Kapitel 46: Die Flunkerhöhle

28 9 0
                                    

Das hier war schlimmer, als in einem Käfig zu sitzen.

Nicht sehend, entwaffnet und ihre Handgelenke fest verschnürt verlangte jede adrenalingefütterte Faser ihres Körpers nach Flucht. Doch grobe Hände packten sie, schoben sie vorwärts. Verlangten, dass sie lief, obwohl ihre Knie versteift die Gegenrichtung forderten.

Die Schritte von sieben, eher acht Menschen hallten durch die verschlungenen Tunnel, trugen sie immer tiefer in die Höhle der Gaukler. Beat musste rechts von ihr sein, zumindest hatte sie von dort zuletzt seine Stimme gehört.

Ruhig bleiben, das hatte er noch zu ihr gesagt, ehe er mit einem harten Stoß und rüder Anweisung zum Schweigen gezwungen wurde. Seine Antwort war lediglich ein trotziges Murren gewesen, kaum beeindruckt von dem Überfall, den sie zu erdulden hatten.

Doch das kümmerte ihr rasendes Herz nicht, dessen Klang ihr selbst in den Ohren dröhnte und sogar das elektrische Summen der Wandleuchten schluckte, das sie zu zählen versuchte.

Sie hatte nur eine ungefähre Ahnung, wie weit sie bereits gegangen waren, zwei Türen hatten sie passiert, bevor sich die Luft im dichten Tunnelsystem verändert hatte. Kühler, frischer und längst nicht mehr durchsetzt vom Unrat des Untergrunds verschaffte zumindest sie ihr Erleichterung.

Ihre Häscher schoben weniger drängend, hielten nun sogar an. Ein Klopfen auf Metall, ein weiterer Posten. Gezwungen, zu warten, begann Fayen unweigerlich zu schnaufen, und das Knarren großer, verrosteter Tore jagte ihr einen Schauer den Nacken hinauf.

Der Druck im Rücken trieb sie vorwärts, hinein in ein munteres Stimmengewirr, das immer lauter, immer größer wurde, begleitet vom Schwingen mehrerer Saiten. Gespräche hallten von hohen Wänden wider, ehe man sie bemerkte, und ein hektisches Zupfen zerriss den Ton. Das Tuscheln war nicht angenehmer.

Fayen spürte die Blicke der sie flankierenden Gestalten, als man sie bremste, hörte ein dumpfes Poltern neben sich. Beat murrte eine der Wachen an und sie ahnte, dass auch sie gleich auf den Knien landen würde. Der Aufprall schmerzte dennoch.

Ihr Begleiter wusste, dass sie schwitze, im Stillen tobte und sicher schon ihre Flucht vor Augen hatte. Er konnte es verstehen. Sein erster Besuch in der Höhle, damals, lange vor seinen Eskapaden mit den Flunkerern, war selbst für ihn bedrückend gewesen.

Doch während sie ihr unausweichliches Ende aufzuschieben gedachte, lächelte er bereits wieder. Das nötige Drama hatten sie sich in all der Zeit bewahrt, und er konnte nicht leugnen, dass auch sein Auftritt davon inspiriert war. Wenn auch weniger kitschig.

»Aye, wen haben wir hier?«

Die tiefe, samtene Stimme ihres königlichen Ganoven rollte durch die Halle, in der so viele Absätze auf einmal über hölzerne Böden liefen. Sie machten Platz für ihren Anführer, während links von ihnen die erste Halbwahrheit gezischt wurde.

»Eindringlinge.«

Beat stöhnte. Selbst mit verbundenen Augen erkannte er den murmelnd anklagenden Mann, den er noch vor einem halben Jahr um seinen Wetteinsatz gebracht hatte.

»Hardi, ernsthaft?«

Ein melodisches, kleines Lachen flog vorbei an der versammelten Menge. Verlockend und kraftvoll, wie er es von ihm gewohnt war, konnte diese Stimme noch immer einen ganzen Saal füllen, bis in die hintersten Winkel dringen, ohne an Präzision zu verlieren.

»Ah, Beat. Mein alter Freund.«

Mit einem Selbstbewusstsein, für das man ihn ebenso bewundern wie ohrfeigen wollte, grinste Beat vor sich hin, dass Fayen diese entsetzlich gute Laune sogar jetzt heraushörte.

Fayen || Outland's RustWhere stories live. Discover now