Kapitel 15: Wasser Marsch!

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• Vittorius •

Das, was Yara mir gerade entgegnet hat, war der dreisteste und frecheste Tonfall der mir je untergekommen ist. Wirklich niemand hat es je gewagt, so mit mir zu reden. Und trotzdem hat sie allen Anstand gewahrt und die respektvollsten Worte, die jemand für so einen Satz finden konnte, gewählt.

Diese Frau hat meine tiefste Anerkennung.

Aber wenn ich ihr jetzt nicht zeige, wer hier der Meister im Raum ist, wird sie mich nie wieder Ernst nehmen.

Es ist eine der Situationen, die ich seit ihrer Verwandlung gefürchtet habe: Sie testet offensichtlich ihre Grenzen aus, wenn auch voller Ehrfurcht und Respekt, und nun liegt es an mir, ihr diese Grenze aufzuzeigen.

In diesem Moment lehne ich noch an den kühlen marmorierten Fliesen meines Badezimmers und starre sie fassungslos mit vor Brust verschränkten Armen an.

Im nächsten Moment stehe ich keinen Meter mehr entfernt direkt vor ihr und blicke ihr tief in ihre rote Augen. Ich bin mir meiner Ausstrahlung durchaus bewusst.

Mutig steht sie einen Moment lang weiter mit durchgestrecktem Rücken und gekreuzten Armen vor mir und erwidert meinen Blick. Dann jedoch lässt sie ihre Arme langsam fallen und ihre Körperspannung sinkt ein wenig in sich zusammen.

Das ist das richtige Zeichen.

• Yara •

In nichtmal einer Sekunde steht Vittorius nach meinem mutigen Spruch direkt vor mir und sieht mich eindringlich an. Nahezu bedrohlich.

Einen Moment lang kann ich der puren Dominanz, die dieser erhabene mächtige Vampir ausstrahlt, stand halten, dann merke ich deutlich: Wenn ich mich jetzt nicht unterordne, wird es wirklich sehr ungemütlich für mich. Und ich hätte nichtmal den Hauch einer Chance!

Meine Arme lösen sich vor meiner Brust und meine Körperhaltung lockert sich. Es ist genau das Zeichen, was er beabsichtigt hat: Ich gebe nach.

Es ist fast furchteinflößend wie sehr ihm das gefällt. Noch furchteinflößender finde ich, dass es mir ebenso gefällt. Ich kann wieder deutlich seinen Geruch wahrnehmen. Anders als sonst schwingt aber noch eine weitere Duftnote in seinem Geruch mit, die ich aber nicht genauer definieren kann.

Sanft und bestimmend streicht er mir kurz durch mein Haar. Seine Hand kommt auf meinem Rücken mit Nachdruck zum Liegen. Er schiebt uns ein Stück zur Seite zu einem unscheinbaren Abschluss im Boden. Langsam hebt er seine Hand und richtet seine Handfläche in Richtung des Abflusses aus.

Ohne ein Wort der Erklärung höre ich fließendes Wasser, kurz darauf folgt ein kleiner Wasserstrahl der in kleinem Bogen die Badewanne trifft und stetig füllt. Aus dem Abfluss! Entgegen der physikalischen Gesetze!

Ich sehe mir die paar Minuten lang vollkommen fasziniert dieses kleine Spektakel an. Als die Wanne gefüllt ist, versiegt das Wasser und Vittorius hält seine Hand in die Wanne. Kurz darauf fängt das Wasser wie wild zu dampfen an.

Jetzt bin wohl ich die Person, die er sprachlos gemacht hat. Verstohlen grinst er mich an.

• Vittorius •

Während ich das Wasser einlaufen lasse amüsiert es mich prächtig, den fassungslosen Blick von Yara zu beobachten. Am Liebsten würde ich den ganzen Tag nichts anderes machen.

Ich versuche mir allerdings auch fieberhaft vorzustellen, wie Wasser ‚einfach so', so wie Yara es beschrieben hat, in die Wanne fließen soll. Ehrlich gesagt habe ich von ihrer Erklärung zwar die Worte verstanden, den Inhalt aber nicht. Das werde ich mir von ihr garantiert Schritt für Schritt erläutern lassen!

„Ich würde dich nun alleine lassen und du kannst dein Bad genießen", unterbreche ich ihren faszinierten Gesichtsausdruck.

„Ist das normal? Macht das jeder so?", fragt sie mich entgeistert.

Ich muss wirklich herzhaft lachen.

„Ja, das sind die Grundlagen der Wassermagie", gebe ich ihr lachend zurück. „Jeder lernt dies als Teil einer Grundausbildung für lebenspraktische Magie", beende ich meine Erklärung.

„Oh. Sowas lebenspraktisches kann ich nicht", gibt sie mit einem leichten Schmerz in der Stimme zurück.

„Ich werde es dir persönlich beibringen. So lange bis du es kannst. Aber ich warne dich, ich bin ein sehr strenger Lehrmeister", sage ich und lege ihr behutsam meine Hand auf die Schulter und versuche so, ihr die Unsicherheit zu nehmen. Ein lockeren Unterton kann ich mir aber nicht verkneifen. Offensichtlich tut ihr dies auch gut so.

Mit zaghaftem Lächeln nickt sie und sieht mir in die Augen.

Ich zeige ihr noch, wo sie die Handtücher findet und lasse sie dann allein. Die Situationen in denen deutlich wird, dass wir völlig unterschiedliche Welten bewohnen, häufen sich. Ich kann es kaum erwarten mehr über ihr altes Leben zu erfahren!

• Yara •

Mein Blick schweift vom warmen Wasser in der edlen Badewanne zur atemberaubenden Aussicht. Ich kann es immer noch nicht richtig fassen, dass sich mein Leben grundlegend geändert hat. Und so liege ich umhüllt von purer Entspannung in dem Badezimmer von einem Vampirkönig.

Beim Gedanken an Vittorius schleicht sich ein Lächeln auf mein Gesicht.

Magie, hat er es genannt, als er das Wasser in diese Wanne ‚gezaubert' hat. Es ist mir immernoch unendlich unangenehm, total weltfremd zu sein. Momentan würde ich vermutlich nicht wirklich alleine lebensfähig sein. Eher würde ich notdürftig überleben, wie eine gestrandete Person auf einer einsamen Insel.

Einsame Insel ... Bei dem Gedankengang fühle ich Unbehagen in mir aufsteigen.

Ich komme aus einer komplett anderen Lebensweise und niemand wird das so nachvollziehen können wie ich. Irgendwo fühle ich mich da schon alleine mit der Situation. Auch wenn ich bestimmt mit Vittorius darüber reden könnte. Es wäre nicht das gleiche, wie mit einem anderen Weltenwechsler darüber zu reden. Ob es noch mehr Leute wie mich gibt? Dazu muss ich definitiv Nachforschungen anstellen!

Langsam richte ich mich in der Wanne auf und habe die zündende Idee. Meine erste Magiestunde ist zum Greifen nahe! Jetzt muss nur noch der ach so strenge Lehrmeister mitspielen!

Aufgeregt mache ich mich im Bad fertig, wasche schnell meine Haare und meinen Körper. Dann steige ich aus der Wanne und wäre beinahe ausgerutscht, als ich mit noch nassen Füßen zum Handtuchschrank gehe.

Im Schlafgemach suche ich mir neben gemütlicher Unterwäsche ein lockeres Shirt und eine bequeme Hose und ziehe die Sachen an. Meine Haare sind noch leicht feucht, aber das stört mich nicht. Ich mache mich noch eben im Bad frisch und mache mich dann auf die Suche nach Vittorius.

• Vittorius •

Ich genieße gerade die Aussicht vom großen Balkon der Wohnhalle. Lange würde Yara sicher nicht im Bad brauchen und ich beschließe, solange zu warten. Nebenbei wandern meine Gedanken immer wieder zur Vision. Ich habe bereits einen speziellen Besuch dafür vereinbart.

Schon bald höre ich, wie die Tür von meinem Gemach geöffnet wird. Ich gehe zurück ins Wohnzimmer und blicke in Yaras leuchtende Augen.

Offensichtlich hat sie ihren Teil der Vision gut verdrängt oder einfach vergessen für den Augenblick. Wobei, bei dem Blick scheint sie etwas auszuhecken.

„Hättet Ihr einen Moment?", fragt Yara.

„Natürlich", entgegne ich ihr und folge ihr sogleich. Enthusiastisch geht sie zurück ins Bad.

Ich ahne böses.

„Könnt Ihr mir jetzt beibringen wie ich das Wasser ... bewegen ... kann, wenn man das so nennt?", bittet sie mich freundlich.

Auf gar keinen Fall!

Ihre erste Magiestunde - Darauf bin ich innerlich nicht vorbereitet. Sollte sie bisher wirklich keine Berührung mit Magie haben, wird das eine sehr frustrierende erste Stunde. Und das möchte ich ihr definitiv ersparen, es wäre keine gute Grundlage ihre Fähigkeiten auf einer frustvollen ersten Stunde aufzubauen.

Nein! Sicher nicht!

Vampirkind YaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt