Kapitel 16: Eindringlinge

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»Löwen und Tiger? Du verarschst mich doch.«

Gage lachte endlich wieder entspannt, als er ihren Gast wie versprochen nach Hause brachte. »Nein, wirklich. Hier in der Nähe gab es mal einen großen Zoo. Als im Krieg alles den Bach runter ging und es nichts mehr gab, um all die Tiere zu füttern, hat sie jemand frei gelassen. Eben auch die Löwen und Tiger. Was überlebt hat, streunt jetzt da draußen umher. Man munkelt sogar, dass eine Giraffenherde ihr Unwesen treiben soll.«

Fayen biss sich kopfschüttelnd auf die Lippe und vermied es, seinem amüsierten Blick zu begegnen. Zu schade, dabei hätte er gern noch einmal ihr bizarres Lachen provoziert. Nach dem ansonsten ereignislosen Abendessen war es ihr entwischt, als der von Gordon angebotene Selbstgebrannte den armen Pete vom Stuhl gefegt hatte. Es klang, als würde ein Schwein husten, und wieder war er sowohl verstört als auch fasziniert von ihr gewesen.

Aber das würde ihm heute Abend nicht mehr gelingen. In der Straße angekommen, in der ihr Haus stand, fiel ihr als erstes der immer noch unnötig würdevoll anmutende Gaul auf, der sich in ihrem Vorgarten scheinbar so wohl fühlte, dass er es vorzog, in der Nachbarschaft spazieren zu gehen. Sie beobachtete ihn nur kurz dabei, wie er sich an einem Strauch im fremden Garten gütlich tat, schüttelte den Kopf, als er sie kauend, aber unbeeindruckt ansah, und wandte sich ihrem Häuschen zu.

Vor der Tür stand ein großer geflochtener Korb, randvoll mit allerlei Krempel, oben drauf ein Kissen, das aussah wie eine Wolke, und eine selbst genähte Decke. Die liebe Amber, die ihr das Essen serviert und Gage dafür gerügt hatte, ihr keine anständige Ausstattung gegeben zu haben, war also schon da gewesen.

Mit einem verschmitzten Grinsen suchte Fayen nach dem Trüffel in diesem niedlichen Willkommensgeschenk und war mehr als zufrieden, als sie drei reife Mangos entdeckte. Gage hatte derweil ihren Klepper eingefangen. Nun, wenn seine Witze sie auch nicht gerade umhauten, beeindruckte es sie doch, wie gut er mit dieser Diva von Pferd umgehen konnte.

Er führte Calvaro zurück in ihren Vorgarten, nahm ihm den Sattel ab und streichelte beinahe andächtig sein goldenes Fell, ließ sich nicht einmal davon aus der Ruhe bringen, dass die Salami an seinem Ohr zu knabbern versuchte.

Oh je, da hatten sich zwei gefunden. Aber da sie nun wusste, dass es ihrem nachtblinden Vierbeiner gut ging, und annahm, er würde nun in Reichweite bleiben, ließ sie die beiden allein und machte sich mit dem Korb aus dem Staub.

Hier drinnen sah sie überhaupt nichts, was sie Flex' Bestreben zumindest gedanklich unterstützen ließ, also bahnte sie sich mit ausgestreckten Armen einen Weg ins Schlafzimmer, um Kerzen und Streichhölzer zu suchen. Gar nicht so einfach, im Dunkeln dieses Heftchen nicht auseinanderzureißen, aber die erste brannte und warf einen warmen Schein in den Raum.

Langsam und mit vorgehaltener Hand bewegte sie sich zurück in die kleine Küche und obwohl sie selbst ja die Tür offen gelassen hatte, hätte sie nicht erwartet, dass Gage ihr folgen würde.

»Hast du alles, was du brauchst?«

Ganz unten im Korb hatte sie doch Kerzenhalter erkannt, irgendwo neben noch mehr gut riechender Seife und einer aus verschiedenen Kräutern zusammengerührte Zahncreme. Als sie einen der Messingständer zu fassen bekam, nickte sie schließlich, aber da sie ihn in der Tür stehend praktisch nicht sah, musste noch eine zweite Kerze her. Und in all der Zeit bewegte er sich keinen Schritt weit.

»Wenn sonst irgendetwas ist, ich wohne in dem komischen grünen Haus mit dem Wetterhahn, da vorne am Platz. Es ist wirklich hässlich, nicht zu übersehen.«

Dachte er etwa, sie hätte Angst im Dunkeln? Sie hob nur eine Braue, konnte aber doch nicht anders, als zu lächeln. »Danke, ich komme schon klar.«

Fayen || Outland's RustWhere stories live. Discover now