Kapitel 105: Auf dem Rückweg auf Abwegen

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• Isajah •

Seit nun zwei Wochen habe ich Yara nicht mehr gesehen. Vom König bisher keine Nachricht bekommen zu haben, beunruhigt mich sehr. Es tut mir im Herzen weh.

Würde Yara genesen, wären sie schon längst wieder hier. Wehmütig hänge ich über einem gigantischen Stapel von dringend zu erledigenden Angelegenheiten.

Mikul und Roan gehen mir seit unserer Rückkehr hilfsweise zur Hand. Wie macht Vittorius das nur? Er hat immer alles lässig im Blick und findet immer Zeit für seine Vampirfamilie. Ich habe vor dem Organisationstalent von diesem Mann höchste Achtung.

Am Nachmittag bin ich auch noch für Mattheos Training zuständig. Die letzten Tage habe ich viel mit ihm an diversen Techniken gefeilt. Er lernt für einen Menschen schnell und würde mal einen begnadeten Vampirkämpfer abgeben. Wie wohl die Pläne des Königs dazu sind?

Valerie und Derya gesellen sich heute zu mir. Wirklich helfen können sie mir nicht, aber ihre Gesellschaft spendet mir Trost.

Die Zwei unterhalten sich über diverse Frauenthemen und ich komme gut mit dem Pergamentstapel voran.

Irgendwann betritt Mattheo dann das Regierungszimmer. Ist es etwa schon Nachmittag? Die Zeit vergeht auch wie im Fluge.

• Mattheo •

„Konzentrier dich", ermahnt mich Isajah streng.

Und wieder landet der Bolzen meiner Armbrust neben dem Ziel statt auf der Zielscheibe.

„Was ist nur los mit dir?", fragt Isajah in einem milderen Tonfall. Sein angestrengter Blick entspannt sich ein wenig. Auch ihm fällt diese Ungewissheit schwer.

Seufzend schaue ich ihm in die Augen. Diese roten Augen sind wirklich eindrucksvoll.

„Yara", spreche ich betreten aus, was mich seit seiner Rückkehr beschäftigt. Und mit der Aussprache ihres Namens ist auch alles erklärt.

Tröstend legt er seine Hand auf meine Schulter.

„Glaub mir, ich fühle mit dir", entgegnet er traurig.

„Ist sie nun offiziell ... Tod?", frage ich, was mir schon seit Tagen auf der Seele brennt.

Stumm blickt Isajah in die Leere. Er scheint einen Moment zu überlegen, was er nun sagen soll.

„Ich habe keine Nachricht erhalten. Aber wäre sie genesen, wären sie längst wieder hier. Die Reise dauert um die sechs Tage und ich bin nun seit zwei Wochen hier", erklärt er bedrückt.

„Ich wünschte, ich könnte ihr helfen mit dieser Schattensache. Aber Meister Kaelen hat bedauerlicherweise keine Spuren der Dunkelmagie in meinen Visionen gefunden", sage ich niedergeschlagen.

„Wohl eher glücklicherweise. Aber ich weiß was du meinst. Ich fühle mich auch immer hilflos. Dem König muss es damit am Schlimmsten gehen. Normalerweise hat er alles im Griff. Wirklich alles", erzählt Isajah.

„Lass uns ein wenig Nahkampf trainieren", schlage ich vor, um auf andere Gedanken zu kommen. Zustimmend nickt Isajah und ich lege die Armbrust weg.

Kurze Zeit später sind wir bereit für den Kampf.

• Vittorius •

Gute zwei Tage sind wir jetzt unterwegs. Vier bis fünf weitere Tage liegen noch vor uns, bis wir endlich wieder in meiner Stadt sind. Die Nachricht über Yaras Genesung wird bei Isajah vermutlich vor uns eintreffen, ich wollte ihn bereits von der Qual des Wartens erlösen. Wahrscheinlich trägt er die frohe Kunde dann weiter ins Schloss.

Gerade machen wir ein wenig Pause an einem Waldrand. Ein kleiner Bach plätschert friedlich vor sich hin. Die Ebene hier sieht allgemein etwas verwinkelt aus. In der Ferne beginnt ein hoher Bergpass.

Vampirkind YaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt