Kapitel 128: Der goldene Käfig

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• Yara •

Planlos liege ich im Bett und starre die Decke des Raumes an. Meine Erdmagie verrät mir, dass sogar die Decke und der Boden verstärkt sind. Und dass Pawel nicht mehr an seinem Posten ist.

Meine Gedanken werden von einem Schlüsselgeräusch unterbrochen. Instinktiv richte ich mich sofort auf im Bett, sinke aber sofort wieder in mich zusammen.

Mit einem lauten Schlossknacken öffnet sich die Tür und Aaru tritt herein. Er lässt die Tür offen und ich erhasche einen Blick auf Pawel. Mit seiner großen, kräftigen Statur und seinem Militärschnitt erinnert er mich ein wenig an Mikul. Lässig lehnt er an der Wand gegenüber der Tür. Und dieser Mann ist von oben bis unten vollständig bewaffnet.

Ruhig setzt Aaru sich zu mir auf die Bettkante. Instinktiv weiche ich weg von ihm, ihn scheint das zu amüsieren.

„Du hast bereits versucht auszubrechen", stellt er fest. Das Grinsen dazu auf seinem Mundwinkel macht mich wütend.

Immer noch entsetzt sehe ich ihn an und bringe kein Wort heraus. Es ist auch wahnsinnig anstrengend gegen diese Schwäche und das Schwindelgefühl anzukämpfen. Er hat eine ähnlich dominante und erhabene Ausstrahlung wie Vittorius, nur fehlt ihm ein wenig Anmut dabei, wie ich finde. Es reicht trotzdem, um ihm gegenüber gehörigen Respekt zu empfinden.

„Sobald sein Blut eintrifft, bringe ich es zu dir. Ein wenig musst du dich aber noch gedulden. Für dich wäre es von Vorteil, wenn du dich bis dahin ausruhst und deine Kraft nicht verschwendest", klärt er mich über die Situation auf.

Ah, Pawel ist einfach direkt zu ihm gegangen statt auf meinen Ruf zu antworten. Gut zu wissen, auch wenn mich das jetzt nicht sonderlich beruhigt.

Ohne ein Wort sehe ich ihn nur stumm an. Amüsiert erhebt er sich und mustert mich einen Moment lang.

„Möchtest du etwas bestimmtes um dir die Zeit zu vertreiben? Ich lasse es dir bringen", fragt er plötzlich.

„Ich möchte nach Hause gehen", entgegne ich nur statt über seine Frage nachzudenken.

„Du bist zuhause", erwidert er nun völlig überheblich und lacht dabei.

„Mein Zuhause ist bei Vittorius!", entgegne ich abgekämpft.

„Ach Yara, je eher du dich damit abfindest, desto einfacher wird es für dich. Ich lasse dich nur hier einsperren, weil ich fürchten muss, dass du mir nicht gehorchst. Wenn ich weiß, dass du keine Fluchtversuche unternimmst, darfst du dich frei auf meinem Landsitz bewegen. Denk ein wenig darüber nach", sagt Aaru in ernstem Tonfall und geht dann auf die Tür zu.

Langsam schließt er sie wieder und das einrasten des Schlosses lässt mich allein und gefangen in diesem Raum zurück.

• Mattheo •

Seit einigen Stunden beobachte ich nun schon das geschäftige Treiben der ganzen Vampirfamilie. Lucan beteiligt sich fleißig daran, bleibt aber im Schloss und somit in meiner Nähe.

Valerie und Derya sitzen bedrückt auf dem großen Sofa der Wohnhalle. Und ich sitze mindestens genau so angespannt dort und unternehme absolut nichts.

Lucan hatte mir eindringlich aufgetragen, erst einmal hier zu bleiben und ja nicht das Schlossgelände zu verlassen. Ehrlich gesagt fühle ich mich auch noch minimal überfordert mit den ganzen verstärkten Reizen der erweiterten Sinneswahrnehmung. Aber es wird allmählich besser. Vermutlich werde ich mich bald daran gewöhnt haben. Die Sonne fühlt sich auch noch ein wenig brennend auf der Haut an, aber Isajah meinte bereits, dass das mit der Zeit besser wird.

Wie dem auch sei.

Schweigend sitzen wir nun da und schauen ins Kaminfeuer. Ich habe das tiefe Bedürfnis ebenfalls zu helfen, schließlich ist Yara meine beste Freundin. Stattdessen sitze ich wie ein kleines Kind auf dem Sofa und soll brav sein.

Vampirkind YaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt