Kapitel 21: Visionsdeutung

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• Yara •

Die Kutsche fährt langsam und behutsam bis vor die großen Flügeltüren des Schlosses. Hätte ich jetzt einen Kalender, wäre dies der Moment drei Kreuze dort einzutragen. Ich hätte keine weitere Minute mehr in der Kutsche ausgehalten. Zu stark sind die Schmerzen während der Kutschfahrt.

In Windeseile zieht das Innere des Schlosses an meinen Augen vorbei. Wie schnell kann ein Vampir bitte sein?

„Werde ich auch mal so schnell laufen können?", frage ich Vittorius begeistert, als wir auch schon direkt sein Schlafgemach erreichen.

„Die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich groß. Ich werde aber immer schneller sein als du", gibt er schelmisch zurück. Ich rolle mit den Augen und er lacht herzhaft.

Behutsam legt er mich auf seinem Himmelbett ab. Kurzerhand verschwindet er im Bad und kommt mit allerhand medizinischem Zeugs wieder.

„Dein Körper ist komplett mit Ruß verschmiert", sagt er während er einige Verbände und Behälter mit Flüssigkeiten bereit stellt.

„Ich kann mich auch kurz waschen gehen", entgegne ich und betrachte meine dreckigen Hände. Verstohlen blicke ich auf meinen Körper. So wie der aussieht, ist das Wasser danach schwarz.

„Ich glaube nicht, dass du das kannst", sagt Vittorius und schaut auf meine zahlreichen Wunden.

„Ach das wird schon", beginne ich meinen Satz und versuche mich aufrichten. Vittorius hindert mich nicht daran, vermutlich lässt er es mich mit Absicht versuchen. Ich merke nämlich schnell, dass ich nichtmal einen halben Meter weit komme. Meine Muskeln geben direkt nach und die Anstrengung ist unbeschreiblich hoch.

Und diese Schmerzen ...

„Ich bereite jetzt warmes Wasser vor und werde dich dann im Bad säubern. Danach versorge ich deine Wunden", sagt Vittorius, während er aufsteht und im Bad verschwindet. Einspruch erheben steht wohl nicht zur Debatte. Ich schließe meine Augen solange und versuche mich zu entspannen.

Kurze Zeit später höre ich seine Stimme neben mir „Yara?".

„Mhh?", gebe ich einen müden Laut von mir und schaue ihm in sein besorgtes Gesicht. „Können wir?", fragt er mich obligatorisch und ich nicke leicht.

Sanft hebt mich Vittorius in seine Arme und trägt mich zum Bad. Tatsächlich habe ich mich auf einen schlimmeren Schmerz eingestellt. Scheinbar funktioniert das mit der Regeneration, wovon Vittorius sprach, ziemlich gut.

Vor dem dampfenden Bad hält er inne und entfernt von meinem Körper die verdreckte zerstörte Kleidung. Behutsam lässt er meinen Körper ins warme Wasser sinken. Vorsichtig löst er den Rest der Kleidung, der sich bereits mit dem Schorf auf meiner Haut verbunden hat. Als ich den Schmerz der neu aufgerissenen Wunden spüre, beiße ich mir auf die Unterlippe. So dreckig und zerrissen wie die Sachen sind, ist da sicher nichts mehr zu retten. Achtlos wirft er die Stofffetzen auf einen Haufen.

Die Situation ist mir unendlich unangenehm. So wie Gott mich schuf liege ich vollkommen entblößt vor ihm. Absolut nicht in der Lage mich selbst zu waschen, geschweige denn mich in der Wanne zu halten ohne unter zu gehen. Vittorius' starker Arm stützt mich. Mit einem Schwamm befreit er meinen Körper vorsichtig vom ganzen Ruß, anschließend wäscht er mir sogar den ganzen Dreck aus den Haaren aus. Die Wärme des Wassers tut meinen Muskeln unheimlich gut. Bei dem Gedanken daran, dass er mich ja schon nackt aus dem See gefischt hat, ist die ganze Sache hier schon ein bisschen weniger peinlich. Aber immer noch peinlich genug!

Aus der Kommode neben uns hat er bereits ein Handtuch für meine Haare und für meinen Körper bereit gelegt. Nun wickelt er meine Haare und anschließend mich darin ein.

Vampirkind YaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt