Kapitel 32: Wer wird siegreich hervorgehen?

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• Vittorius •

Ich bin absolut in meinem Element. Nahkampf ist einer meiner Lieblingsdisziplinen und ich genieße jede Unterrichtseinheit, die ich meinen Schützlingen zukommen lasse.

Bei Yara wird das allerdings etwas ganz anderes sein. Als Frau werde ich sie garantiert nicht zum nächsten Kampfkünstler des Jahrhunderts ausbilden. Nein, das hier ist nur so zum Spaß. Und bisher ist mir nicht ansatzweise eine Frau untergekommen, die so versiert in der Kampfkunst ist wie sie.

Gleichzeitig hat sie meine höchste Anerkennung, für ihr Alter scheint sie überaus talentiert darin zu sein. Aber ich frage mich, wie ihre Familie nur zulassen konnte, dass sie solche Fähigkeiten entwickelt.

Seit gut zwei Minuten befinden wir uns im offenen Schlagabtausch. Immer wieder überrascht sie mich mit neuen Kampftaktiken. Sie analysiert meine Ausweichbewegungen und versucht diese zu kompensieren. Natürlich ohne Erfolg, da bin ich ihr etwas mehr als zwei Jahrtausende voraus.

Außerdem wird ein weiteres Problem deutlich. Ihr neues Vampirdasein verbessert ihre Fähigkeiten enorm und ein wenig versucht sie sich bereits daran zu gewöhnen. Aber auch bei ihrem Talent wird sie einige Zeit benötigen, die neuen Fähigkeiten einschätzen und umsetzen zu können. Ich freue mich schon auf einige spaßige Einheiten, um genau das mit ihr zu trainieren.

Sekunde. Seit wann bin ich dazu bereit, einer zarten Frau das Kämpfen beizubringen?

„Wird da etwa jemand müde?", frage ich amüsiert.

Sätze wie diese heizen sie enorm an. Und ich liebe es, sie so in Rage zu bringen.

„Ich fange gerade erst an", entgegnet sie.

Wir beide wissen, dass das eine Lüge ist.

Lange Kampfeinheiten ist sie anscheinend nicht gewohnt, schon bald wird sie aufgeben müssen. Den Triumpf werde ich genießen.

• Yara •

Gute fünf Minuten befinden wir uns nun angestrengt im freien Kampf. Die Freikampfeinheiten in meinem Kampfsporttraining lagen maximal bei zwei Minuten. Ich muss zugeben, dass ich das hier deutlich merke und wahnsinnig unterschätze.

Vittorius steht einfach da, wie vor fünf Minuten auch. Als ob er nicht seit fünf Minuten kontinuierlich meine Schlagtechniken abwehrt. Langsam erahne ich, dass er die Wette wohl gewinnen wird. Verdammt sei er, irgendwann werde ich ihn im Kampf berühren! Irgendwann!

Fünf weitere Minuten probiere ich weitere Techniken aus, allerdings lässt meine Konzentration nun deutlich nach.

Scheinbar entgeht ihm das nicht. Das erste Mal nach insgesamt zehn Minuten setzt er zum Konter an: Ohne große Mühe greift er erst mein rechtes Handgelenk und anschließend mein linkes Handgelenk. Er wirbelt mich herum, sodass ich mit meinem Rücken zu ihm stehe. Im nächsten Augenblick hat er meine Handgelenke auf meinem Rücken festgehebelt und zieht meinen Körper ein Stück zu sich ran. Er beugt sich vor und kommt mit seinem Mund an meinem rechten Ohr zum Halten. Im Spiegel geben wir eine eindrucksvolle Hebelvorführung ab. Völlig selbstzufrieden treffen sich unsere Blicke im Spiegel.

„Nun, ich habe dir ja gesagt, du wirst mich nicht treffen", stellt er seinen Sieg nochmal erhaben zur Geltung. Ich versuche meine Handgelenke zu bewegen, habe aber nicht den Hauch einer Chance. Seine Hände könnten genau so gut Stahlbeton sein, in dem meine Hände einbetoniert sind.

Da wird mir auch deutlich, dass ich mich aus seinen Handgelenksgriffen zu Beginn nur befreien konnte, weil er es so wollte.

„Irgendwann wird mein Moment kommen", entgegne ich ihm darauf.

Vampirkind YaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt