Kapitel 12: Was zählt, sind wir

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Nach der Entdeckung moderner und sogar funktionstüchtiger sanitärer Anlagen und nun wieder in beinahe schmerzlich vermisster Einsamkeit hatte Fayen sich entschieden, die Grundwasservorräte ein wenig zu dezimieren, indem sie so lange geduscht hatte, bis ihre Finger und Zehen schrumpelig gewesen waren.

Die faltigen Beweise der letzten zenartigen vierzig Minuten glätteten sich dennoch viel zu schnell, während sie sich nun etwas genauer in dem Häuschen umsah und sich erstmals seit ihrem Erwachen auf dem rostigen Zellenboden wie ein Mensch fühlte. Der Mangel an gewaschener Kleidung trübte ihr sauberes Empfinden nur bedingt, solange sie ihr neues Accessoire, das kornblumenblaue Handtuch, auf den Schultern spürte.

Im Schlafzimmer, im hinteren Teil des Häuschens gelegen, sank sie schließlich ergeben auf das Bett, deren Matratze in ansprechender Weise unter ihr nachgab und eine zarte Duftmischung aus Feld und Wiesen verbreitete. Beinahe hätte sie sich ausgestreckt, vergessen wollen, wo sie war und was sie vorhatte, und die nächsten zwei Tage durchgeschlafen. Einfach so lange es ging die Batterie aufgeladen, bevor sie nach Rockwells Bluff weiterzog.

Wenn sie ging, würde sie auf jeden Fall das Stück Kernseife aus dem Bad mitgehen lassen. Sehr wahrscheinlich auch die roten Streichholzheftchen mit dem elegant geschwungenen Namen einer Bar irgendwo im Nirgendwo, deren Besitzer beim Bemalen keiner erkennbaren Rechtschreibung gefolgt war.

Sie betrachtete die kleine Schachtel, stellte sich allerlei Fragen zu der munteren Siedlung namens Fairfield, deren Existenz um ihretwillen ein Geheimnis bleiben sollte, und wollte der hereinbrechenden Dunkelheit gerade mit einer der Kerzen aus dem Nachtschrank entgegenwirken, als sie ein dumpfes Klopfen hörte. Einen Augenblick lang konnte sie dieses Geräusch tatsächlich nicht zuordnen.

Sich mit dem Handtuch die feuchten Haare rubbelnd öffnete sie Gage die Haustür. Teils erfreut, jemanden zu sehen, teils ernüchtert, weil ihr das Bett versagt blieb, sah sie ihn einfach nur genauso fragend an wie er sie.

Vor einer Stunde noch hatte er nicht gedacht, ihre Anwesenheit oder ihre mittlerweile weichgespülte Erscheinung derart sonderbar zu finden, doch nach einer anscheinend ausgiebigen Dusche stand ein anderer Mensch vor ihm. Ein Gesicht war eben dann noch ein wenig ansehnlicher, wenn es sauber und nicht in Mordlust und Verderbtheit verzogen war.

»Geht es dir gut?«

Eine völlig normale Frage, dachte sie, aber dennoch seltsam. Ihr verzogener Mund drückte kurzes Überlegen aus, dann nickte sie.

»Unser Arzt ist jetzt frei. Im Anschluss sollte auch das Essen fertig sein. Komm, ich führ' dich noch rum.«

Das Bett musste wohl noch eine Weile warten, denn kaum hatte er Essen gesagt, meldete sich ihr Magen mit einem Aufschrei, lauter als sein erster, noch durch Müdigkeit beeinträchtigter Versuch am Morgen, den sie gerade noch unterdrücken konnte.

In Ordnung, dann schnell den ansässigen Arzt wegen ihres immer noch angeschlagenen Hinterkopfes konsultieren und dann den Bauch voll schlagen. Ihr Bett sollte ja nicht einfach davonlaufen. Nickend tauschte sie also das Handtuch gegen ihre Pistole, ehe sie zu ihm auf den Absatz trat.

»Oh, die wirst du nicht brauchen.«

Zuerst vernahm er ihr spöttisches kleines Lachen, dann begegnete sie ihm mit einem dazu passenden Gesichtsausdruck und steckte ihre Waffe hinten in den Hosenbund.

»Du wolltest mich heute erst erschießen und anschließend hinterrücks erdolchen. Sie kommt mit.«

Natürlich war sie sich bewusst, dass sie mit gerade mal acht Kugeln keine besonders guten Aussichten hatte, sollte sich die Dorfgemeinschaft zusammenrotten, doch in diesem Moment, der ihr immer noch viel zu gut erschien, um keine Falle zu sein, zählte einfach das Gefühl.

Fayen || Outland's RustWhere stories live. Discover now