Kapitel 24: Lone Star Cowboys

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Der Stoß kam unerwartet und mit einer solchen Energie, dass sie Gage aus den Augen verlor, noch bevor sie dieses hohle Gefühl in der Brust als Panik verstehen konnte. Fayen stolperte zurück und ihr ohnehin schon überdehnter Knöchel versagte mit einer erneuten Schmerzwelle den Dienst.

Zwischen den aufgetürmten Regalen liegend biss sie die Zähne zusammen, die Arme schützend über dem Kopf verschränkt. Schnaufte durch die dicke Staubschicht am Boden und erwartete bereits die nächste Salve bedrohlicher Schüsse. Doch blieb die aus.

»Gage?«

Nur langsam hob sie den Kopf, lauschte. Bis auf Louises jaulenden Anlasser draußen vor der Halle hörte sie nichts mehr und auch ihr Begleiter war still. Zu still. Über ihren eigenen Atem hinweg wurde es nur schwerer, ihn auszumachen. Ihr eigener Herzschlag begann, in ihren Ohren zu dröhnen, verstärkte mit jedem hektischen Poltern eine Angst, die sie nicht zulassen wollte.

»Alles okay.« Seine Stimme. Rau, aber deutlich, klang sie aus dem Gang neben ihr, ebenso wie das schnappende Geräusch seiner entsicherten Waffe. »Bist du in Ordnung?«

Ihr Blick schnellte durch die Regale hindurch, suchte das schmutzige, weiße T-Shirt, das sich von den alten Kartons abheben sollte. Mit fahrigen Händen wischte sie sich die langen Haare aus dem Gesicht, als er ihr bereits zunickte, und lächelte durch den erlösenden Seufzer.

Doch dann hielt sie inne, nur einen Moment, der ihr viel zu deutlich zeigte, was hier gerade passierte, und doch schnell wieder vorüber war, sobald Gage mit düsterem Ausdruck seine Umgebung absuchte. An den verzogenen Brauen erkannte sie, dass er sich ebenfalls fragte, welche Waffe solche seltsamen Geräusche von sich gab.

Das war keine normale Pistole gewesen, aber auch nicht einmal annähernd etwas, das im Rust selbst hergestellt wurde. Prüfend sah Gage sich die Wände und Regalprofile an, fand doch aber keine Einschusslöcher, keine Schnitzer. Mit einer bloßen Ahnung fiel sein Blick zu Boden und landete auf einer Messinghülse. Und mit dem stotternden Anlasser im Hintergrund war ihm klar, welchen Nutzen die gehabt hatte.

Sein Blick verfinsterte sich weiter, die Brauen streng verzogen und in der Wange ein Muskel zuckend. Er ballte die Hand um den Griff seiner Waffe, die verdammt noch mal gleich ein paar echte Schüsse abgeben würde.

»Bleib in Deckung.«

»Was hast du vor?«

Gage sprang auf, ihr Zischen hörte er schon nicht mehr. Er musste sich beeilen, bevor die Arschlöcher noch zufällig herausfanden, wie sie die Zündung überbrücken mussten. Er rannte, so schnell er konnte, aus der Halle hinaus in blendendes Sonnenlicht, gerade als der Dieb den kleinen Schalter unter dem Armaturenbrett gefunden hatte.

Zu spät. Louises Motor schnurrte gewohnt ruhig vor sich hin und Gages Puls begann zu rasen. Sand und Staub wirbelten auf, während er die letzten Meter zum Auto überwand. Er sah den Kerl noch fröhlich auf das Lenkrad trommeln, als sich der Pick-up in Bewegung setzte.

Nein. Verdammt, nein!

In einem gewagten Manöver hechtete Gage vor die Stoßstange, schnitt ihm mit einem donnernden Befehl und erhobener Waffe den Fluchtweg ab, dass der Kerl vor Schreck aus dem Sitz sprang. Sein heller Schrei begleitete den Schlag auf die Hupe und der nervöse Fuß verfehlte das Bremspedal.

Ungewollt schoss der Wagen nach vorn, direkt auf ihn zu. Gage sprang zur Seite, trotzdem traf der Kühler seinen Oberschenkel, riss ihn herum. Schmerzvoll keuchend schlug er auf den Sand bedeckten Asphalt, rieb sich die nackten Arme auf. Aus zusammengekniffenen Augen sah er, wie der Pick-up schlingernd auf den Mattenzaun zusteuerte.

Er hörte den entsetzen Ruf des Kerls, bevor der gänzlich die Kontrolle verlor und mit einem metallischen Kratzen zwischen zwei in der Erde versenkten Zaunpfosten stecken blieb.
Gage seufzte, weniger erleichtert als grollend über die vereitelte Flucht, wenn der Ärger darüber auch bald gewann.

Fayen || Outland's RustWhere stories live. Discover now