Kapitel 62: Druckausgleich

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Das Ziehen an seiner Naht riet ihm, langsamer zu machen, doch die Aussicht auf einen Abend mit Fayen – zumindest bis ihr seltsamer Begleiter kam, und er lobte sich selbst dafür, diesen Umstand nicht bemängelt zu haben – verbat ihm, einen Gang herunterzuschalten. In dieser Hinsicht war er nicht klüger als andere Männer.

Er hätte aber, wie andere Männer es wahrscheinlich getan hätte, einen anderen Schlafplatz für Beat finden können. Dass der ihm jetzt in aller Eile entgegenkam, rügte ihn nur noch mehr für diese verpasste Gelegenheit.

Und als er noch zu schätzen versuchte, wie ungehalten er sein würde, sollte er es jetzt ansprechen, sorgte ein einziges Geräusch dafür, dass sie beide auf halbem Wege stehen blieben. Er sah genau, dass auch Beat den Klang kannte, den keine selbstgebaute Schusswaffe imitieren konnte.

Und neben ihm trug nur noch sie  ihre Waffe stets bei sich.

Im nächsten Moment hatte er seine Naht vergessen. Hatte Beat vergessen. Hatte genauso vergessen, dass der wegen eines unguten Gefühls mit ihnen hatte sprechen wollen. Jetzt zählte nur noch, was in der nächsten Sekunde geschah und der darauf.

Er rannte, so schnell er konnte, zu ihrem Haus zurück, dicht gefolgt von Beat. Er sah nicht, wie der hinter ihm abbog und sich bereits einem ganz eigenen Ziel widmete, ehe er die verdammte Haustür stürmte. Doch schon im Eingang geriet er ins Stocken, denn so hatte er Fayen nie sehen wollen.

Wie sie gekrümmt vor dem kleinen Tresen lag, ihre Waffe noch in der Hand und die Zähne so fest zusammengebissen, dass sie doch nicht den Schmerz dämpfen konnten, der von ihrem Oberschenkel ausging. Ihre Hand drückte auf eine klaffende Wunde, leuchtete unter ihrem eigenen Blut, das durch ihre Finger sickerte.

Gage ging neben ihr in die Knie, verschaffte sich einen groben Überblick, so darauf bedacht, seine Hände nicht zittern zu lassen, als sich ein bitterer Knoten in seinem Magen formte. Wer immer das getan hatte, würde dafür büßen. Denn das hier war gerade persönlich geworden.

»Wer war das?«

Sie schnaufte, schwankend zwischen dem Gefühl des glühend heißen Schnitts an ihrem Bein und der brodelnden Rachsucht, einen bekannten, wenn jedoch neuen Namen hervor. »Paul.«

Einen Augenblick dachte er, er hätte sich verhört oder sie sich geirrt. Denn wenn das wirklich einer ihrer Neuzugänge gewesen war, dann hatten sie alle ein weit größeres Problem. Doch jetzt war Fayen wichtiger als jemandes Rache.

Unter dem Ziehen seines eigenen Schnitts presste er die Kiefer aufeinander und hob sie hoch. Der Schmerz stand in ihrem Gesicht, ließ ihre Augen glänzen, doch selbst unter diesen Umständen erkannte er ihren verletzten Stolz.

Gage wusste nicht, ob er sie dafür bewundern oder besser tadeln sollte, als er mit ihr das Haus verließ, wurde aber schon bald an beidem gehindert. Beat war selbst fündig geworden, hockte mit seinem ganzen Gewicht auf einer am Boden liegenden Gestalt in grau, die fluchte und zappelte und doch nichts ausrichten konnte. Nicht gegen eine solche Aggression.

Mit festem Griff in das schüttere Haar hob Beat den abgewandten Kopf, dass Gage ihn im fahlen Dämmerlicht sehen konnte, und seine Befürchtung bestätigte sich. Das war tatsächlich Paul, und damit eine ihrer eigenen Wachen mit Zugang zur Waffenkammer. So eine verdammte ...

Aber viel wichtiger war, welchen Grund er gehabt haben sollte, die Frau anzugreifen, die seine Tochter gerettet hatte. Und so wenig Sinn das für ihn auch ergab, er würde es noch aus ihm herausholen.

»Bring ihn zum Gemeindehaus. Gordon ist noch da, er weiß, wohin mit ihm.« Als Beat nickte, senkte Gage die Stimme auf ein drohendes Knurren. »Um den kümmere ich mich später.«

Fayen || Outland's RustWhere stories live. Discover now