Kapitel 39: Für den richtigen Preis

38 9 3
                                    

Selten war sie so froh gewesen, eine Wand aus Schrott zu sehen. Und obwohl sie im frühmorgendlichen Dämmerlicht einen eher erbärmlichen Eindruck auf sie machte, schwappte doch eine nicht zu leugnende Erleichterung über sie hinweg, als Fayen die autarke Stadt erreichte.

Den Blick fest auf die mit Metallplatten verstärkte Mauer geheftet wurden ihre ungelenken Schritte schneller, während ihr ein sehr stiller Junge im steten Gleichklang seiner Melancholie hinterher trottete. Seit ihrer Flucht hatte sie den Sinkflug seines Gemütszustands an den hängenden Schultern, den schlurfenden Füßen und dem teilweise leeren Blick ablesen können. Und hatte nicht einmal darauf reagiert.

Ihr Nervensystem verarbeitete noch immer seinen ganz eigenen Absturz. Und wenn sie nur halb so schlimm aussah, wie sie sich fühlte, würde ihre Anwesenheit mehr Aufmerksamkeit erregen als Johns Rückkehr.

Der war zumindest so viel Kavalier gewesen, ihr sein Hemd anzubieten, und sie war derzeit egoistisch genug, um damit die vielen kleinen Einschnitte in ihrer Haut vor neugierigen Blicken und äußeren Einwirkungen zu schützen. Von der Verfärbung des Stoffs ausgehend gehörte es jetzt wohl ihr.

Mit geballter Faust klopfte sie an das rostige Hallentor, in dessen Mitte eine nicht weniger klapperige Tür prangte, und unterstützt von der allgegenwärtigen Dunstwolke aus Salpeter und Schwefel nahm auch das Hämmern in ihren Schläfen weiter zu.

Eine volle Minute hatte sie, um auszuruhen, ehe das heisere Quietschen der Scharniere den Blick auf einen ebenso müden Mann im Brustpanzer freigab. Diese Wache hatte sie nun schon zweimal gesehen, bei ihrer Ankunft in der Stadt und an Cabots Stand. Roy, wenn sie sich recht erinnerte.

Sie sah sofort, dass auch er sie erkannte, konnte aber nicht einschätzen, ob ihr Auftauchen in der Früh oder ihr Aufzug für seine Verwunderung sorgte. Keine der Auswahlmöglichkeiten stimmte ihn glücklich.

»Was willst du?«

Ihre Brauen zuckten über einem gleichermaßen fordernden wie auch lodernden Blick zusammen, als sie den Kopf schüttelte und im nächsten Moment das unbedachte Schulterzucken bereute.

»Jemanden, der mir das Frühstück ans Bett bringt, und ein Pony. Was glaubst du denn?«

Doch als er sich bewusst unbeeindruckt gab, spürte sie ein bitteres Ziehen im Nacken. Die Gastfreundschaft der Bluffer hatte sie jedenfalls nicht vermisst. Fayen zog ihren Joker an seinem Shirt heran und zischte durch zusammengebissene Zähne.

»Ich hab' hier was, das euch gehört.«

»Ja, leck mich doch ...«

Und während Roy kurz davor war, sich pro forma die Augen zu reiben, verzog der sich neugierig aus seinem Sitz reckende Kollege das Gesicht.

»Passe. Machst du jetzt die verdammte Tür auf?«

Und mit ihrer wild ausschlagenden Laune kümmerte es sie nicht, dass diese eine Wache eilig die alte Fertigungshalle verließ, noch bevor sie den Jungen hinein kommandiert hatte. Das Tuscheln und die ungläubigen Blicke der Männer ließen sie lediglich das Kinn heben.

Und so ging sie ihren Weg auch durch diesen Haufen Schrott, wie sie es immer getan hatte. Wie sie es immer tun würde. Ganz gleich, womit er gepflastert war.

Und sie zögerte nicht, der von Rost zerfressenen Eingangstür des Sham Pains einen Stoß zu geben, der auch die letzten, bereits eingeschlafenen Gäste aus ihrem Delirium holte. Einen Moment lang stand sie da, auf der Schwelle zur Täuschung sondergleichen, und ließ den Blick über die wenigen Gestalten schweifen.

Mit ihren unterlaufenen Augen starrten sie sie an, und selbst Levenstein rutschte bei ihrem Anblick das vergrößernde Glas in den Schoß. Sein zottiger Bart verzog sich um zusammengepresste Lippen, als er seinen Bourbon abstellte und sich langsam von seinem Stuhl erhob, den Arm auf die abgewetzte Theke gestützt und eine jähe Falte zwischen den Brauen.

Fayen || Outland's RustTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon