Vampirkind Yara

Kapitel 170: Deryas Machtkampf

• Yara •

Die Stimmung zwischen Daryun und Derya nimmt ordentlich Pfad auf. Viel lässt sich aus deren Temperament ableiten, welches offensichtlich Teil der Kultur ist, aus der die Beiden stammen.

Mir ist vorher schon aufgefallen, dass die Zwei sehr lebhaft sind und sehr extrovertiert kommunikativ, wenn man das so beschreiben kann.

„Du brauchst doch gar nicht kämpfen", steigt Daryun gedehnt in die Auseinandersetzung ein.

Lucan wirft mir ein verstohlenes Grinsen zu und legt seinen Arm um meine Schultern. Dann zieht er mich nah an sich ran. Wohlig schmiege ich mich an die Brust meines großen Lieblingsvampirbruders.

„Das hättest du nicht tun sollen. Aber ich finde es großartig, dass du es dennoch getan hast", flüstert er mir völlig belustigt ins Ohr. Mit einem gespielten empörten Blick schaue ich Lucan an. Der schmunzelt amüsiert vor sich hin. Fürsorglich legt Lucan eine weiche Decke um meine Schultern und gemeinsam verfolgen wir das kinoreife Streitprogramm.

„Was ist das für ein Argument? Yara braucht auch nicht zu kämpfen und lernt erweiterte Elementtechniken. Sie darf sogar mit Sorin trainieren und wir wissen alle, wie hart Sorins Training ist!", kontert Derya munter drauf los.

Valerie spitzt kaum merklich ihre Ohren und hört interessiert zu, was die beiden sich an den Kopf werfen. Taavi entgeht das bei seiner Frau natürlich nicht, mit versteinerter Miene drückt er den Kopf von Valerie an seine Brust und streicht ihr durchs Haar. Ebenso eine behutsame aber auch dominante Geste. Valerie ist nur nicht der Typ dafür, sich jetzt gegen ihren Mann aufzulehnen.

„Im Gegensatz zu dir ist Yara auch unter völlig anderen Bedingungen aufgewachsen, genau genommen in einer komplett anderen Welt. Und auch sie hat hier ihre Grenzen, sie wird niemals in einem echten Kampf antreten!", redet Daryun auf seine Frau ein.

Mittlerweile sitzen beide Aufrecht voreinander und gestikulieren wild mit ihren Händen. Auch der Tonfall wird immer lauter.

Sorin liest auch einfach weiter unbeirrt sein Buch. Dass er sich nicht für Drama begeistern kann, ist mir echt ein Rätsel.

„Was ist daran denn so schlimm, wenn ich so etwas erlerne? In einem echten Kampf musst du mich ja nicht mitnehmen, bei Yara funktioniert das doch auch!", betont Derya aufgebracht.

„Du kannst dich nicht permanent mit Yara vergleichen, ausnahmsweise trifft das Sprichwort „euch trennen Welten" mal wie die Faust auf's Auge!", entgegnet Daryun ebenso aufgebracht.

Wütend funkelt Derya ihren Mann an, ich merke wie ihr die Argumente ausgehen. Aber das ist kein Problem.

„Selbstständigkeit funktioniert auch weltenunabhängig, alles eine Frage der Einstellung", werfe ich todesmutig dazwischen.

Das erste Mal in meinem Vampirleben sieht Daryun mich überaus warnend an. Beinahe bekomme ich Angst vor ihm, zum Glück ist Lucan direkt neben mir. Er gibt mir Mut und ist im Zweifelsfall dank seines Alters stärker als Daryun. Ob er mich jetzt vor Daryun verteidigen würde, weiß ich nicht. Aber auf einen Versuch und für Derya lasse ich es darauf ankommen!

Derya wirft mir im Gegensatz zu ihrem Mann nämlich einen dankenden und freundlichen Blick zu.

Sorry großer Vampirbruder, aber ich bin Team Frauenpower!

„Yara, ich rate dir nur ein einziges Mal, dich da jetzt raus zu halten", sagt Daryun nach kurzer Überlegung zu mir. Mir gegenüber ist sein Tonfall sehr vorsichtig gewählt.

„Warum soll sie sich raus halten? Im Gegensatz zu dir versteht sie mich wenigstens! Auf ihre Unterstützung will ich nicht verzichten!", schreitet Derya prompt ein, noch bevor ich etwas dazu sagen kann.