Kapitel 6 - Tod oder Leben

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Gespannt wartete Alec darauf, wie es weiterging. Er wollte unbedingt wissen, was dem kleinen Hexenmeister widerfahren würde, das sein Glück trüben oder auf eine harte Probe stellen würde.

Er wollte die kleine Hauptfigur besser kennenlernen, genau wie dessen Mutter, die einen ganz besonderen Blick auf die Welt zu haben schien.

Schon lange war er nicht mehr so gefesselt von etwas gewesen wie von diesen Worten. Er sehnte sich nach mehr und nur gerade so konnte er sich davon abhalten, nach der Fortsetzung zu betteln. Das wäre nun wirklich eines Königs unwürdig.

Seid geraumer Zeit schwieg Magnus nämlich beharrlich und es trieb ihn beinahe in den Wahnsinn. Warum hörte er an einer so spannenden Stelle auf?

Musste er sich nun überlegen, wie es weiterging oder war das etwa Taktik? Wie dem auch sei, er brannte darauf, mehr zu erfahren.
Irgendwann gewann seine Neugierde über seinen Stolz und er fragte~Was passiert dann? Was wird der Hexenmeister erleben? Warum erzählst du nicht weiter?~

Er klang erbärmlich, aber darum kümmerte er sich gerade nicht. Sein Blick haftete an Magnus, der wieder dieses kleine, geheimnisvolle Grinsen im Gesicht trug. Ohne ein Wort zu sagen, nickte er in Richtung Fenster.

Alec folgte der Richtung und musste einen Laut der Enttäuschung zurückhalten.
Durch das große Fenster in seinem Gemach konnte man über die Palastmauern und runter in die Stadt sehen. Dort war noch alles dunkel, was das Farbenspiel am Himmel noch deutlicher hervorhob.

Im Osten leuchtete der Himmel in einem knalligen Orange, was sich langsam, aber sicher im dunklen Nachtblau verwusch, je weiter man Richtung Westen sah. Die weit entfernten Sanddünen waren ein reines Farbenspiel aus Blau, Orange, Gelb und Rosa und selbst die Dächer der Stadt wurden langsam heller.

Noch war es ruhig und angenehm frisch draußen, aber das würde nicht mehr lange so bleiben. Bald schon würde es in den engen Straßen vor Leben nur so wimmeln und die Hitze würde rasant zunehmen bis es schier unerträglich wäre.

Ein einziger Sonnenstrahl schaffte es durch das große Fenster und fiel auf einen Wandteppich in der Ecke des geräumigen Zimmers.

Morgengrauen.

Die Nacht über kannst du zwar alles machen, was du willst, aber sobald die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster fallen und den neuen Tag beginnen, sagst du kein Wort mehr. Du wirst schweigen und geduldig auf mein Urteil warten.

Beinahe hönisch lachten ihm seine vorherigen Worte nun entgegen. Der Morgen war angebrochen und so würde er keine Chance mehr haben zu erfahren, wie es mit dem kleinem Hexenmeister weiterging.

Aber was ihn wirklich überraschte, war, dass Magnus sich an seine Worte gehalten hatte. Natürlich war er der König und man musste ihm gehorchen, aber in Extremsituationen neigte der menschliche Verstand dazu, sein rationales Denken auszuschalten und nur noch intuitiv zu reagieren.

Er war es einfach zu gewohnt, dass man ihn anflehte, sie nicht zu töten und ihnen noch eine zweite Chance zu geben, dass er jetzt schlichtweg verblüfft war.

Wie jeden Tag klopfte es an der Tür und im nächsten Moment traten drei Wachen ein. Zwei schritten wortlos voran, packten Magnus an den Armen und drückten ihn auf die Knie, während der Dritte alles überwachte.

Alec erhob sich und rang um seine kühle Fassade, denn zum ersten Mal seit langem fühlte er sich unsicher. Das durfte er sich aber nicht anmerken lassen, denn vor all seinen Untertanen musste er unfehlbar und stark wirken. Auch dann, wenn er sich nicht danach fühlte.

~Wie lautet Eure Entscheidung, Eure Hoheit?~, fragte der Dritte.

Tod oder Leben.
Alec hatte diese schwere Entscheidung schon so oft gefällt und dabei immer auf die Fakten gehört.

Das und das Wohl des Königreichs waren die einzigen Dinge, die ihn bis dato interessiert hatten. Aber jetzt? Jetzt waren da plötzlich seine Gefühle, die seine sonst so klare Sichtweise auf die Welt verschwimmen und ihn hinterfragen ließ, ob er das Richtige tat oder nicht.

Wenn er an das Wohl des Königreichs dachte, musste er Magnus loswerden, denn er konnte sich keine Ablenkungen erlauben. Er konnte sich nicht erlauben, schwach zu sein, wenn Idris einen starken Herrscher brauchte, um fortzubestehen und sich zu entwickeln.

Nach diesem Schema hatte er all die letzten Entscheidungen gettroffen und war zufrieden damit gewesen.

Nur waren da jetzt diese Gefühle, die ihm rieten, Magnus am Leben zu lassen. Selbst durch seine harte Fassade hatte er bemerkt, dass dieser Mann etwas längst vergessen geglaubtes bewegt hatte.

Die Ursache dafür lag aber nicht allein an seiner Schönheit sondern viel mehr auch ... an seinem Verhalten und an seinen Worten. Er faszinierte Alec und er würde lügen, wenn er sagen würde, dass er Magnus nicht vermissen würde.

Und dann war da noch diese Geschichte. Natürlich war dieses spannende Ende eine List gewesen, um ihn davon abzuhalten, Magnus hinrichten zu lassen, aber Alec könnte das in diesem Moment nicht weniger kümmern.

Letzendlich war es wohl Magnus' Verhalten in diesem Augenblick, das Alecs Entscheidung endgültig machte.

Statt nämlich nach Gnade zu flehen, schwieg er noch immer und sah ihn ruhig, ja fast gelassen in die Augen. Er würde hinnehmen, was Alec entschied. Ohne Widerstand. Er würde es nehmen wie ein Mann, was seine innere Stärke bewies. Etwas, das Alec schon immer an anderen wertgeschätzt hatte.

~Bringt ihn wieder in das Gästezinmer, aus dem er gekommen ist. Bewacht die Tür. Innerhalb des Palastes darf er sich frei bewegen, aber er darf ihn nicht verlassen. Stellt ihm einen persönlichen Diener zur Verfügung, der sich um alles weitere kümmert~, befahl er, bevor er sich Magnus zuwandte,~Wir sehen uns heute Nacht. Glaub ja nicht, dass du mit deiner List so einfach davonkommst.~

Mit diesen Worten drehte er sich um und somit war das Gespräch beendet.
Bitte lass es nur keinen Fehler gewesen sein.

Zehn und eine NachtWhere stories live. Discover now