Kapitel 10: Home Sweet Home / Fairfield

80 22 40
                                    

Zu Pferd und mit dem unerwarteten, unbeweglichen Gewicht brauchten sie deutlich länger als eine Stunde, doch mehr als ein gemäßigtes Tempo traute sie diesem selbst zusammengeschraubten Pritschenwagen ohnehin nicht zu.

Gordon fuhr dieses skurrile Ungetüm mit sechs Sitzen und einer mehr als großzügigen Ladefläche mit einem gewissen Stolz. Neben ihm hockten Pete und Gage, der gespannt und mit der Waffe in der Hand ihre Umgebung im Auge behielt. Auf der Rückbank hatte sich Patricia an ihren Vater geschmiegt und der andere nervöse Junge schien versteinert, seit sie mitsamt Pferd an ihrem vereinbarten Treffpunkt aufgetaucht war.

Verdenken konnte sie es dem Kleinen nicht, schließlich hatten sie ihre Abwesenheit dazu genutzt, ihre toten Verbündeten aufzuladen. Sie rechnete es Gage hoch an, dass er sie würdig begraben wollte, doch seit seiner kurzen Verwunderung über ihr echtes Pferd schwieg er sich aus jeder angefangenen Unterhaltung aus.

Fayen war schon nervös gewesen, als sie den eingerollten Schlafsack an Calvaros Sattel festgeschnürt hatte. Ihn und ihre komplette Ausrüstung jetzt im Schlepptau dieser Gruppe zu wissen, ließ sie unmerklich in ihre ledernen Handschuhe schwitzen.

Im Nachhinein ärgerte es sie, sich so leicht überredet haben zu lassen, zumal sie immer noch keine Ahnung hatte, ob ihr mit diesem Gage nicht die nächste Natter im Nacken saß. Zugegeben, er hatte sie nicht mehr mit der Waffe bedroht, was in Anbetracht ihres Kennenlernens eine enorme Verbesserung darstellte, aber seine Worte über Siedlung und Gemeinschaft ließen sie viele Menschen erwarten, und gerade die bereiteten ihr neue Kopfschmerzen.

»Ich finde das immer noch erstaunlich.«

Ihre einzige Informationsquelle war Anni, die, bedingt durch ein halbes Ohr und einen unförmigen Verband auf selbigem derzeit hörgeschädigt, etwas lauter sprach, als sie müsste.

»Was denn?«

»Dein Pferd. Ich habe schon seit Jahren keines mehr gesehen, dessen Hufe alle gleichzeitig auf dem Boden standen.«

Beinahe hätte Fayen über ihre Bemerkung gelacht, mahnte sich aber, dem Gaul keinen weiteren Grund zu geben, eingeschnappt zu sein. Es glich ohnehin schon einem Wunder, dass Calvaro sie trug und sogar ziemlich zufrieden neben dem Wagen hertrabte.

Die Aufmerksamkeit genoss der sonst so störrische Vierbeiner sichtlich, auch wenn Anni sich damit eher von der Präsenz der Toten auf der Ladefläche abzulenken versuchte, auf der sie mit Toben zu sitzen gezwungen war.

»Woher hast du ihn?«

»Ach, von ... ja, man könnte sagen von einem Freund.«

Etwas unangenehm war ihr diese Unterhaltung dennoch, und hätte sie bemerkt, dass Gage sie über den Seitenspiegel beobachtete, hätte ihr das nicht mehr Sicherheit gegeben.

Annis offener Blick drückte plötzlich Mitleid aus. »Oh. Das tut mir leid.«

»Hm? Oh, nein, er lebt. Jedenfalls lebte er noch bei unserer letzten Begegnung, also - ich war es nicht.«

Ihre Gesprächspartnerin antwortete mit einem überraschten Lachen und Fayen witterte ihre Chance, etwas über den mysteriösen Ort zu erfahren, zu dem sie sich so blindlings führen ließ. Die mitteilsame Frau begann sogleich mit einer Lobeshymne.

»Fairfield wird dir gefallen. Es ist schon eine richtige kleine Stadt geworden, sauber und gepflegt, aber vor allem ist es dort sicher.«

Anni pries munter weiter ihr Zuhause an, erzählte ihr von den Menschen, die sich dort niedergelassen hatten, und dem reichhaltigen Angebot an Waren, die sie selbst herstellten. Sie berichtete von grünen Hügeln, blühenden Gärten und einer Neugier weckenden Mauer, während sie wie selbstverständlich Tobens Hand hielt.

Fayen || Outland's RustWhere stories live. Discover now