Wachen vor Magnus' Zimmer ehrfürchtig beiseite, sodass er hindurchschreiten konnte. Da er sich allerdings noch kurz versichern wollte, blieb er stehen.

~Ist Magnus gerade zugegen?~
~Ja, mein König. Sein Diener ist bei ihm.~

Alec nickte verstehend, bevor er die Tür einen Spalt breit öffnete und leise hineinschlüpfte. Er schloss die Tür sorgfältig hinter sich, drehte sich um und ... erstarrte.

Vor seinen Augen spiegelte sich Unglaubliches ab. Magnus lag auf dem Bett, halb nackt und ein blonder Kerl über ihm -wahrscheinlich sein Diener.

Dieser hatte zwar noch alles an, aber seinen Blick kannte Alec nur zu gut: Gier. Kurz fühlte er sich in der Zeit zurückversetzt, in der er Scott wütend und vor allem eifersüchtig dabei beobachtet hatte, wie er Magnus gedanklich entkleidet hatte.

Wieder spürte er diese Eifersucht, die ihn rasend machte, aber genau das war der Moment, in dem er die ganze Situation wahrnahm.

Er erkannte Magnus' gefesselte Hände und die Spannung in seinem ganzen Körper. Er registrierte die blassen Hände des Dieners, die sich um seinen Hals geschlossen hatten und offenbar zudrückten.

Magnus würde ersticken.

Das war die Erkenntnis, die seinen Körper in Bewegung und seine Wut in Fahrt brachte. Er rauschte mit der ganzen Dominanz eines Königs zum Bett, packte den schlanken Diener an der Schulter und zog ihn ruckartig zurück, sodass er hart auf den Boden prallte.

Während er sich hastig zu Magnus setzte, rief er~Wachen! Kommt her und holt einen Arzt! JETZT!~
Seine Stimme dröhnte nur so durch den Raum und würde bestimmt auch im ganzen Flur noch zu hören sein, aber das kümmerte ihn gerade nicht.

Ihn kümmerte nur Magnus. Magnus, der reglos auf dem Bett lag, die Augen geschlossen, mit rotem Hals, an dem ein kleines Blutrinsal hinabfloss.

Panik überfiel ihn und drohte, ihn zu überwältigen, aber Alec war kein unfähiger König. Er wusste, wie er seine Emotionen ausschalten oder zumindest so weit zurückdrängen konnte, damit sie ihn nicht mehr am Handeln hinderten.

Also schluckte er die Angst hinunter und befreite ihn ersteinmal von seinen Fesseln, bevor er nach seinem Herzschlag suchte.

Beinahe hätte er erleichtert aufgeschluchzt, als er ihn spürte. Schwach, aber durchaus noch da.
So viel zu Unterdrückung von Emotionen ...

Sanft schüttelte er ihn an der Schulter.
~Magnus? Magnus, wach auf! Jetzt ist nicht die Zeit zum Schlafen oder Wegsterben. Ich brauch dich noch!~

Alec bekam nicht mit, wie der Diener, dessen Namen er vergessen hatte -er konnte also nicht wichtig sein-, unter Schreien abgeführt wurde.
Es interessierte ihn auch gar nicht, denn Magnus war wichtiger, wenn nicht sogar das wichtigste.

Und er atmete. Schwach, aber stetig.
Jetzt musste er nur noch die Augen aufschlagen. Wieder rüttelte er an seiner Schulter und strich ihm mit der Hand sanft über die Wange.

~Magnus, bitte sieh mich an. Es ist alles gut. Du bist in Sicherheit. Ich bin da. Nur bitte schlag die Augen auf~, murmelte er leise,~Komm zu mir zurück.~

Noch immer war jede Faser seines Körpers angespannt, dabei wollte er doch Sicherheit und Ruhe ausstrahlen, die Magnus fürs Zurückkommen brauchen würde. Allerdings war es schwer, in einer solchen Situation die Ruhe zu bewahren, selbst für einen König.

Bebend beugte er sich hinab und hauchte einen kleinen Kuss auf seine Stirn.
Plötzlich gab Magnus ein gequältes Keuchen von sich. Alec erstarrte, genau wie sein Herz, bevor es viel schneller weiterschlug.

Vorsichtig sah er auf und blickte in Magnus' erschöpfte, halb geschlossene Augen, während er schwer atmete und förmlich nach Luft gierte.

Am liebsten hätte Alec geweint. Oder gelacht. Oder geschrien vor Freude. Er wusste es nicht genau, denn irgendwie wollte er diese riesige Erleichterung, die sich in ihm angestaut hatte, loswerden.

Stadessen zog er Magnus in eine sitzende Position und schloss ihn fest in die Arme. Er war so glücklich, dass er noch da war. Dass er ihn nicht verlassen hatte wie Jace. Dass er atmete und die Umarmung zögernd erwiederte.

Beinahe wäre es zu spät dafür gewesen. Das wusste Alec und er würde diesen kleinen Diener dafür bezahlen lassen, dass es fast dazu gekommen war. Er würde ihn dafür leiden lassen, dass Alec so eine Angst gespürt hatte, wie er sie beinahe noch nie gefühlt hatte.

Niemand verletzte Magnus ohne Konsequenzen. Nicht wenn Alec sich geschworen hatte, ihn zu schützen. Er hatte es mehrere Male schon nicht geschafft, dieses Versprechen einzuhalten, aber jetzt würde er es und wenn es das letzte wäre, was er tun würde.

Er würde seinen Zorn schon noch freilassen können, aber nicht jetzt. Nicht, wenn Magnus gerade seine Unterstützung und seine Fürsorge brauchte, um wieder Halt zu finden. Nicht, wenn er sich gerade so verletzlich fühlte wie noch nie zuvor.
Jetzt musste Alec ersteinmal für ihn da sein und ihn halten. Ihm den Schutz und das Vertrauen geben, das er gerade brauchte.

Magnus' Körper began leicht zu zittern, sonst weinte er stumm. Ob vor Schnerz oder Erleichterung sei mal dahingestellt. Und hier, in der Ruhe des Gästezimmers mit Magnus sicher in seinen Armen, konnte Alec es sich endlich gestatten.

Er konnte seine Fassade fallen lassen und sich genauso an Magnus klammern wie er an ihn. Auch er durfte Tränen verlieren. Er hätte Magnus beinahe verloren und sein Herz brannte allein bei diesem Gedanken. Sein ganzes Sein schien ins Schwanken zu geraten, während er es langsam realisierte.

Er hatte sich verliebt.

Zehn und eine NachtWhere stories live. Discover now