Kapitel 110: Ein bisschen Freiheit

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• Yara •

An diesem Morgen sitze ich alleine mit Mattheo in der großen Wohnhalle. Valerie und Derya schlafen noch. Entspannt tauschen wir uns über die Fortschritte seines Trainings aus.

„Ach Yara, ich kann üben wie ich will, aber die Luft ist und bleibt mir ein rätselhaftes Element", seufzt Mattheo vor sich hin.

Beruhigend fasse ich ihm kurz auf die Schulter. Mein mildes Lächeln erwidert er.

„Mir ergeht es mit der Erdmagie so. Wahrnehmen kein Problem. Ein Stein bewegen? Unmöglich!", berichte ich von meinem schlechten Element.

„Ja aber durch die Luft springen ist viel praktischer als den Boden umzubauen", entgegnet er mit einem verzweifelten Lachen.

„Da gebe ich dir recht", sage ich grinsend.

Einen Moment lang starren wir beide in Gedanken versunken ins Feuer.

„Was ist nun der Plan, da vorerst alles friedlich ist?", fragt Mattheo dann interessiert.

„Das wüsste ich auch gerne. Als Frau wird man hier nicht in alles mit einbezogen, ich habe das Gefühl 90% der Pläne nicht zu kennen", erkläre ich augenrollend.

„Als Mensch ist man auch nicht gerade an vorderster Vampirfront", entgegnet Mattheo trocken. Ihm fehlt etwas. Ich kann es ihm nachempfinden. Der Tag fühlt sich immer so unproduktiv an, wenn man nichts zum Wesentlichen beiträgt. Da ticken Mattheo und ich gleich.

„Wollen wir einen Abstecher in den Adelspark unternehmen? Der ist atemberaubend schön! Hast du ihn schon gesehen?", kommt Mattheo mit der ungehorsamen Idee des Tages um die Ecke.

„Das klingt fantastisch. Wenn wir niemandem Bescheid geben, ist Ärger aber vorprogrammiert", entgegne ich lachend.

„Ach komm, das belebt den Tag und die können dich ja auch nicht ewig hier vor Hinz und Kunz beschützen. Besser die merken das früher oder später", motiviert er mich.

Vor meinem geistigen Auge spiele ich schon diverse Szenarien durch.

„Ich bin dabei", sage ich enthusiastisch.

„Perfekt!", entgegnet Mattheo hoch motiviert und springt auf.

Mit Hilfe der Luftmagie bringe ich Mattheo und mich unbemerkt zur Schlossmauer und überquere diese. Wenig später schlendern wir zum Eingang des anmutigen Adelsparks.

Den kenne ich definitiv noch nicht. Die riesige Parkanlage ist recht verwinkelt und zeichnet sich durch perfekt angelegte und gepflegte Wege aus. Eine Kombination aus Grasfläche, Blumen, Büschen und Bäumen runden das Bild ab. Vereinzelt spazieren edel gekleidete Herrschaften durch den Park.

„In der Parkmitte ist eine echt schöne Wasseranlage, lass uns dort hingehen", schlägt Mattheo vor.

Ich atme reflexartig tief ein und wieder aus. So alleine und ohne irgendwelche Probleme oder Pflichten war ich schon lange nicht mehr unterwegs. Es fühlt sich nach allem wieder mal wie ein Stück Normalität an.

„Ich glaube so unbeschwert unterwegs war ich noch nie seit ich hier bin", stelle ich staunend fest.

„Dann wurde es ja langsam Zeit", sagt Mattheo und hakt meine Hand in seinen Arm ein.

„Wollen wir wetten abschließen, wer uns zuerst aufspürt und eine Predigt hält?", frage ich amüsiert.

„Hmm ... Ich sage Lucan", wettet Mattheo munter drauf los.

„Das könnte sein. Wobei Lucan sich einfach dazu gesellen würde und sicher behaupten würde, er wäre mit uns losgezogen, nur um uns keinen Ärger zu bereiten. Lucan lehnt sich auch gerne gegen den König auf", berichte ich. Die Standpauke die Lucan seinerzeit von Vittorius erhielt ist noch lebhaft in meinem Kopf.

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