Kapitel 118: Neue Dimensionen

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• Vittorius •

Für diese Art von Training lasse ich meinen Papierkram gerne unbearbeitet im Regierungszimmer liegen.

Besorgt habe ich vorhin während des Schreibens wahrgenommen, wie sich Yara beim Kanalisieren der Dunkelmagie verändert hat. Die Veränderung ist mir neu und bisher habe ich so etwas an keinem wahrgenommen, nichtmal als Yara die Magie des Schattendämons inne hatte.

Darum bin ich umgehend runter zum Trainingsfeld und habe Sorin die Einheit abgenommen. Sicherlich hätte er die Ausgestaltung der Übung selbst meisterhaft hinbekommen, aber bei dem was ich an Yara wahrgenommen habe, ist das eine persönliche Sache.

Sofort fällt mir die Überlagerung der beiden Magiearten auf. Im Gegensatz zu vorher scheint sich die Elementmagie nicht von der Dunkelmagie ablösen zu lassen, im Gegenteil. Offensichtlich strömen dabei viele Reize auf Yara ein. So sollte das definitiv nicht möglich sein, aber bei ihr wundert mich echt gar nichts mehr.

Das ist perfekt für den Kampf. Perfekt um alles in diversen Techniken rauszulassen. Und genau darum lauge ich ihre Dunkelmagie aktuell aus.

Zufrieden bemerke ich, wie einige Steinbrocken auf mich zu schnellen. Anscheinend muss sie noch ein Gefühl dafür bekommen und so sehr wie die Luftmagie fällt ihr die Erdmagie nicht zu. Trotzdem bin ich erstaunt, mit welchem Ehrgeiz sie sich gerade darauf konzentriert.

Entspannt wehre ich einen Stein nach dem anderen ab.

• Yara •

Allmählich gelange ich an die Grenzen meiner Kräfte.

Aber ein spezieller Versuch muss noch sein, der rundet das Training für heute ab.

Den letzten Stein den ich in der Luft schweben lasse, lasse ich nicht wie geplant auf Vittorius los. Er sieht mich bereits fragend an.

Grinsend nehme ich den Stein einfach aus der Schwebe in meine Hand. Amüsiert zieht der König eine Augenbraue hoch.

Mit letzter Kraft nehme ich Luft und Erde zeitgleich wahr und leite beides in den Stein. Die Erdmagie bewegt den Stein und die Luftmagie beschleunigt ihn. Schneller als alle anderen Steine prescht der Stein direkt auf Vittorius' Kopf zu.

Überrascht sieht er dem steinernen Geschoss direkt entgegen. Mit einer absolut schnellen Bewegung, die ich fast nicht richtig sehen kann, weicht er elegant ein Stück zur Seite und fängt den Stein mit Leichtigkeit in der Luft ab. Er wäre sonst in der Wand weit hinter ihm gelandet.

Erstaunt sieht er mich an.

„Auf so eine Idee bin nichtmal ich in all meinen Jahrhunderten gekommen", sagt er überrascht.

Kurz mustert er den Stein und hüllt ihn dann ebenfalls in Luft- und Erdmagie. Gekonnt lässt er ihn auf die große Felslandschaft aus Jarons Training zu rasen.

Laut kracht er durch die ersten Steinschichten und muss irgendwo darin zum stehen kommen.

„Und trotzdem seid Ihr besser darin", bemerke ich lachend.

So langsam fällt die ganze Anspannung des Trainings von meinem Körper ab und auch die Magiebahnen in meinem Körper sind deutlich ermüdet. Allgemein breitet sich in meinem ganzen Körper ein ausgelaugtes Gefühl aus.

Meine Vampirbrüder haben mittlerweile ihr Training wieder aufgenommen.

„Komm, ich bringe dich hoch, du solltest deinem Körper eine Auszeit gönnen. Das Training hat dich mehr strapaziert als angenommen", sagt Vittorius entschieden. Bevor ich dagegen Einspruch erheben kann, schnellt er bereits mit mir in seinem Arm zurück in den Wohnbereich.

Ehe ich mich versehe, steht er mit mir in meinem Badbereich und lässt geschickt warmes Wasser in die geräumige Badewanne. Vorsicht setzt er mich ab und mustert mich von oben bis unten. Dann packt er mich an den Schultern und durchdringt mich mit seinem Blick.

„Yara deine volle Dunkelmagieform kanalisierst du nicht ohne mein Einverständnis! Daran trainieren wir nur gemeinsam, in jedem Fall möchte ich ein Auge auf dich haben, wenn du die volle Form benutzt!", betont er streng. Seinem Blick nach zu urteilen sollte ich es lieber nicht wagen, mich dem zu widersetzen.

Brav nicke ich. Langsam lockert er seinen Griff.

„Nun ab ins warme Wasser mit dir. Und wenn du deine Muskeln nicht mindestens 20 Minuten darin entspannst, helfe ich nach", betont er nun amüsiert. Wie selbstgefällig kann man eigentlich sein?

Augenrollend wende ich mich der großen freistehenden Badewanne zu. Vittorius ist bereits ganz wie ein Gentlemen aus dem Bad verschwunden. Ruhig streife ich meine schweißgetränkten Klamotten ab und lege mich in das warme Wasser.

Das Bad meines Gemaches sieht eigentlich exakt so aus wie das von Vittorius, nur dass ein wenig mehr von der Stadt zu sehen ist und etwas weniger vom Wasser.

Ganz vorbildlich lümmle ich mich sogar ganze 30 Minuten in der Wanne herum. Träge erhebe ich mich und trockne mich und meine Haare langsam ab.

In meinem Schlafgemach suche ich mir sportlich legere alltagspraktische Kleidung raus, also fast wie immer.

Dann mache ich mich auf den Weg vom Kleiderschrank zu meiner Zimmertür, allerdings komme ich nicht bis dahin.

Mit voller Wucht trifft mich sowas wie ein geistiger Schlag und ruppig werde ich in eine Vision gezogen. Ich nehme gerade so noch wahr, wie ich die Kontrolle über meinen Körper verliere und zu Boden falle.

Im nächsten Moment finde ich mich noch leicht benommen auf einer Wiese wieder.

Eine äußerst bekannte Wiese. Alles in mir spannt sich an.

„Hallo mein Sonnenschein", begrüßt mich Aaru mit einem belustigten Gesichtsausdruck.

„Lang nicht gesehen", setzt er süffisant nach.

„Auf ein Wiedersehen hätte ich auch gerne verzichtet", entgegne ich giftig.

Aaru beginnt herzhaft zu lachen und schaut mich dann mit verschränkten Armen vor der Brust an.

„In letzter Zeit war es unmöglich dich in meine Vision einzuladen, aber jetzt wo deine Verbindung mit dem Schattendämon aufgelöst ist, ist die Blockade glücklicherweise verschwunden", klärt er mich auf.

Danke, das will ich gar nicht wissen.

„Dann haben wir das ja auch geklärt, darf ich jetzt wieder gehen?", antworte ich grimmig.

„Na, du möchtest zurück ohne mir deine Einrichtungswünsche mitzuteilen? Am Ende richte ich dein neues Heim nicht zu deiner Zufriedenheit ein", sagt er grinsend.

Wieder mal wird mir bewusst, wie machtlos ich eigentlich gegen ihn bin. Ohne mit der Wimper zu zucken kann er mich in seine Vision holen und ich habe nicht den Hauch einer Chance. Es verängstigt und frustriert mich zugleich.

„Da ich eh nicht bei dir wohnen werde", beginne ich meinen Satz, halte jedoch inne als Aarus Blick von locker witzig auf todernst wechselt.

„Ich sehe dich in meinen Visionen bei mir wohnen. Du wirst hier Leben, ob du das willst, oder nicht. Es ist deine Entscheidung, ob du es dir gemütlich oder ungemütlich machen willst", sagt er nun mit kaltem Blick. Bei diesen Worten gefriert mir echt das Blut in den Adern. Erschrocken schaue ich ihn an.

„Stell dich darauf ein, bald in meine Arme zu kommen, mein Sonnenschein. Je eher du dich damit abfindest, desto einfacher wird es für dich!", betont er streng.

Bevor ich mich dagegen auflehnen kann, wirft er mich praktisch unsanft aus seiner Vision.

Vampirkind YaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt