Kapitel 26: ... und Jasmin

75 20 43
                                    

Scheiße, war das eine Arbeit gewesen.

Gage entsorgte seufzend die wackelige Rampe, während Matthew diese seltsame Konstruktion eines Flaschenzugsystems vom Pick-up löste. Ihm tat mittlerweile alles weh. Er rollte gerade die beanspruchte Schulter, als der jüngere Bruder schüchtern lächelnd zu ihm schlich.

»Das Ding ist fest verschnürt. Alles startklar.«

Über eine Stunde hatte es gedauert und beinahe ein paar von Ollis Fingern gekostet, aber nun thronte der verdammte Generator endlich auf der Ladefläche. Wehe, wenn Flex nicht vor Freude ein kleines Feuerwerk zündete.

Irgendwie mochte er den Kerl. Im Gegensatz zu dem immer noch angespannten Matthew war er beinahe freimütig. Und glücklicherweise nicht nachtragend. Aber sie beide erwarteten noch immer etwas von ihm.

»Dann sind wir quitt? Ihr lasst uns gehen?«

»Vielleicht. Vielleicht wüsste ich aber auch etwas Besseres.«

So wie die beiden in garender Augusthitze neben dem Wagen standen, schmutzig und ausgezehrt, Matthew mit einem wachsenden Veilchen, konnte er nicht anders, als leicht zu lächeln.

»Wir haben eine Gemeinschaft. Einen sicheren Ort hinter Mauern, genug zu essen und sogar einen Arzt. Wenn ihr euch an die Regeln haltet und bereit seid, euch einzubringen, nimmt Fairfield euch auf.«

Nun tauschten die beiden einen abschätzenden Blick, warteten nur auf den Haken, den sie auf keinen Fall schlucken durften. Doch das würden sie, da war er sich sicher. Und während Gage diesen schmackhaften Köder anpries, bemerkte niemand, dass Fayen sie aus dem Schatten des angrenzenden Büros heraus beobachtete.

Während Olli bereits die Engelschöre singen hörte, schnaufte sein Bruder missmutig auf. »Ja. Noch habt ihr die. Bis auch euer Fairfield überrannt wird.«

Das einladende Lächeln nahm einen zynischen Zug an, der den beiden beinahe unheimlich wurde, als Gage die Arme verschränkte und die Pistole an der Hüfte dadurch deutlicher hervortrat.

»Wir wurden schon häufiger angegriffen. Aber keiner versucht das ein zweites Mal.«

Was man durchaus als Drohung verstehen konnte, war für sie ein Glücksfall. Sie würden bald selbst herausfinden, dass dies weder ein Traum noch eine Falle war, aber wenn sie schon Forderungen erwarteten, würde er eben eine stellen.

»Es ist eure Entscheidung. Wenn ihr einverstanden seid, könnt ihr gleich mitfahren. Aber ihr gebt eure Waffen ab, und jede noch so verbeulte Patrone. Versucht gar nicht erst, mich zu verarschen. Finde ich etwas, das mir nicht gefällt, lasse ich euch hier sitzen.«

In diesem Moment, mit dem gleichen leeren Gesichtsausdruck, sah man die Ähnlichkeit zwischen Olli und Matthew so überdeutlich, dass Fayen sich auf die Zunge biss, um nicht zu lachen. Wenn Gage das schon seltsam fand, würde es Fairfields Neuzugänge nur verschrecken.

Als die endlich begriffen hatten, was gleich passieren würde, leerten sie eilig ihre Taschen, und nun musste sich auch Gage zurückhalten. Das gefährlichste an ihrer Ausstattung war ein rostiges Taschenmesser.

»Warum?« Auf seinen fragenden Blick hin, straffte Matthew die Schultern. »Warum hilfst du uns?«

Seine aufgesetzte Überheblichkeit verschwand nur all zu schnell, zusammen mit dem freundlichen Lächeln. An ihre Stelle trat der unübersehbare Schmerz, den die drei mit vielen anderen im Rust teilten. Er hätte sich angenehmere Gemeinsamkeiten gewünscht, doch diese einte sie alle.

»Weil ich das gleiche erlebt habe.«

Sekunden abschätzender Zurückhaltung dehnten sich zwischen ihnen aus, während die Sonne bereits lange Schatten warf. Gage rührte sich keinen Millimeter, den Blick noch immer auf den älteren Mann gerichtet, der wie er selbst die Lippen zu einer schmalen Linie verzogen hatte.

Fayen || Outland's RustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt