Kapitel 68: Die Fähigkeiten der Dunkelmagie

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• Vittorius •

Ich lehne mich seit einigen Minuten nun höchst amüsiert an meine Regierungszimmertür an und höre dem Gespräch meiner kleinen Vampirfamilie zu.

Derya und Valerie kenne ich nun schon eine ganze Weile und sie gehören ebenso zur Familie wie meine Vampirsöhne. Und die besagten Vampirsöhne werden sich noch die Haare raufen, wenn Yara die beiden Frauen mit ihrer unabhängigen Art ansteckt. Für die beiden Vampirmänner, die ihre Frauen nur in Sicherheit wissen wollen, tut es mir schon ein wenig Leid, die Freude über das neue Leben im Schloss hält das Mitleid allerdings in Grenzen.

Schmunzelnd höre ich noch eine Weile zu und mache mich dann an die Arbeit.

Nach einer guten Stunde muss ich mein neues Vampirkind allerdings aus dem angeregten Gespräch rausholen.

Entgeistert blicken Taavi und Daryun mir ins Gesicht. Die beiden sind wahre Verfechter alter Traditionen. Aber es wird den beiden schon irgendwann leicht fallen, alte Strukturen hinter sich zu lassen. Spätestens wenn sie ihre neue Schwester mal in Aktion sehen. Zumindest hoffe ich das.

Ich lasse die Vier nun in Ruhe in ihren Gemächern ankommen und begebe mich mit Yara auf das Trainingsgelände.

„Bereit?", frage ich eher rhetorisch.

Sie nickt. Für meinen Geschmack ein wenig zu enthusiastisch.

• Yara •

Fast streng sieht Vittorius mich an, als ich voller Vorfreude nicke. Der soll sich mal nicht so anstellen!

„Vielleicht sollte ich den Rest des Gesprächs mit dem Schattendämon noch erläutern", gebe ich betreten zu. Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, das zu verschweigen. Wenn ich die Magie kontrolliere, wird er es eh herausfinden. Und vielleicht kann er mir dabei ja sogar helfen. Ausnahmsweise schiebe ich meine rebellische Ader mal zur Seite.

„Ach", sagt er gedehnt und schaut mir mit verschränkten Armen tief in die Augen. Das ist ein klarer ‚was du nicht sagst' Ausruf gewesen. Aber immerhin rechnet er mir meine späte Ehrlichkeit noch an.

„Also", beginne ich und überlege kurz, wie ich das formulieren soll. Dann beschließe ich einfach drauf los zu reden.

„Ich vermute, dass ich die Dunkelmagie als Fähigkeit benutzen kann so wie die Elemente. Zumindest riet er mir, das zu kontrollieren, bevor die Dunkelmagie mich kontrolliert", spreche ich den Worst Case aus. Jetzt sieht er mich ziemlich erschrocken an.

„Ich überwache dein Training so lange, bis du mir glaubhaft versichern kannst, dass du die Dunkelmagie zu 100 Prozent kontrollieren kannst", sagt er streng. „Damals haben wir bei Aaru genau das Gegenteil erlebt. Das kann und werde ich nicht noch einmal zulassen", erklärt er seine Beweggründe. Dass es hier keine Diskussion geben wird, macht er mehr als deutlich. Zu seinem Glück bin ich aber nicht scharf drauf, dass die Dunkelmagie die Kontrolle über mich übernimmt.

„Da wäre noch was", beginne ich zögerlich.

„Was denn?", möchte der König wissen.

„Je mehr Dunkelmagie ich kanalisiere, desto weniger Kontrolle habe ich über die Elemente. Also entweder oder. Aber ich kann mit Übung wohl ein Mittelmaß finden", berichte ich den Rest des verschwiegenen Gesprächs.

„Du wolltest ja nicht von mir hören, dass ein Schattendämonenpakt alles andere als Freude mit sich bringt", sagt er mit strengem Unterton.

Dieses ‚ich hab's dir ja gesagt' in seiner Stimme ignoriere ich einfach.

„Helft Ihr mir nun?", wechsle ich das Thema.

„Was glaubst du was ich hier mache?", sagt er nun lachend. „Dann versuch mal die Dunkelmagie zu kanalisieren. Ich bin da, aber wirkliche Hilfestellung kann ich dir nicht geben. Herausfinden musst du das selbst", sagt er wenig begeistert.

Ich nicke und bin dann bereit loszulegen.

Meine Aufmerksamkeit wandert zu dem Mal auf meinem Rücken. Ich spüre es deutlich. Und genau das wird der Schlüssel zu dem Ganzen sein.

Genau genommen habe ich schon eine Idee wie ich meinen ersten Versuch starten werde. Ich konzentriere mich auf das dunkle Mal auf meinem Rücken und spüre deutlich die kurzen Adern die von dort aus in meinen Körper ausstrahlen. Im Ruhezustand, wie ich ihn jetzt nenne, geht das schwarze Mal gerade mal bis zu meinen Schulterblättern und bis kurz über die Hälfte meines Rückens. Ich erinnere mich noch genau an das Gefühl, als die Adern sich in meinem Körper ausgebreitet und verlängert haben kurz bevor ich das Bewusstsein verlor. Wie genau das jetzt funktioniert weiß ich noch nicht, aber ich will die Adern eigenständig verlängern. Und vermutlich hat das etwas mit dem Kanalisieren zu tun.

Das bringt mich auf den nächsten Gedanken. Wenn ich das dunkle Mal genauer unter die Lupe nehme, spüre ich ein sehr dünnes Band. Ein Band, welches das dunkle Mal mit der Schattenebene verbindet. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich über diese Verbindung als eine Art Brücke die Dunkelmagie herbekomme. In dieser Welt existiert sie ja so ohne weiteres nicht.

Ich schließe meine Augen und stelle mir vor, wie die Dunkelmagie von der Schattenwelt direkt zu mir fließt. Unglaublicherweise spüre ich sofort, wie mein Körper praktisch mit Dunkelmagie gefüllt wird. Das Gefühl ist dem des Trinkens vom Handgelenk des Königs gar nicht so unähnlich. Nach einer Weile höre ich auf und öffne die Augen. Ich fühle mich wirklich ziemlich gesättigt, wie wenn man zu viel gegessen hat.

Im nächsten Moment fällt mir die Veränderung der Adern des schwarzen Mals auf. Ich spüre die Adern nun bis in meine Finger- und Fußspitzen. Sogar wieder bis in mein Gehirn. Es fühlt sich sehr ungewohnt und äußerst merkwürdig an, zugleich aber auch vertraut. Eine Vertrautheit beim Umgang mit der Dunkelmagie zu spüren sollte mich definitiv beunruhigen, allerdings ist genau das Gegenteil der Fall. Zumindest beunruhigt mich dieser Fakt ein wenig, wenn auch nur im entferntesten Sinne.

„Yara", höre ich Vittorius belegte Stimme.

„Was denn?", frage ich knapp. Der Mann stört meine Konzentration in den unpassendsten Momenten!

„Weißt du auch wirklich was du da tust?", entgegnet er mit großer Sorge während er meinen Körper mustert.

Dann blicke ich auch an meinem Körper runter.

Ach du Schreck!

Wie cool sieht dass denn bitte aus?

Die Adern ziehen sich auch optisch auf meiner Haut pechschwarz bis zu meinen Händen und Füßen hin. Es sieht auf den ersten Blick wirklich äußerst ungesund und krankhaft aus. Auf den zweiten Blick finde ich mich optisch allerdings ziemlich abenteuerlich. Wie ein tätowierter Protagonist eines stürmisches Krieges. Gewisse Ähnlichkeiten sehe ich zumindest schon.

„Die Adern gehen sogar bis an deine Wangen und stoppen kurz vor deinen Augen", berichtet Vittorius sachlich.

Als nächstes fällt mir die Einschränkung der Elementmagie auf. Ich bin wirklich vollbeladen mit Dunkelmagie und nehme praktisch nichts anderes mehr wahr. In weiter Ferne spüre ich nur noch den Luftzug oder den Boden auf dem ich stehe.

Schritt 1 ist erledigt, jetzt muss ich nur noch eine Möglichkeit finden, die Dunkelmagie zu benutzen, oder?

Vampirkind YaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt