Kapitel 84: Die Musik

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• Vittorius •

Ich bin tief beeindruckt von Yaras schneller Auffassungsgabe. Als ob sie lange dafür trainiert hat, liefert sie sich einen spektakulären Schlagabtausch mit Sorin. Taavi tut mir fast ein bisschen Leid, so wie die beiden ihn links liegen lassen.

Sorin hat einen wirklich sehr speziellen Charakter. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass Yara sehr gut bei ihm aufgehoben ist. Mein Vampirsohn macht sich nicht allzu viel aus gegebenen Werten der Gesellschaft, viel mehr tut er, was er für richtig und wichtig hält. Niemals würde er seiner kleinen Vampirschwester wehtun oder zulassen, dass ihr etwas zustößt. Trotzdem bringt er Yara ohne mit der Wimper zu zucken außerhalb ihrer Komfortzone. Die beiden passen gut zusammen, wenn es ums Kämpfen geht.

Dass Taavi in den Konter von Sorin einschreitet, erfreut mich trotzdem. Taavi hat schon recht damit, dass Sorin seine Intensität an Yara noch ein Stück weit anpassen sollte.

Die Pause kommt wie gerufen. Wir müssen uns noch um weitere Spuren kümmern, schließlich haben wir erst einen von vier Schattendämonen zurück gebracht und ich will meinen ältesten Vampirsohn so schnell wie möglich aus der Schattenebene befreien!

Für Mattheo kommt es ganz gelegen, Yara nun erst einmal für sich zu haben. Sicherlich tauschen die beiden sich jetzt über die letzten Wochen aus. Ich hülle sie behutsam in meinen Umhang ein und weise Mikul an, die beiden zu beschützen. Vorrangig aber natürlich Yara.

Eilig machen Sorin, Taavi und ich uns auf den Weg.

• Yara •

Gute drei Stunden sitzen Mattheo und ich nun am Strand und plaudern. Ich habe ihm wirklich alles mögliche erzählt, was hier so passiert und vorgefallen ist.

„Ohne die Visionen wäre ich echt aufgeschmissen. Mehr als einmal haben die mich gewarnt", erläutere ich.

„Ich kann mir richtig vorstellen, wie gruselig dass alles sein muss. Ich habe in den letzten Wochen auch oft so merkwürdig unheilvolles Zeug geträumt. Da war auch immer so ein Mann der dir böses wollte", berichtet Mattheo, während ihm erneut ein Schauer über den Rücken läuft.

„Das ist ja merkwürdig. Das trifft ziemlich gut auf die Situation zu", bemerke ich.

„Lass uns nach oben und uns ans Kaminfeuer setzen. Ich zeige dir mal ein Bild, ich habe den Typ illustriert", schlage ich vor.

Mattheo nickt zustimmend. Bevor ich meinem besten Freund aber hoch helfe, steht Mikul schon bei uns.

„Das übernehme ich", sagt er sofort. Und schon hängt Mattheo in seinem Arm und Mikul deutet mir an, los zu springen.

Mit einem gekonnten Satz lande ich oben auf dem Balkon. Mikul landet sogleich neben mir und lässt Mattheo runter.

Während Mattheo wartet, suchen Mikul und ich im Regierungszimmer nach dem Bild. Wir finden es auch direkt bei der aktuellen Übersicht der Situation.

Angespannt zeige ich meinem besten Freund das Bild.

„Ja, das ist er!", stellt er entsetzt fest.

„Na toll. Jetzt siehst du den auch schon? Heißt das, du hast auch Visionen?", entgegne ich schockiert.

„Aaru heißt der. Aber das wusstest du sicher schon?", fragt Mattheo.

Ich nicke.

„Aber die ganzen mächtigen Vampire hier werden dich doch beschützen, oder?", fragt Mattheo nun sichtlich besorgt.

„Wir tun jedenfalls alles dafür, was in unserer Macht steht", ertönt Mikuls Stimme. Er lehnt wieder lässig an der Wand und hört uns offensichtlich aufmerksam zu.

„Auf die Schattenebene können die mir allerdings nicht folgen. Und von genau dort muss ich Lucan ja zurück bringen. Ich hoffe dass alles glatt geht und ich nicht vorher in die Hände von Aaru gelange", fasse ich die Situation zusammen.

Eine Weile blicken wir schweigend in das Kaminfeuer.

Da ist sie wieder, diese Musik. Vorhin klang diese Musik nur wie eine Spieluhr, jetzt scheint da jemand Klavier zu spielen.

„Hier gibt es ein Musikzimmer?", fragt Mattheo mit funkelnden Augen.

„Die Badewanne wird jedenfalls kein Klavier spielen", entgegne ich lachend. Schon springe ich auf. „Komm lass uns nachsehen wer spielt", sage ich und gehe auf die große Flügeltür zu.

Mikul stellt sich mir in den Weg und schaut mich ernst an.

„Mikul bitte, wir gehen nur ins Musikzimmer", sage ich genervt. Muss er einem echt immer den Spaß verderben? Es ist nur das Musikzimmer und wir verlassen nichtmal das Schloss.

„Wir können in das Musikzimmer gehen, aber ich höre keine Musik", sagt Mikul ernst.

„Wie kann man das nicht hören?", fragt Mattheo amüsiert.

Plötzlich finde ich das nicht mehr amüsant. Mein Lächeln erlischt. Mattheo sieht mich fragend an.

„Die Musik ist eine Vision", stelle ich fest. Mikul nickt.

Eilig gehen wir in das Musikzimmer. Als wir die Tür dazu öffnen, erlischt augenblicklich der Klang des Klaviers.

„Das ist mir zu unheimlich", wirft Mattheo ein und bleibt vor dem Raum stehen. Furchlos gehe ich einen Schritt in den Raum, Mikul ist direkt bei mir.

„Yara bist du irre? Geh doch nicht in den Raum mit dem Geisterklavier!", ruft Mattheo entsetzt.

„Ich gehe auch in einen Raum mit zehn Geisterklavieren, wenn ich dadurch meinen Vampirbruder retten kann", sage ich voller Mut. Ganz so mutig fühle ich mich dann aber doch nicht.

Trotzdem gehe ich weiter in den Raum. Ich konzentriere mich auf die Melodie die ich eben gehört habe.

Und da ertönt sie wieder!

Allerdings diesmal wieder von einer Spieluhr. Vorsichtig nähere ich mich der Richtung, aus der die Melodie kommt. Vor dem Kamin des Musikzimmers komme ich zum Stehen. Ich knie mich hin und stecke meine Hand in das abgebrannte kalte Holz. Vorsichtig wühle ich mich durch die Asche. Interessiert guckt Mattheo von der Tür aus zu. Mikul ist äußerst angespannt, wie ich wahrnehmen kann.

Plötzlich stößt meine Hand auf etwas festes. Vorsichtig umfasse ich das Objekte und hole es hervor.

Tatsächlich ist es eine komplett verrußte Taschenspieluhr in Würfelformat. Ungefähr so groß wie ein Zauberwürfel.

Ich puste sie ein wenig sauber und öffne sie dann.

Die unheilvolle Melodie von eben ertönt.

„Jetzt höre ich die Melodie auch", gibt Mikul rein informativ an mich weiter.

„Wir müssen die Spieluhr sauber machen", stelle ich fest.

Mikul kramt aus seiner Hosentasche ein altertümliches Taschentuch und deutet mir, ihm die Spieluhr zu geben.

Präzise säubert er die Spieluhr oberflächlich vom Ruß.

„Für die Feinheiten brauchen wir was effektiveres. Vielleicht hilft euch das aber schon weiter?", fragt Mikul.

Erstaunt schaue ich erneut auf die Spieluhr. Wieder ertönt die Melodie und erhellt den Raum.

Ein raunender Sprechgesang ertönt dazu.

„Hörst du auch diesen Sprechgesang dazu?", frage ich, habe aber schon so eine Vorahnung.

„Nein", entgegnet Mikul.

Mein Blick fällt auf den Inhalt der kleinen Schatulle in der Spieluhr. Im Hintergrund ist ganz klein eine Landschaft zu erkennen.

Das ist es!

Vampirkind YaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt