Kapitel 13: Die erste Vision

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• Vittorius •

Sanft schließe ich die Tür zu meinem Gemach, in dem Yara nun hoffentlich eine angenehme Nachtruhe hat.

Anschließend ziehe ich mich in meinem großen Regierungszimmer zurück. Auf mich wartet ein großer Stapel Papierkram, der abgearbeitet werden muss. Einige Stunden später gesellt sich auch Isajah zu mir.

Offensichtlich ist er mit seinen Gedanken nicht ganz bei seinem Teil der Arbeit.

„Mein König, darf ich euch etwas fragen?", beginnt er voller Neugier das Gespräch. Verstohlen schaut er aus einem Bauplan hoch.

Resigniert rolle ich das Papier zusammen und lege es auf den Stapel voller unerledigter Aufgaben. In meiner Abwesenheit hat Isajah wie immer zuverlässig ein gutes Stück meiner Arbeit abgenommen, aber längst nicht alles.

„Was gibt es denn, mein Sohn?", frage ich ihn mit einem milden Lächeln.

„Würdet Ihr mir die Ehre erweisen und mir erzählen, wie es zu allem kam?", fragt er mit einem Funkeln im Auge. Isajah war schon immer der Schützling mit der größten Neugier. Und genug Mut und Verstand, um zu hinterfragen.

Schmunzelnd denke ich an alte Zeiten zurück, Lucan zum Beispiel war eher das Gegenteil. Also neugierig war er auch, aber er hat immer heimlich hinter meinem Rücken Unsinn angestellt und sich unerlaubt schutzlos vom Gelände geschlichen. Natürlich wusste ich über jeden Vorfall Bescheid und hatte strenge Konsequenzen zum Leidwesen von Lucan verhängt.

„Das wird eine Geschichte nach deinem Geschmack", heize ich Isajahs Neugier an. Ein Grinsen breitet sich auf unseren Gesichtern aus.

Wir verlagern unser Gespräch zum knisternden Kaminfeuer und ich erzähle ihm ausführlich von der ersten Begegnung und der Verwandlung von Yara. Anschließend bringe ich ihn über die aktuellen Probleme auf den neusten Stand. Wenn jemand neben mir noch ein gutes Auge auf mein neues Vampirmädchen werfen kann, dann ist es Isajah. Schließlich ist er nun auch ihr großer Vampirbruder.

„Werdet Ihr mit Yara die Fähigkeitentests durchlaufen?", fragt Isajah nach einer kurzen Gesprächspause. Vor dieser Frage habe ich mich schon gefürchtet.

Sogar ich, der mächtigste Mann in diesen Ländereien und König des Volkes, bin mir unsicher, ob ich bei den bereits von der Norm abweichenden Fakten diese Tests mit ihr durchziehen soll.

In den Fähigkeitentests wird von nahezu jedem neuen Schützling eine Art Fähigkeitenprofil ermittelt und ausgewertet. Besonders bei den Männern entscheidet sich dann, ob sie einer hohen Militäreinheit beitreten können. Meine Vampirtochter wird eher von diesem Militär beschützt, als das sie ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen müsste, um einen hohen Rang bekleiden zu können.

Und sie ist nun mal eine Frau. Unsere lieben Vampirinnen beschützen und behüten wir mit tiefster Ehre.

Meine größte Angst ist, dass sie außergewöhnlich hohe Fähigkeiten zeigt. Und ich kann mir ehrlich gesagt kaum das Gegenteil vorstellen, bei dem was ich bisher gesehen habe. Am Ende möchte sie mit ihren Fähigkeiten noch in eine Elite Einheit oder eine Geheimeinheit. Dass meine Söhne äußerst hohe Militärränge besitzen, ist etwas vollkommen anderes! Sie ist eine Frau und in keiner meiner Einheiten widmen Frauen ihr Leben der Einheiten Sache.

So ist das nun mal.

Aber Yara ... Sie ist anders. Das ist mir direkt aufgefallen. Sie ist unerschrocken und sich um nichts zu schade.

Und sie ist selbstständig, zumindest war sie es, bis sie zu mir kam. Nun steht sie einem großen Unbekannten gegenüber, wie mir scheint.

Was ihre selbstständige und selbstbewusste Art aber wahrscheinlich nicht schmälert.

Vampirkind YaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt