Kapitel 21: Überschrittene Grenzen

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Seine Stiefel gruben sich in den schwarz gefärbten Sand. So leicht gab er unter ihm nach, dass seine Schritte nur noch schwerer wurden. Es brauchte nicht viele, um ins Zentrum der heillosen Zerstörung vorzudringen, doch waren die wenigen Meter genug, um ihm eine Gänsehaut zu bescheren.

Verfallene Häuser, bis auf die Grundfesten niedergebrannt, säumten den Weg zu beiden Seiten, als Callen durch die verlorene Siedlung schlich.

Es war lange her, dass er hier gewesen war. Beim letzten Mal, erinnerte er sich, war er noch Private und für die Güterausgabe während der Versorgungstouren eingeteilt gewesen. Niedere Dienste hatte ihr Corporal die abfällig genannt, doch er war froh gewesen, die wenigen bewohnten Siedlungen im Rust besuchen zu können. Und dieser im Verhältnis gut ausgebaute Handelsposten war einmal wunderschön gewesen.

Der große Marktplatz, den er heute nur deswegen als solchen erkannte, weil er ihn in seiner Blüte hatte erleben dürfen, hatte viele kleine und stets geöffnete Läden mit allerlei ungewöhnlichen Waren geboten. Genau dort, in diesem unscheinbaren Geschäft mit seinen bunten Bleiglasfenstern, die einst aus einer verlassenen Kirche entwendet worden waren, hatte er für seine Schwester eine handgemachte Kette erstanden.

Getauscht, korrigierte er sich still, gegen ein kleines Klappmesser, das er am Abend zuvor beim Pokern mit den Kameraden gewonnen hatte. Und er erinnerte sich gut daran, wie sie zusammen auf den grünenden Rasenflächen am Brunnen gesessen und mit den umherziehenden Händlern gefeilscht hatten.

Und nun, viele Jahre später, stand er hier zwischen den Trümmern des ehemaligen Außenpostens mit dem Auftrag herauszufinden, was hier passiert war.

Heute bedeckte nur noch Ruß den Boden der einst so belebten Gemeinschaft und das Knirschen unter seinen Sohlen war alles, was noch auf Leben hindeutet. Das zu finden erwartete man hier vergeblich, doch ebenso aussichtslos war die Suche nach Beweisen, die das Feuer überlebt haben könnten.

Es war nicht schwer zu rekonstruieren, was hier vorgefallen war. Die beiden Tore, die von Osten und Südwesten in die Siedlung führten, waren gestürmt worden. Wohl bei Nacht, denn er sah nur wenige Menschen auf der Straße. Er war dankbar für ihre geringe Anzahl, doch nicht weniger wütend über ihren Zustand.

Harper hatte recht gehabt. Die Siedlung war nicht einfach angegriffen worden. Man hatte sie dem Erdboden gleich gemacht.

Doch nicht zum ersten Mal fragte er sich, wie es sein konnte, dass der Überfall auf die Grünen Hügel am Davy Crockett nicht schon früher bemerkt worden war. Doch am Ende machte es wohl keinen Unterschied.

Schwermütig ließ Callen den Blick schweifen, sah sich die sinnlose Zerstörung im Ganzen an.
Der Vorgehensweise nach zu urteilen, konnte man durchaus die Rebellen dafür verantwortlich machen. Sie mochten nicht die Ausrüstung oder gar die Erfahrung ausgebildeter Streitkräfte besitzen, gingen jedoch immer taktisch vor, wenn sie irgendwo aufschlugen. Doch das Maß an Brutalität, mit der hier gewütet worden war, ließ ihn stark an ihnen als Auslöser zweifeln.

Immer drängender wurde dafür der Gedanke an Xanders Vermutung, es hier nicht mit der bekannten Heuschreckenplage, sondern mit einem sehr viel gefährlicheren Jäger zu tun zu haben. Einem, der einfach keine brauchbaren Beweise hinterließ.

Die Ruß bedeckten Fußspuren führten ihn an das östliche der beiden Tore, mischten sich dort mit Hufabdrücken, die sich dann in weiten Abständen in der Wildnis im Norden verliefen.
Das war aussichtslos. Widerwillig drehte er um, den Blick starr zu Boden gerichtet, bis er eine Spur fand, die nicht wie alle anderen in Richtung Tor drängte. Er folgte den unbedacht hinterlassenen Abdrücken in eine Gasse, ging ihnen entlang der Mauer nach.

Auch sie deuteten auf schnelle Schritte, sie waren geflohen, doch einer von ihnen war gestürzt. Die umgeknickten Halme der grau gefärbten Gräser wiesen Handabdrücke auf, neben ihnen verteilten sich kleinere, flache Fußspuren. Eine Frau oder auch ein älteres Kind, auffällig klein und leicht.

Fayen || Outland's RustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt