Kapitel 18: Der Visionsmeister

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• Yara •

Amüsiert beobachte ich Vittorius dabei, wie er verblüfft meine paar Zeichnungen und Designvorschläge für mein Zimmer begutachtet. In seinem Blick liegt uneingeschränkte Anerkennung.

„Wann wirst du alles fertig haben?", fragt Vittorius schließlich die Frage der Fragen.

„Ich setze mich gleich heute noch an die Ausarbeitung und beginne morgen mit der Herstellung. In ungefähr drei bis vier Wochen sollte ich fertig mit dem ganzen Zimmer sein, inklusive Aufbau", entgegnet Baumeister Ven nach kurzer Überlegung.

Nach ein paar weiteren Worten und einem Beutel voller Münzen zieht der Baumeister aufgeregt von dannen und Vittorius bietet mir seinen Arm an, in dem ich mich freudig einhake.

Wir verlassen das Arbeitszimmer, anstatt aber zurück in die Gemächer zu gehen, begeben wir uns in Richtung des Ausgangs.

„Wo gehen wir hin?", frage ich ihn neugierig.

• Vittorius •

„Ich habe heute morgen während du im Bad warst, einen Eiltermin beim Visionsmeister besorgen können, der wohnt allerdings eine Stunde Fahrt außerhalb der Stadt in einem kleinen Waldstück", kläre ich Yara auf.

Isajah erwartet uns bereits am Ausgang des Schlosses, in seinen Armen ruht der Mantel, den ich extra für Yara hab anfertigen lassen.

Sanft legt Isajah ihr den schwarzen Mantel aus edlem Stoff um die Schultern und knüpft ihn zu. Er passt ihr wie angegossen und betont ihre weibliche Statur. Auf keinen Fall soll ihr kalt werden!

Gemeinsam betreten wir die Kutsche, die bereits reisebereit vor meinem Schloss steht. Isajah nimmt entgegen der Fahrtrichtung seinen Platz ein und bevor Yara reagieren kann, habe ich sie bereits auf meinen Schoß gezogen. Mit einem wissenden Lächeln ihr Gesäß zu schonen, blicke ich ihr in die Augen. Leicht verlegen lächelt sie zurück. Isajah wird dies als vampirischen Beschützerinstinkt deuten. Ich kann nicht anders, als schelmisch vor mich hin zu grinsen.

Der Kutscher gibt das Startsignal und meine beschworenen Skelettpferde setzen uns in Bewegung. Interessiert schaut Yara aus dem Kutschenfenster, zumindest so viel, wie sie durch die abgedunkelten Scheiben erkennen kann.

Während der Fahrt führen wir zu Dritt ein lockeres angenehmes Gespräch über banale Dinge.

• Yara •

Quietschend kommt die Kutsche zum Stehen. Das Wetter hat sich gewechselt und ein leichter Regenschauer prasselt auf dem Dach der Kutsche nieder. Mit einem Regenschutz reiten wir den schmalen Pfad auf den Skelettpferden zu einer kleinen Waldhütte hinauf. Den Rest des Pfades müssen wir aufgrund der geringen Breite und des unebenen Weges zu Fuß zurück legen. Unser altertümliches Schuhwerk und unsere Hosen sind dezent mit Schlamm beschmutzt.

Ein kleiner Steinwall, wie er aus dem mittelalterlichen Schottland stammen könnte, rahmt das Grundstück des Visionenmeisters ein. Isajah öffnet das schmale Holztor und schließt es hinter Vittorius und mir wieder. Durch ein Fenster erkennt man in der demnächst untergehenden Sonne ein kleines Lichtlein im inneren des Stein-Holz-Hauses brennen.

Die Tür zum Häuschen öffnet sich, ohne dass wir anklopfen müssen. Ein Herr mit langen blassblonden Haaren und weißgrauer Iris bittet uns herein. Seine anthrazitfarbene Robe mit schwarzen Verzierungen betont seinen blassen Teint. Ein freundliches Paar Reißzähne begrüßt uns ehrfürchtig.

Ah, ein Vampir als Visionsmeister, natürlich.

Verstohlen lächelnd sieht er mich an, als hätte er meine Gedanken gehört. Nein, Moment. Er sieht durch mich hindurch.

Vampirkind YaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt