Kapitel 60: Grenzenloses Potential

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Beat duckte sich unter den Schüssen hindurch, die so deplatziert und sinnlos wirkten, dass er die Motivation der Angreifer infrage stellen musste. Als hätte ihre Treibjagd nur den Sinn, Chaos zu schaffen, verschwendeten sie ihre Munition, verteilten sie großzügig in Häuserfassaden und trieben sie durch abgestellte Fahrzeuge.

Flex würde weinen, doch ihm war schnell klar, dass hier die schwächere Mannschaft auffuhr, lediglich unterstützt durch einen eingeklemmten Panzer, der allein noch mit seiner schieren Größe beeindruckte.

Und auf den konzentrierte sich seine Aufmerksamkeit. Die als unfähig eingestuften Fahrer schrammten rücksichtslos die Lackierung von dem Stahlteilen, schafften es aber tatsächlich, diese massive Walze durch die Pfeiler hindurch zu schieben.

Doch nicht ein Schuss donnerte aus der meterlangen Kanone und Beat wusste sicher, dass sie keine Munition für dieses Schätzchen hatten. Ein wahrer Segen für Fairfield, doch beinahe schade für ihn selbst. Dennoch war sie schlicht bezaubernd, seine Darcie.

Er sprang auf die Ladefläche der eifersüchtigen Lorette, rutschte auf den Knien bis zu der Transportkiste. Mit geschickten Handgriffen öffnete er die selbst gefertigten Verschlüsse, die niemand zu knacken vermochte, und blickte auf die sorgfältig gepolsterten Einzelteile seiner besten Chance.

Sie mitzunehmen, war keine schwere Entscheidung gewesen. Ob nun ein Panzer, ein Bunker oder auch nur ein sie verfolgender Wagen, er hätte schon eine Verwendung für sie gefunden. Doch während er seine liebste Betty einsatzbereit machte, kam Darcie immer näher, kam direkt auf ihn zu.

Zu nah.

Beat stockte, als sie keine zwölf Meter – und ihre Kanone damit nur noch zehn Meter – mehr entfernt ihr Donnergrollen auf ihn niedergehen ließ. Er senkte den Blick, Lorette stand genau in ihrer Bahn und mit ihr all seine Waffen, die Ausrüstung und das Funkgerät.

Der Druck in seiner Brust traf ihn, wie es nur Darcies Panzerung übertreffen könnte, und er verzog das Gesicht in echter Trauer. Gott, es war eine Schande, aber mit dem nächsten Wimpernschlag wusste er, dass sie den nächsten Tag nicht mehr erleben würde.

Nur widerwillig schob er die schwere Munition in das Rohr, stemmte einen Stiefel gegen sie, um ihren Hahn zu spannen und hievte den mächtigen Geschosswerfer auf die Schulter. Er biss die Zähne zusammen, als er hörte, wie die Zündkapsel auslöste, die gewaltige Explosion ankündigte, die die Erde unter ihm zittern ließ, und ihn in den Nebel der Verbrennungsgase hüllte.

Der direkte Treffer auf die Ketten des Panzers setzte eine solche Energie frei, dass er selbst mitsamt seiner Betty vom Wagen geworfen wurde. Weit hinter dem schlug er auf den Boden, hörte den Stahl seiner Panzerbüchse über den Asphalt kratzen.

Blinzelnd hob er seinen dröhnenden Kopf, konnte unter der dicken Wolke, die sanft sein Ziel einhüllte nur noch die gesprengten Kettenglieder erkennen. Geschafft. Darcie würde keinen Meter mehr fahren, auch wenn ihm dieser Gedanke mehr zusetzte als der Aufprall.

Beat wartete auf das Versagen des Motors, als seine Fahrer erkannten, dass sie in dem Stahlbunker festsaßen. Doch ihre Gasturbine drehte noch immer. Jetzt sprang er auf, schlich bis an Lorettes schützende Karosserie heran. Im sich lichtenden Staubwirbel sah er, wie die Fahrer weiter forderten und den Abrams um seine eigene Achse drehen ließen.

So'n Mist.

Was in jeder anderen Situation lächerlich gewirkt hätte, sorgte nun für massive Schäden am Tor, den benachbarten Häusern und jedem motorisierten Fahrzeug, das nicht vom Eingang entfernt worden war, und ließ Beat ein schmerzliches Jaulen ausstoßen.

Noch einmal hechtete er auf Lorettes Rücken, griff mit beiden Händen in die offene Kiste, nun nicht mehr davon abzubringen, auch den zweiten Kettenantrieb zu zerreißen. Er könnte sie reparieren, ganz bestimmt sogar, wenn er nur ein paar neue Teile finden würde.

Fayen || Outland's RustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt