Kapitel 58: Ein Sturm zieht auf

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Von der Ladeklappe seines Wagens aus hatte Beat eine wunderbare Übersicht über Fairfields Hauptstraße. Er konnte von Flex' Werkstatt bis zum großen Eingangstor auf der einen und an der Praxis vorbei bis zum zweiten Tor auf der anderen Seite sehen. Alles hübsch in einer Linie.

Nach der letzten Nacht konnte er sagen, dass er die kleine Siedlung mochte. So niedlich und friedlich hier alles auch wirkte, war sie deutlich effizienter aufgestellt als viele andere Orte.

Hier waren Arzt, Mechaniker, Fahrzeughalle und, wenn er richtig gespäht hatte, auch drei Waffenkammern zugänglich und für fast alle Notfälle gerüstet, während Bewohner wie Arbeiter sicher hinter mit Wachen gespickten Mauern wirken konnten.

Er selbst hatte dennoch ein paar Schwachstellen entdeckt, die er, würde er diese Absicht denn hegen, ganz schnell zu einer Todesfalle für die Siedler machen könnte. Ihr Vorteil war, dass man die erst von innen erkannte. Flex war dahingehend informiert und würde bald mit Gage und den Sicherheitsleuten darüber sprechen.

Die größte Problemzone lag allerdings nicht im Aufbau der Siedlung, sondern in ihrem Gemeindehaus. Es ärgerte ihn selbst, dass er so lange gebraucht hatte, um die verdammte Antenne zu finden, die ihn endlich zu ihrer Funkstation gelotst hatte. So hatte er den Funker verpasst, dem er nur zu gern über die Schulter gesehen hätte.

Diese Nachricht, und Sturmschäden konnte er nach seiner Inspektion ganz sicher ausschließen, würde jedoch gleich für Gesprächsstoff sorgen. Sobald seine Begleitung und ihre, wie auch immer geartete, Beziehung aus der kleinen Praxis kamen.

Er schmunzelte über die Tatsache, dass sie die seit gestern nicht verlassen hatte. Dabei hatte sie, wie er mittlerweile ebenfalls wusste, sogar ein eigenes Haus. Dennoch hatte er den Rest der Nacht auf Lorettes Ladefläche verbracht.

Nun gut, das hatte schon viele Male ausgereicht und sogar einige lustige Geschichten zufolge gehabt, doch der amüsierte Blick des Arztes nervte ihn trotzdem, als der, wohl wieder auf Hausbesuch, an seinem Wohntransporter vorbei kam.

»Sag bloß, du hast im Freien geschlafen?«

Beat lachte leise. »Du sagst das, als wäre das etwas Schlechtes.«

Der Arzt wechselte seine Tasche von einer Hand in die andere, als er den eingerollten Schlafsack und die kleine Kanne sah, neben der er geschlafen haben musste. Er prüfte kurz die von Tau befleckten Gräser und Sträucher im nächsten Vorgarten und schüttelte leicht den Kopf.

»War das denn nicht unbequem oder zumindest kalt?«

»Wir haben Ende August und sind mitten in Texas. Laue Sommernächte müsste man doch auch in Houston kennen. Oder geht man da nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr auf die Straße?«

Lian zwang sich zu einem Lächeln, auch wenn es weder seine Augen erreichte noch seine Geduld mit dem seltsamen Besucher streckte.

»Da verbringt man seine Abende, wie auch hier in der Siedlung, mit Freunden und Familie und schleicht nicht um fremde Häuser herum. Genauso wenig steigt man auf ihre Dächer und belauscht Gespräche.«

Beat hob nur eine Braue. Seine Tage im Schleich-und-kriech-Team lagen wohl doch zu lange zurück, um nicht bemerkt zu werden. Kurz fragte er sich, wo der gute Doc denn gewesen war, dass er ihn hatte beobachten können, und das ärgerte ihn wirklich.

»Ich weiß nicht, was dein Problem ist. Ich glaube sogar, dass du keines haben dürftest, schließlich hat dir doch niemand hier etwas getan, oder? Also warum bist du gerade mir gegenüber, der als einziger mit dir zu reden versucht, so herablassend?«

Wegen genau solcher Überheblichkeiten, die er von seinesgleichen schon viel zu oft gehört hatte. Wegen all des Luxus', in dem sie badeten, wohl wissend, dass die Menschen um sie herum starben wie die Fliegen. Und weil es sie kein bisschen kümmerte, solange ihre Mauern mit automatischen Waffen bestückt waren und all die unglücklich Gestrandeten von ihnen fern hielten.

Fayen || Outland's RustDonde viven las historias. Descúbrelo ahora