Kapitel 1

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,,Greyson, bleibst du bitte einen Moment bei mir? Ich muss noch etwas mit dir besprechen"

Bereits als meine Lehrerin diesen Satz begonnen und dabei meinen ganzen Namen ausgesprochen hatte, hatte ich eine schlechte Vorahnung gehabt. Doch mehr als die Angst vor dem anstehenden Zwei-Augen-Gespräch hatten mir die Blicke meiner Klassenkameraden zugesetzt. Was sie jetzt wohl von mir dachten? Bestimmt waren sie neugierig, was ich denn getan hatte. Oder sie würden sich nach dem Unterricht über mich lustig machen.
Sobald mich der erste Blick gestreift hatte war ich knallrot angelaufen und ein paar Zentimeter kleiner geworden, als würde ich mich vor der Welt verstecken wollen, was wohl auch zutraf.

Hastig eilte ich nach vorne zu meiner Deutschlehrerin. Sie war mit dreißig Jahren noch relativ jung, doch die streng nach hinten gekämmten schwarzen Haare, ihr zusammengekniffener Mund und die genervten Blicke machten sie mindestens zwanzig Jahre älter.

Sie wartete, bis auch die letzten meiner Klassenkameraden verschwunden waren und wandte sich dann zu mir. Sie deutete mir mit einer Handbewegung an, mich zu setzten. Das Geräusch des heranziehenden Stuhles war zu Laut für die Stille, die in dem Raum herrschte und ich verkrampfte mich noch ein wenig mehr.

,,Also, Grey, was ich mit dir besprechen wollte:

Jetzt kommts...

Ich wollte wissen, ob es dir gut geht.

Mhm? Mein seelischer Zustand geht die doch gar nix an!

Mir ist bewusst, dass du nicht dumm bist,

Das hoffe ich doch! Ansonsten hätte ich es nie bis in die 11. Klasse geschafft...

du bist eigentlich ein Schüler mit ganz zufriedenstellenden Noten.

Eigentlich?

Aber du bist so still!

Achso. Das ist das Problem. Ein ,,Beteilige-dich-am-Unterricht"s Gespräch!

Sobald du aufgerufen wirst, sagst du garnichts und obwohl du dem Unterricht aufmerksam folgst meldet du dich nie!"

Was will die denn jetzt hören? Ich kann ihr wohl kaum sagen:,,Oh das ist mir gar nicht aufgefallen! Aber sobald ich mich melden will werde ich so nervös, dass ich nicht mehr reden kann. Und wenn ich aufgerufen werde bekomme ich eine Panikattacke. Alles um mich herum kommt dann näher und alles was ich noch spüre ist diese Angst. Ich höre mein Herz klopfen und habe das Gefühl, dass ich umfalle. Aber das werde ich natürlich gleich ändern, ist ganz einfach!"

Ich merkte, wie meine Handflächen immer nasser wurden. Ich spürte ihren prüfenden Blick auf mir und ich räusperte mich.

,,Ehm, ja... Ich...mag es n-nur nicht, vor M-menschen zu reden... Ich w-werde versuchen, m-mich mehr am Unterricht zu beteiligen...", stotterte ich mit krächzender Stimme.

Wow, Grey, du bist so glaubwürdig!

Das schien auch meine Lehrerin so zu sehen, denn sie blickte mich noch ein wenig nachdenklicher an. Unter ihrem Blick hätte ich mich am liebsten in Luft aufgelöst.
Doch schlussendlich wurde ihr wohl klar, dass ich ihr die Wahrheit sowieso nicht sagen würde, weshalb sie nur ein kurzes ,,Ach so. Okay" von sich gab.

Unschuldig schielte ich zur Uhr: Mein Bus war vor zwei Minuten gefahren. Fuck!

,,Also, wenn du irgendwann Mal etwas loswerden musst, kannst du zu mir oder den anderen Lehrern kommen, ja?" Ich nickte und dachte gleichzeitig, dass sie wohl der letzte Mensch wäre, dem ich von meinen mentalen Problemen erzählen würde.
,,Das wars auch schon, ich wünsche dir schöne Osterferien."

Eigentlich wollte ich ihr die übliche ,,Danke, Ihnen auch" Floskel an den Kopf werfen, doch ich spürte wieder, wie mir die Angst gegen den Kehlkopf stieß und lächelte geqält. Dann stürzte ich aus dem Raum.

Genug Schule für die nächsten zwei Wochen! Länger hätte ich es auch nicht ausgehalten.

Freak. (boyxboy)Where stories live. Discover now