Kapitel 66: Wetten?

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Das war eine ausnehmend beschissene Idee gewesen.

Fayen duckte sich unter seinem Arm hindurch, als Gage das Tor, gebunden durch verschlungene Spanngurte, für sie zur Seite stemmte, zischend verlangte, dass sie lief, so schnell sie konnte, wohin sie auch konnte.

Nur eine Sekunde bangte sie um ihn, doch auch er schlüpfte hindurch, ließ die quietschende Barriere zurückschnellen, dass der von Rost geplagte Zaun rasselte. Er schob und zog an ihr, damit sie ja nicht langsamer wurde, nur nicht in ihre Hände fiel.

Ihr Humpeln war kaum zu sehen und doch spürte sie jedes Einsinken ihrer Knie so überdeutlich, als sie durch die schmale Gasse rannte, zwischen zwei Häusern hindurch, deren Zugehörigkeit sie nur schätzen und doch nicht bewerten konnte, als hinter ihr ein verzweifelter Schuss ihre donnernden Schritte übertönte.

Ein harscher Befehl folgte dieser unerwünschten Reaktion, ein deutliches Nein für den Schützen. Sie wusste nicht, ob das ein gutes Zeichen war. Eines, das ihre naive Hoffnung, diese Hetzjagd zu überstehen, stützen konnte. Oder aber nur die Aussicht auf mehr Leid, wenn sie sie erst erwischt hatten.

Sie hatte mit in Intervallen patrouillierenden Soldaten gerechnet, nicht aber mit aufgeschreckten Arbeitern, die in Windeseile Alarm schlugen, sobald sie sie nur sahen. Die losen Gruppen, die sich scheinbar um das ganze Gelände verteilten, bildeten zusammen eine wütende Meute, die sich einfach nicht abschütteln lassen wollte.

Zu viele für einen Kampf, zu wenig Kugeln zumindest für das Gefühl von Überlegenheit, das sich zu wünschen umso lächerlicher wirkte, je schneller ihr Atem ihre Lungen verließ. Gage sah eine Lücke zwischen den verschwimmenden Ziegeln um sie herum und sie sah, dass er ihr die Hand reichte.

Dankbar dafür, nicht mit einem schmerzhaften Ruck zur Seite gerissen zu werden, schlug sie ein und ließ sich den Weg weisen. Wohin es ging, wusste er genauso wenig wie sie, doch im Moment zählte nur, Abstand zu diesen Leuten zu gewinnen.

Ein Stück näher, hatte er gesagt. Lorette hinter dem bewachsenen Hügel parken und zu Fuß die Umgebung erkunden, hatte er gesagt. Sie würde Beat erwürgen, wenn sie ihn je wieder zu Gesicht bekam.

Dass er ganz ähnliche Gedanken hatte, wusste sie nicht, als er auf der anderen Seite des hohen Backsteinhauses in die gleiche Richtung lief. Niemanden verletzen, hatte nämlich sie gesagt. Wenn er das dürfte, wären ihre Verfolger längst nicht mehr so nah an ihnen dran. Dass das alles nur noch schlimmer machte, stammte auch von ihr.

Doch so sehr es ihn auch ärgerte, sie sollte recht behalten.

Starkes Sonnenlicht blendete ihn, als er aus der Gasse heraus ins Freie sprang, keine zehn Meter von ihnen beiden entfernt. Der Schrecken, so nah einen Schatten in seiner Größe zu sehen, griff so fest in ihren Nacken, dass sie sogar Gage ausbremste.

Er stockte, sie stolperte. Beide zusammen folgten sie Beat durch das einzige offene Hallentor, das sich in diesem Hof zeigte, und niemand erfasste die Tatsache, wie verdächtig leer der war. Doch zum Herzen der Basis führte sie nur dieser eine Zugang.

Ihr Leibwächter preschte zuerst in den mit Brettern beschlagenen Kasten voller entgeisterter Menschen, die in neuerlicher Panik aus seiner Bahn eilten. Überraschte Rufe und Flüche schallten ihnen entgegen, dass Fayens Stiefel über den ausgetretenen Kunststoffboden rieben bei dem Versuch, ihren eigenen Schwung zu bremsen.

Alarmiert von derart klaren Stimmen um ihn herum zog Beat seine Klingen, versetzte die umstehenden Arbeiter, durch ihr eigenes Material an der Flucht gehindert, nur weiter in Angst. Der Bienenstock geriet in Aufruhr, als die ersten entsetzten Schreie aufwallten.

Fayen war auf Gages Stützen angewiesen, als der harsche Schmerz in ihrem Oberschenkel jeden weiteren Schritt untersagte. Zu viele Füße liefen durch die längst vergessene Sporthalle, deren meterhoch über Kisten aufragende Glaskuppel vom Schmutz vergangener Jahrzehnte gefleckt ein gedämpftes Licht hinein ließ.

Fayen || Outland's RustDove le storie prendono vita. Scoprilo ora