Kapitel 167: Ein weiterer Überlebenskampf

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• Vittorius •

Im Quartier versuche ich mich abzulenken. Der sechste Tag an dem Yara verschwunden ist, neigt sich dem Ende. Bereits jetzt wird sie mit Sicherheit keine Kraft mehr haben, von wo auch immer sie ankommen muss, wieder nach Hause zu eilen. Und dieses Mal ist Lucan nicht bei ihr und kann sie folglich nicht nach Hause bringen.

Schnell schiebe ich den Gedanken beiseite und beschließe, erst ab Morgen über ihren Tod nachzudenken.

Bei dem Wort Tod in meinem Kopf ist allerdings Schluss mit meiner Aufmerksamkeit. Das tiefe unruhige und zerreißende Gefühl von Trauer steht laut auf meiner inneren Türschwelle.

„Ich habe noch was im Hafenviertel zu erledigen", verkünde ich und eile aus dem Quartier. Falls man mich sucht, weiß man dann zumindest wo ich bin.

Zu erledigen habe ich natürlich nichts, ich brauche jetzt einfach nur meine Ruhe.

• Yara •

Fest und wohl behütet drückt der Schattendämonenkönig des Nordens mich an seinen dämonischen Körper.

Schnell lassen wir die Gänge seines kahlen Schlosses hinter uns und eilen wieder durch den Wald.

„Ich bringe dich zu der Stelle an der du herkamst. Dort musst du nur das Portal öffnen und landest wieder da, von wo du hergekommen bist. Und wehe du stirbst unterwegs, dann bekommen wir richtig Ärger! Also streng dich an und konzentriere dich auf's Überleben!", verkündet der Dämon kurzerhand.

Kraftlos hänge ich in seiner Umarmung und spüre ganz genau, was er meint.

Es fühlt sich so an, als würde Stück für Stück das Leben aus mir entweichen. Aber nur das Leben aus meinem Vampirkreislauf, mein Dämonenkreislauf strotzt nur so vor junger frischer dämonischer Energie. Und trotzdem fühle ich mich, als wäre es jeden Moment vorbei.

Das Gefühl kommt mir erschreckend vertraut vor, es erinnert mich an das letzte Mal als Lucan mich über einen langen Zeitraum ohne Vittorius' Blut nach Hause gebracht hat.

Die leere trockene Kehle, das leere Gefühl in der Magengegend, das Verlangen nach seinem Blut, es ist genau wie damals.

„Wir sind gleich da. Wenn du wieder fit bist, müssen wir uns unterhalten, als dein Dämonenvater und König muss ich dich noch einiges lehren. Du kannst aber deinen Geist auf die Schattenebene bringen, das ist sicherer", erklärt sich der Schattendämon.

Und schon stoppen wir und er lässt mich mit meinen Füßen auf den Boden. Allerdings hält er mich weiter fest, sonst würde ich vermutlich voll aus den Latschen kippen.

„Jetzt sieh zu, dass du Blut bekommst", sagt er eindringlich und wartet darauf, dass ich das Tor öffne.

Ich fühle mich absolut geschwächt und schaffe es kaum, meinen Arm zu heben. Wortlos stützt der Dämon sogar meinen Arm.

Die Dunkelmagie in meinem Dämonenkreislauf reagiert allerdings sofort und so leicht wie dieses Mal, habe ich noch nie das Tor geöffnet.

Mit letzter Kraft stolpere ich durch das Tor und verschließe es direkt beim Durchgehen wieder.

Zurück auf dem Balkon der großen Wohnhalle verliere ich jeglichen Halt und jegliche Orientierung. Meine Beine sind weich wie Schnee und geben sofort nach. Ein wenig unsanft sacke ich zusammen und finde mich kurz darauf auf den kalten Steinfliesen des Balkons wieder. Alles dreht sich und mein Bewusstsein droht zu schwinden.

Ich gebe wirklich alles, jetzt nicht zu sterben!

• Lucan •

Angespannt sitze ich mit Jaron auf dem großen Sofa in der Wohnhalle. Heute sind wir beide abkommandiert hier zu warten, falls Yara zufällig wieder auftaucht.

Vampirkind YaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt