Kapitel 67: Tag 10

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Der unerwartete Aufruhr im Hof der alten Universität war längst versiegt, die Wachen wieder auf ihren Posten und die Sonne ein gutes Stück gewandert, seit er sich auf dem Dach des Schauspielhauses im University Drive positioniert hatte.

Das M2010 ruhte stolz auf seiner Auflage, er selbst lag weniger ansehnlich neben seinem Gewehr auf dem harten Untergrund. Eine steile Falte hatte sich zwischen seine Brauen gegraben, zeugte von dem Ärger und der Anspannung, die gleichermaßen Schultern und Nacken heimgesucht hatte.

Callen schüttelte den Kopf. Es war kaum zu glauben, dass sich die Bande um den prominentesten und am dringlichsten gesuchten Mann der Outlands mit derart laschen Sicherheitsvorkehrungen niedergelassen hatte. Auf dem weitläufigen Universitätsgelände in Little Rock, Arkansas.

So lange hatten sie diesen Kerl gesucht, der sich selbst nur ›Gefährte‹ nannte und derart geschickt sämtlichen Patrouillen, Fahndungsbefehlen und sogar den Army Rangern auswich. Und das nun schon seit elf Jahren. Seit er Lieutenant Forbes auf dem Gewissen hatte.

Hier thronte er. Einfach so. Das war beinahe zu einfach, da musste noch etwas sein.
Doch Callen hatte ebenso unterschätzt, wie viele Anhänger er in diesen elf Jahren um sich gescharrt hatte. Eine grobe Schätzung mochte er dazu gar nicht abgeben, aber eine dreistellige Zahl war garantiert. Vielleicht hätte er das in seinen Bericht einfließen lassen sollen.

Ein weiterer Grund, aus dem er weiter flach auf dem verdammten Dach liegen würde. Stellung halten, so lautete sein Befehl. So eine Scheiße. Dabei hatte er längst auf dem Weg zu Laura sein wollen. Er hatte sich nicht mehr bei ihr gemeldet, also wäre sie bereits aus der Stadt verschwunden, wenn alles gut gegangen war.

Doch bei dem Anblick der vielen Menschen hier begann er, an seinem Plan zu zweifeln. Er mochte sich nicht einmal vorstellen, wie viele kleine Siedlungen sich diesem Mann schon angeschlossen hatten, denn auch wenn Harper davon überzeugt war, Fellow und seine Gruppe hatten vor, den Rust zu zerstören, bewies diese Gemeinschaft etwas anderes.

Und nun waren drei weitere Leute hier angekommen. Alle drei kannte er. Den hochgewachsenen Mann mit den exotischen Zügen hatte er in Green Hill schon gesehen. Der Jüngere hatte die Frau in den Untergrund zu Urie begleitet. Und natürlich sie selbst. Die Frau, der er seit Tagen hinterher jagte, in der Hoffnung, sie brächte ihn zu ihm.

Nun, nicht ganz. Seine Annahme, sie würde ihn früher oder später treffen, hatte sich als richtig erwiesen. Den Kurs geändert zu haben, allerdings auch. Im Leben hätte Callen nicht erwartet, auf diesem Weg dem erklärten Staatsfeind in die Arme zu laufen. Donovan, pff.

Den Spuren der Reiter zu folgen, war allerdings schwierig gewesen, das musste er zugeben. Der in seiner Waffe verbaute Nanochip allerdings hatte wunderbar eindeutige Signale gesendet. Trotzdem grollte Callen ihm noch immer, seine 1911er gestohlen zu haben.

Und nun lag er hier, ließ sich von der grauenvollen Hitze garen und wartete. Wartete auf den Befehl, zu verschwinden, sobald man ihn selbst genau lokalisiert hatte, oder aber auf ein spannenderes Ereignis als das Abliefern loser Früchte in geflochtenen Körben.

Es dauerte noch weitere dreiundzwanzig Minuten, bis sich eine Tür auf der zweiten Etage der zu bewachenden Stabler Hall öffnete und ein langer, mit einer neuerlichen Naht versehener Staubmantel in seine Sicht schwang.

Da war er. Morgan Černý, alias der Gefährte, und allein, ihn wiederzusehen, ließ Callen schneller atmen. Er schob sich näher an sein Gewehr heran, späte durch das Zielfernrohr und nahm bereits Maß für einen sehr einfachen Sarg.

Er sah ihn den Kopf in den Nacken legen und sich die Augen reiben, anschließend die Schläfen. Anscheinend war er schwer damit beschäftigt, sich vor der Frau, die wild gestikulierend hinter ihm durch die Tür trat, zusammenzureißen. Sie stritten sich, doch leider nicht laut genug, dass Callen etwas gehört hätte.

Fayen || Outland's RustWhere stories live. Discover now