Kapitel 6: Schöne, neue Welt

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Der Rauch war bereits ein schlechtes Zeichen gewesen, doch der beißende Gestank, der ihr schon von weitem entgegenschlug, ließ keinen Zweifel daran, dass ihr gefangener Fisch längst ein knuspriges Stück Kohle war.

Scheiße noch mal, da suchte man sich einen Busch mit nicht gänzlich vertrocknetem Blattwerk, in dem man sich erleichtern konnte, und schon war das Abendessen dahin. Jetzt konnte sie noch einmal von vorn anfangen.

Beinahe spöttisch wieherte ihr unfreiwilliger Begleiter, als sie ihre Kohle in den Sand warf. Mit dem Messer in der Hand starrte sie ihn an.

»Halt bloß die Klappe, Fury, sonst landest du als nächstes auf dem Grill.«

Sie war sich mittlerweile sicher, dass der dumme Gaul es auf sie abgesehen hatte. Zweimal hatte er sie schon abgeworfen, und Scheiße, damit hatte er ihrer Platzwunde keinen Gefallen getan. Zwei Tage lief sie schon neben dem Klepper her.

Aber dass er nach ihr ausgetreten hatte, als sie ihm nur den Dreck vom Huf schaben wollte, das hatte sein Schicksal als Salami endgültig besiegelt. Das schnellste Pferd nördlich der Todeszone, pah. Bei der nächsten Gelegenheit würde sie das Vieh gegen etwas Nützliches eintauschen. Nur deshalb behielt sie es.

Ja, ganz sicher nur deswegen.

Vielleicht wäre dann auch etwas Pökelfleisch drin, ihr knurrte wirklich der Magen, was sie wieder zu ihrem Fisch brachte. Mist. Nun gut, wenn sie etwas essen wollte, müsste sie sich schon etwas besorgen. Sie hoffte nur, der eine oder andere Flussbewohner hatte sich schon in ihrer Reuse verfangen.

Den Köcher geschultert und den Bogen fest in der Hand machte sie sich erneut auf den Weg in ihr Jagdgebiet. Den dummen Gaul ließ sie in ihrem temporären Lager unter ein paar Bäumen nah des brach liegenden Ackers zurück und machte sich auch nicht die Mühe, ihn anzubinden. So unsympathisch sie einander auch waren, er würde hier auf sie warten, und sollte es für ihn gefährlich werden, hätte er so die Chance zu fliehen.

Als sie an ihm vorbeilief, schnaufte er auf und sie warf ihm einen verächtlichen Blick zu. »Spar es dir.«

Schwer zu sagen, was sich zwischen ihnen verändert hatte, aber das Pferd schien sie kaum noch ernst zu nehmen. Aber das zu glauben, war sicher auch ihrem überreizten Nervensystem zuzuschreiben.

Nach diesem grauenvollen Fund vor drei Tagen hatte sie nur mit einem wachen Auge geschlafen, also praktisch gar nicht. Denn nun wusste sie, dass nicht nur vierbeinige Gefahren in diesem Wald lauerten. Aber sie hatte keine Ahnung, wo diese Bande war und ob sie nicht den gleichen Weg nahm wie sie.

Möglich war es. Letzte Nacht hatte sie Schüsse gehört, nur könnte das auch jeder andere gewesen sein.

Sie war heilfroh gewesen, endlich aus dem tiefen Fichtenschlund herausgekommen zu sein, hielt sich aber dennoch möglichst an seinem Rand auf und bewegte sich unweit des Flusses weiter.

Zu sagen, sie wäre nervös, wäre untertrieben und dennoch nur die halbe Wahrheit. Es war auch sicher nur die notwendige Jagd nach etwas Essbarem, wegen der sie so eifrig mit dem Bogen übte. Die kleine Zielscheibe aus mehreren Schichten Baumrinde, in deren ungefährer Mitte sie ein paar weiße Blumen festgesteckt hatte, war schon am ersten Tag hinüber gewesen.

Nach etwa achtzig Schüssen hatten sich ihre Schultern verspannt und ihre Fingerspitzen abgerieben angefühlt. Aber trotz schmerzender Arme hatte sie nun ein gutes Gefühl für ihr neues Werkzeug.

Dieses Modell hatte mehr Zuggewicht, als sie für sich selbst gewählt hätte. Es war stark und garantierte eine flache Flugbahn, war aber auch dementsprechend schwer zu beherrschen. Sie wollte sich nicht beschweren, aber um im entscheidenden Moment nicht zu verziehen, brauchte sie Übung.

Fayen || Outland's RustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt