Kapitel 42

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Es klingelte an der Türe. Hektisch rannte ich die Treppe hinunter, verpasste die letzte Stufe und knallte unsanft auf den Boden. Autsch.

Unter leisem, schmerzhaften Stöhnen rappelte ich mich auf und hinkte zur Türe. Mein rechter Knöchel fühlte sich verstaucht an und ich verfluchte meinen Hang zum Treppen-hinunterstürzen. Ich stand mit den Dingern schon ewig auf Kriegsfuß.

Vor der Türe stand ein lächelnder, vor guter Laune sprühende Elyas. Am liebsten hätte ich sie ihm direkt wieder vor der Nase zugeknallt. Ein wenig schlechte Laune an einem Montagmorgen um viertel nach sieben war doch wohl nicht zu viel verlangt! Ich vermisste mein Bett.

,,Morgen", begrüßte er mich fröhlich. Verächtlich sah ich ihn an.

,,Ach, fick dich"

Elyas musste lachen. ,,Was ist denn mit dir los?"

,,Schule. Treppe. Montag.", knurrte ich. Elyas verdrehte die Augen. Warum sah das bei ihm nur so gut aus? Rasch zog ich mir meine Lederjacke über, schnappte mir meine Tasche und trat aus dem Haus. Es war kühl, aber angenehm.

Gestern hatte ich Simon Elyas vorgestellt. Wir waren eine Runde durch den Park gegangen und sie hatten sich gegenseitig ausgefragt, wobei ich ab und zu einen komischen Blick von Elyas auf mir spürte. Als Simon mir einmal kumpelhaft einen Arm um die Schulter gelegt hatte, war Elyas' Hand kurzzeitig zu einer Faust geballt gewesen und seine Zähne waren fest auf einander gebissen. Ob er was von Simon wollte? Doch etwas in meinem Unterbewusstsein versuchte gerade, mir klar zu machen, dass er niemals was von Simon sondern eher von mir wollte. Genervt schob ich diesen Gedanken beiseite. Niemand wird jemals etwas von dir wollen. Juhu, die böse Stimme war wach!

Je näher wir dem grauen Gebäude namens Schule, auch genannt Hölle kamen, desto mehr spanne ich mich an. Meine Gedanken wirbelten rastlos durch den Kopf und ich ermahnte mich, meine Atmung zu kontrollieren. Super, fast schon eine Panikattacke, bevor ich überhaupt da war. Elyas schien wohl zu merken, dass es mir immer schlechter ging, denn schon wie am Samstag in der Eisdiele, nahm er seine Hand in meine. Aufmunternd lächelte er. Mein Herz klopfte wild und ich spürte die Röte in mein Gesicht schießen.

Da Elyas noch rasch ins Sekreteriat musste um seine Bücher abzuholen, lief ich alleine den Flur entlang zu unserem Klassenzimmer. Der Gang war voller Schüler. Ich spürte ihre Blicke auf mir, spürte wie sie tuschelten.

Alle achten nur auf dich. Sie sehen alle deine Fehler. Sie beurteilen jeden deiner Schritte, alles was du tust.

Mir wurde flau im Magen. Meine Hände zitterten unkontrolliert und ich schob sie rasch in meine Jackentasche. Meine Atmung ging schneller, Panik stieg auf.

Ach was, es interessiert niemanden, was du tust. Sie sehen dich gar nicht. Du bist ein nichts. Unnötig. Wertlos.

Das machte es jetzt nicht unbedingt besser... Es war schon merkwürdig: Auf der einen Seite fühlte ich mich von allen verurteilt, auf der anderen Seite wusste ich, dass ich nicht wichtig genug war, auch nur angesehen zu werden.

,,Hi Grey!", begrüßte Simon mich vor dem Klassenzimmer. Seine schwarzen Haare standen wirr von seinem Kopf ab und auch das zerknitterte StarWars  Shirt zeugte nicht gerade von genug Schlaf. Seine Begrüßung quittierte ich mit einem zittrigen Lächeln und folgte ihm in den Klassenraum. Da Simon wusste, wie ich mich in der Schule verhielt, kommentierte er nichts zu meinem Zustand.

Wir setzten uns neben einander und holten unser Zeug raus. Die Lehrerin war schon da und nach und nach folgten die Schüler. ,,Hi, Simon, hi, Grey!", flötete Elena im Vorbeigehen und drückte Simon rasch einen Kuss auf die Wange. Meine Augen wurde groß:,, Du und Elena?!", fragte ich ungläubig. Ich hatte gewusst, dass er bereits seit einer Weile für sie schwärmte, doch dass sie eine Beziehung hatten, war mir neu. Simon grinste. ,,Seit letztem Montag. Irgendwie musste ich ja meine Ferien ohne dich rumkriegen, deshalb habe ich mich mit Elena getroffen und irgendwie hat es dann gefu-"

,,Simon, ist ja schön, dass du glücklich bist, aber wir würden jetzt gerne mit dem Unterricht anfangen", ermahnte der Drache ihn. Wir nannten die Lehrerin so, weil ihre Nase so riesig war, dass man sich einbilden konnte, dass sie bald Feuer speien würde. Kindisch, ich weiß, aber seit sie in der siebten Klasse diesen Spitznamen bekommen hatte, war er nicht mehr wegzudenken.

,,Also, wir bekommen heute einen neuen. Er heißt Elyas Hellmer. Bitte seid nett zu ihm"

-

Fünfzehn Minuten nach Unterrichtsbeginn klopfte es an der Türe und Elyas trat in den Raum. er sah wie immer gut aus: Kein bisschen müde und voller guter Laune. Seine  braunen Augen glänzten im Sonnenlicht und die Kleidung passte ihm wie angegossen.

Er schüttelte die Hand des Drachen. ,,Ich bin Elyas, der neue". Seitdem er den Raum betreten hatte, war meine Angst und Panik wie weggeblasen. Komisch, was ein einziger Mensch für eine Wirkung haben konnte.

Drache bat ihn, sich kurz vorzustellen, was er nun auch tat. ,,Hey, also wie ihr schon wisst bin ich Elyas. Ich bin achtzehn und in meiner Freizeit gehe ich ins Fitnessstudio. Ich bin aus Berlin hergezogen, weil meine Eltern sich vor ein paar Wochen getrennt haben und außerdem habe ich früher schon hier gelebt. Habt ihr noch irgendwie Fragen oder so?"

Ich hörte leises Getuschel aus allen Richtungen. Die beste Freundin von Elena, Sophie, flüsterte hinter mir ,,Uiii, der ist ja cute. Und er sieht mega gut aus...". Ich verdrehte die Augen. Wenn die wüsste...

,,Hast du eine Freundin?" Warum wunderte mich das jetzt nicht...?

,,Nein. Ich bin schwul." Das Getuschel wurde noch lauter, doch niemand sagte etwas gemeines. Es musste ihn viel Mut gekostet haben, das zu erzählen. Immerhin war er deshalb ein Jahr lang gemobbt worden.

,,Hast du dann einen Freund?"

Elyas Blick streifte mich leicht und ich zuckte zusammen. Dann verneinte er. Was war das denn gewesen? ,,Gut, dann setz dich doch neben Sophie, hinter Grey und Simon, die kennst du ja schon"

-

,,Ich liebe eure Klasse!", rief Elyas begeistert und umarmte mich stürmisch. Verwirrt blickte ich ihn an.

,,Niemand hat etwas dagegen, dass ich schwul bin, die Lehrer sind okay, alle sind nett zu mir und eure Klasse hat nicht so eine grauenhafte Bitches-Badboy-Streber-Normalos Aufteilung!"

Wir liefen gerade die letzten Meter von der Bushaltestelle nach Hause und Elyas konnte gar nicht mehr aufhören, mir seine Begeisterung für die Schule mitzuteilen. Wie waren vor meiner Haustüre angelangt und Elyas umarmte mich zum Abschied. Wir machten aus, uns heute nach dem Mittagessen zu treffen und ein wenig bei ihm zu zocken. Als er gegangen war griff ich nach dem kalten Schlüssel in meiner Tasche und schloss die Türe auf.

,,Hey Mum, ich bin wieder da!" 

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Es tut mir mega Leid, dass die letzten Tage nichts gekommen ist aber im Moment ist es bei mir in der Schule sehr stressig, ich hoffe ihr versteht das.

Einen schönen Feiertag euch noch!

Freak. (boyxboy)Where stories live. Discover now