Kapitel 36: Mondlichtjagd

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Eine Feuerwache. Nun gut. Nicht, was sie erwartet hatte, aber mit der Größe und dem Fahnenmast hatte sie richtig gelegen.

Auf der rechten Seite flankiert vom City Court Clerk und einem Museum, das in bester Melancholie die Überbleibsel der frühen Jahre Louisianas verstauben ließ, und zu ihrer Linken von einem meterhohen Wall aus Autoreifen, Müllcontainern und verrottetem Baumaterial abgeschirmt, hatte sich Parlows Bande einen hübschen, kleinen Bienenstock errichtet.

Einen, der nur über einen stark frequentierten Zugang betreten werden konnte. Jedenfalls von den meisten.

Fayen hockte wie gefaltet hinter dem ihr als Versteck dienenden Lieferwagen, den Blick durch ein tellergroßes Loch in der Seitentür auf den Vorplatz gerichtet, in dem ihre Geisel gerade wie selbstverständlich im emsigen Treiben einer feiernden Meute verschwunden war.

Mistkäfer.

Doch das war nur ein Teil ihres Problems, denn Parlows Bande war nicht nur mit Waffen ausgestattet. Die am Haupt- und Nachbargebäude angebrachten Scheinwerfer zielten nicht nur in den Hof, sie schwenkten in viel zu genauen Intervallen über die Straßen. Und unter dem Bourbon indizierten Grölen um brennende Mülltonnen hörte sie Töne in irritierend harmonischer Gesetzmäßigkeit.

Musik!

Da legte sich ein kleines, beinahe wehmütiges Lächeln auf ihre Lippen. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, dass sie zum letzten Mal die Kunst der alten Welt gehört hatte. Einen so gezielten Einsatz von Verkabelungen hatte sie selbst in Fairfield nicht ausmachen können. Doch statt rhythmische Klänge aus kratzenden Lautsprechern zu zelebrieren, behielten die ihre Mauern im Auge.

Während eine hohe, doch erkennbar männliche Stimme das süße Kind fragte, wohin sie nun gehen sollten, passte Fayen die gemächlichen Fahrten der Lichtkegel ab, um ungesehen zu den Ruinen in der nahe gelegenen Querstraße zu schleichen.

Sicher, hierher zurückkehren zu können, verstaute sie ihre Tasche neben der Tür, die nasse Jacke warf sie weg. Überprüfte ein letztes Mal ihre Waffen. Ihr Magazin war voll, der Bogen geschultert und sie selbst darauf bedacht, sich nicht noch einmal überraschen zu lassen.

Rein und raus, eine ganz schnelle Nummer, das hatte sie in ihrer sündhaften Selbstüberschätzung orakelt. Dabei wusste sie, dass es so einfach nicht werden würde. Aber hatte sie denn eine Wahl?

Dass die Wachen von der Tankstelle bereits Meldung gemacht hatten, wusste sie jedoch nicht.

Und sie ahnte nicht einmal, dass sie nicht allein auf dieser Mission war.

Schließlich pirschte sie um das Lager herum, bis zu einem in bedenklichem Winkel geneigten Funkturm, und verschwand im Schatten der zerfressenen Stahlträger. Ganz so clever schien die Bande dann doch nicht zu sein, denn die Rückseite ihres Unterschlupfes war weder bewacht noch beleuchtet. Doch das war gleichermaßen ein Vor- wie auch ein Nachteil.

Was gäbe sie gerade für ein vernünftiges Gewehr mit Nachtsicht. Einzig der still vor sich hin lächelnde Mond warf ein fahles, kaltes Licht auf zerklüftete Wege. Noch jedenfalls, denn schon jetzt schob der aufkommende Wind vereinzelte Wolken vor die Leinwand.

Doch das reichte, um einen Pfad über die gestapelten Reifen festlegen zu können. Fayen sah sich um, weit und breit keine Nattern zu sehen, und nahm Anlauf. Auf gut' Glück sprang sie eine kleine Nische im Wall an, stemmte den Stiefel in porösen Gummi und nutzte ihren eigenen Schwung, um nach dem nächsten Container zu greifen.

Kaltes Metall schnitt in ihre Handschuhe, als sie alle Kraft aufbringen musste, um sich an der Kante nach oben zu ziehen. Heilfroh über die jaulende Mundharmonika im Hof, die das Poltern ihrer Stiefel auf dem Dach kaschierte.

Fayen || Outland's RustHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin