Prolog

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2076, Covington, Georgia

»Miez, Miez, Miez.«

Sie hatte sie genau gesehen. Angelockt vom Geruch der Überreste ihres Abendessens hatte sich das, was Old Abi eine Katze nannte, durch das Loch im morschen Lattenzaun gezwängt, gerade als sie durch die Hintertür ins Freie getreten war.

Doch sobald das magere Tier mit den großen Ohren die kleine Charlotte Emerson bemerkt hatte, war es unter den Tomatensträuchern in Deckung gegangen. Durch die Maisfelder hatte es sich geschlichen, keine Frage. Doch war dies eines der bösen Tiere, vor denen ihre Familie sie gewarnt hatte?

Der Mais war gefährlich, und er brachte gefährliche Geschöpfe mit sich. Sie verstand nicht, warum etwas, das so schön aussah, ein solches Unbehagen in den Leuten auslöste.

Für die Kinder der Nachbarschaft hatte dieses Feld eine besondere Bedeutung. Undurchdringbar schien es sich über die Weiten des verbrannten Landes zu ziehen. Ein Wunder, dass diese Pflanze in der rauen Umgebung das Leben wiederentdeckt hatte, und doch so voller Spott zu betrachten, dass ausgerechnet dieser Anbau goldenen Lebens den Tod bedeutete.

Essen konnten sie den Mais nicht. Die toxischen grünen Wolken, die damals über das Land hereingebrochen waren, hatten die meisten Pflanzen verdorren, sterben lassen. Nur der Mais hatte überlebt. Aber er hatte sich verändert. Aus krankem Boden spross ein krankes Gewächs, das mit seiner anmutenden Erscheinung ein Gift darbot, dem der Mensch nicht standhalten konnte.

Die Bewohner Covingtons hatten sich damit arrangiert. Sie nutzten den Mais als Futtermittel für ihr Vieh, das aus unerklärlichen Gründen nicht daran zugrunde ging. Der Stall voller nackter hagerer Schweine am anderen Ende der Siedlung profitierte vom giftigen Gold.

Doch beinahe noch wichtiger war, dass sie aus diesem weitläufigen Anbau ihren Treibstoff herstellten konnten. Nur so war es ihnen möglich, die Generatoren zu betreiben, die ihnen das Leben außerhalb der glitzernden Städte ein wenig erleichterten.

Ein paar Hektar Land konnten sie bewirten, wenn auch nicht ausreichend bewachen.

Und so waren zu Beginn einer verhängnisvollen Nacht die Kinder der Nachbarschaft am Rand des Maisfelds eingetroffen. Der Älteste von ihnen, der Mutigste in ihren Reihen, war schon viele Male durch den Irrgarten aus mannshohen Pflanzen gezogen, hatte seinem Vater bei der Ernte geholfen und mehr als einen besonderen Fund heraus getragen.

Sie alle eiferten ihm nach. Auch Dylan, der mit seinen neun Jahren bei Nacht ins Feld schlich, um zu suchen, was ihr Anführer in einem Moment des blanken Übermuts mit seiner Schleuder hineingeschossen hatte. Ein faustgroßer, lederner Ball hatte nun darauf gewartet, dass die Kinder ihn fanden und zu ihm brachten. Um ihren Mut zu beweisen.

Doch selbst in mondheller Nacht war es ihnen unmöglich, das Feld zu überblicken. Und so waren sie gewandert, geirrt und letztlich waren ein paar von ihnen den Tieren begegnet. Die kleine Charlotte konnte sich nicht daran erinnern, dass ihr älterer Bruder in diesem Maisfeld gestorben war.

Doch sie wusste, dass sie niemals nie dort hineingehen durfte. Denn der Mais brachte den Tod.

Aber er hatte auch diese Katze gebracht.

»Hallo, Miez-Miez.«

Und Miez-Miez würde nicht einfach gehen. Das wusste sogar die Vierjährige, die nun in der Hocke sitzend ihren rosafarbenen Plüschhasen an sich drückte und hoffte, noch einen Blick auf dieses seltsame Wesen zu erhaschen.

Aus der Ferne hatte sie diese eigenartigen Wesen mit drei Schwänzen schon oft gesehen, aber sie waren nie so nah ans Haus gekommen. Sie kamen erst nachts, wenn die Bewohner der kleinen Siedlung schliefen, und machten sich im Schutz der Dunkelheit über die Reste her.

Fayen || Outland's RustWhere stories live. Discover now