Kapitel 35: Ein Horizont voll Schrott

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Abanathy Cabot, seines Zeichens Waffenexperte und im stillen Einverständnis mit sich selbst auch Frauenflüsterer, hatte offenbar den Orientierungssinn einer Küchenschabe, denn auch nach dem sechsten ausgebrannten Autowrack war noch längst keine Tankstelle in Sicht.

Stattdessen bewegte Fayen sich durch die Überreste einer toten Stadt, die auch vor dem Krieg nicht für ihre weiße Lattenzäune und Nachbarschaftsvereine geschätzt worden war. Ihr blieb nur zu hoffen, dass wenigstens die Himmelsrichtung stimmte, andernfalls hätte Cabot ein größeres Problem als leere Regale.

Zum wiederholten Male stolperte sie über einen verirrten Betonklotz und verfluchte die zeitlichen Rahmenbedingungen ihrer Mission. Diffuses Dämmerlicht kroch bereits über die von Schrott dominierten Ruinen, als sie schließlich das leise Klicken eiserner Spannverschlüsse vernahm.

Der Verwechslung mit dem Klang eines umgelegten Verschlusses geschuldet, suchte sie Schutz hinter den sich abwechselnden Höhen einer löchrigen Hauswand und lauschte. Lauschte auf das dumpfe Poltern unweit ihres Verstecks, das untermalt von gelegentlichem Stöhnen bald auf Schauer statt auf Schützen schließen ließ.

Entwarnung, jedenfalls bis sie einen Blick auf das zu gleiche Paar werfen konnte, das im schwachen, orange leuchtenden Schein auf dem von vier verrosteten Zapfsäulen flankierten Vorplatz eine olivgrüne Kiste auf der nächsten stapelte.

Da, auf der anderen Straßenseite, standen sie. Er, etwa hoch wie breit, schulterte eine Flinte mit abgesägtem Lauf, die bei jedem Heben und Bücken schaukelte. Sie, von eher geringer Größe, doch nicht weniger robust, deren kurzes, streng zurück gekämmtes Haar ebenso glänzte wie sein kahl rasierter Schädel.

Über gebrochenen Backstein spähend versuchte Fayen, ihrem Gespräch zu folgen, doch der Kerl wetterte nicht laut genug. Einen prüfenden Blick später schlüpfte sie in die Ruine und schlich durch ihren ausgemergelten Flur näher an die beiden heran.

Wo das hiesige Krabbelvieh sein Unwesen trieb, hatte sich die Natur bereits zurückgeholt, was der Mensch ihr einst genommen hatte. An der Tür zum angrenzenden Hinterhof flocht sie ein Netz aus knorrigen Ästen, hinter dem sie ungesehen die alte Texaco beobachten konnte.

Und während die Frau sich über eine Petroleumlampe beugte und sich fluchend eine entwischte Strähne versengte, bevor der schiefe, kleine Stängel in ihrem Mund zu glühen anfing, wuchtete ihr Partner eine überaus wertvolle Fracht in ihren Truck.

»Wo, zum Teufel, bleibt das Arschloch? Er hätte längst hier sein sollen.«

Der gelbe Stern mit der innen liegenden Kontur sagte ganz deutlich U.S. Army und da diese Typen wohl kaum mit dem Militär zu tun hatten, handelte es sich hierbei um Diebesgut. Wenn Fayen einen Tipp abgeben sollte, fiele der auf einen verschlagenen Händler, der bereits ungeduldig auf eben jene vermisste Lieferung wartete.

Wenn dieses Zeug vor ihr in Parlows Lager käme ... Sie musste sich, verdammt noch mal, beeilen.

Völlig unbeeindruckt nahm die Frau einen tiefen Zug, und als sie sprach, kroch der Rauch über ihre Lippen. »Ja, mit Lous Patrouille und einer ordentlichen Ladung Sprit. Gut möglich, dass die sich abgesetzt haben und ohne uns 'ne Party feiern.«

»Dann häng' ich den Pisser eigenhändig an den Fahnenmast. Soll er auf dem Platz baumeln.«

Patrouille? Fayen seufzte. Diese Bande war deutlich besser organisiert als die letzte, mit der sie zu tun hatte, und dieser Lou wäre wohl kaum erfreut, zwei Leichen vorzufinden, wenn er hier ankam. Vielleicht war der sogar schon in der Nähe, könnte sie überraschen, und so sehr es ihr widerstrebte, musste sie doch einsehen, dass ihre geschätzten Hauruckaktionen diesmal nicht funktionieren würden.

Fayen || Outland's RustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt