Kapitel 56: Lauschangriff

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Fayen atmete durch. Der schwache Duft von Salbei und Zitrone lag so dezent in dem Raum, den sie noch immer nicht betreten konnte.

In diesem Moment, und sie verfluchte die Tatsache, dass sie keine rationale Erklärung dafür fand, spürte sie das gleiche hohle Ziehen in der Brust, das sie nur einmal in dieser Form erlebt hatte. An diesem Tag im Konvoi, als ihr klar geworden war, dass sie sich verloren hatte.

Seitdem, so dachte sie zumindest, wollte sie nichts mehr, als wieder sie selbst zu sein. Überhaupt jemand zu sein. Doch leider war das nicht alles, war noch nicht genug. Auf der andauernden Suche war sie dumm genug gewesen, sich ganz still zu wünschen, etwas für jemanden zu sein, der etwas für sie war.

Nun stand sie hier, praktisch vor ihm, war zurück, bevor sie ihr ursprüngliches Ziel erreicht hatte, und seufzte. Sie hatte getan, was sie versprochen hatte. Gage war zu Hause und würde wieder gesund werden. Damit war ihre Aufgabe hier erfüllt und sie sollte gehen.

Das würde sie ohnehin, schon wieder, ihn und Fairfield zurücklassen und weiter nach sich selbst suchen. Ihr blieb keine Wahl. Wurde wirklich nach ihr gefahndet, dann brächte sie die ganze Siedlung in Gefahr, wenn sie bliebe. Zuerst musste sie diese Zielscheibe loswerden.

Doch auch wenn sie die Option gehabt hatte, hierher zurückzukehren und das Leben auf andere Weise zu spüren als bisher, dann gab es die nicht mehr. Nicht, wenn es bereits eine Frau gab, die jemand für jemanden war.

Also, warum, zum Teufel, saß sie nicht längst wieder im Auto und hielt sich an ihren eigenen Plan?

»Ich habe ihm etwas gegen die Schmerzen gegeben.« Der warme Bass ihres Arztes klang flüsternd neben ihr, holte sie ganz langsam wieder aus ihren Gedanken, doch das sanfte Drängen hörte sie dennoch heraus. »Es kann sein, dass er ein wenig benommen ist, wenn er aufwacht. Aber du kannst ruhig rein gehen.«

Sie war nicht sicher, ob sie das konnte. Doch als sie das quietschende Scharnier der Eingangstür und schnelle, aber ungelenke Schritte hinter sich hörte, musste sie das auch gar nicht. Mit Gordons Ankunft konnte sie sich um eine Entscheidung drücken, jedenfalls für den Moment.

Ihr eigener bedrückter Ausdruck mischte sich mit seinem, als er sie zaghaft und doch mitfühlend begrüßte, froh, dass wenigstens sie nicht verletzt worden war. Seine hängenden Schultern formten einen schmalen Bogen, neigten sich lediglich dadurch, dass er sich mit einer Hand über die Stirn rieb, sobald er Gage sah.

»Ich habe es gerade gehört. Was, in aller Welt, ist denn passiert?«

Da war die nächste Frage, die sie nicht beantworten konnte. Erneut konnte sie nicht anders, als den Kopf zu schütteln, auch wenn ihm das nicht behagte.

»Beat und ich haben ihn so gefunden.«

Gordon verzog das Gesicht. »Was ist denn ein Beat?«

»Ich bin Beat.«

Ihr Begleiter, bisher auffallend ruhig, hob lediglich das Kinn, als der Alte den Kopf in seine Richtung drehte. Die buschigen Brauen zunächst fragend, dann wertend verzogen bewies auch er kein Talent dafür, seinen Eindruck von ihm für sich zu behalten.

»Ja, das erklärt einiges.«

Und offenbar auch nicht die Absicht, den zu verheimlichen, ehe er sich abwandte. Nur Lian sah zu ihm herüber, sah das zynische Schmunzeln auf seinem Gesicht und fragte sich nicht zum ersten Mal, wer dieser Kerl war.

»Es ist nicht zu fassen. Wäre ich bloß mitgefahren, dann hätte er auch nicht dieses vierbeinige Biest genommen. Du weißt schon, dass dieses Pferd ein kleines Monster ist?«

Da hätte sie beinahe geschmunzelt. Nachdem der alte Angeber hier solche Aufmerksamkeit ergattert hatte, hätte sie angenommen, er benahm sich, jedenfalls besser als in ihrer Obhut. Nun, wenn Fellow ihr das auch übel nehmen würde, sollte er je davon erfahren, über den Gaul brauchten sie sich keine Gedanken mehr zu machen.

Fayen || Outland's RustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt