Kapitel 54

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,,Elyas?!"

Eine Stimme erlöste Elyas und mich aus dem Schweigen, doch wenn ich gewusst hätte, wer da vor uns stand, hätte ich nicht das Wort ,,erlöst" genannt. Der Junge war definitiv kein Erlöser, nein. Auch wenn er mit blonden Haaren und grünen Augen so aussah, war das Gegenteil der Fall, und ich kannte diesen Jungen nur zu gut.

Elyas hingegen schien verwirrt zu sein, wer er war und woher dieser seinen Namen kannte, denn er kniff nur die Augen verwundert zusammen. ,,Und du bist...?", fragte er dann vorsichtig. Ich betrachtete den See genauer und versuchte, die Anwesenheit des Jungen zu ignorieren, denn er war der letzte den ich jetzt bzw. jemals sehen wollte. Seine bloße Anwesenheit brachte mich zum Verstummen und sobald ich ihn auch nur aus der Ferne sah wurde die Stimme in meinem Kopf wieder lauter. Diese Stimme, die mich anschrie, mir Sachen an den Kopf warf, die mir die Tränen in die Augen steigen ließen. So auch diesmal.

Schau dich Mal an! Du bist widerwärtig. Hässlich. Elyas hängt niemals freiwillig mit dir ab. Guck doch Mal, er ist so perfekt und du- ein Nichts. Du bist es nicht wert, er hat jemand besseren verdient. Wie du dich verhältst... wie du gehst... sogar wie du atmest... alles schreit doch danach: Freak!

Unwillkürlich zuckte ich zusammen. Meine Hände verkrampften sich.

Ohh, kann der kleine Greyson da etwa nicht die Wahrheit hören?! Musst du dir gleich wieder die Nägel in den Arm krallen. Haha... du bist dramatisch. Nur wegen so einem kleinen Wort, du Niemand. Freakfreakfreakfreakfreakfreakfreakfreakfreakfreak...

Wäre ich nicht in Gesellschaft, wäre ich nun an den Punkt gekommen, wo ich mir die Hände auf die Ohren hielt. Aufgewühlt zerbiss ich meine Unterlippe und kam nicht dagegen an meine Nägel erst sanft, aber mit immer stärker werdenden Druck auf die Haut zu legen. In Momenten wie diesen hasste ich mich selbst mehr als alles andere. Ich begann zu schwitzen. Meine Hände zitterten.

Ich versuchte, mich auf das klare blau des Sees zu konzentrieren.

All dies war innerhalb einer Sekunde abgelaufen und doch hatte es sich angefühlt, als wäre ich eine Stunde ohne Sauerstoff im Wasser gewesen. Ja, ich fühlte mich tot.

,,Florian, ich weiß nicht, ob du mich noch kennst. Bevor du weggezogen bist waren wir in einer Klasse und haben uns manchmal zu dritt getroffen", er nickte in meine Richtung, doch ich fühlte mich noch immer wie erstarrt.

Ich konnte ihn nicht ausstehen. Ja, damals waren wir mehr oder weniger befreundet gewesen, doch nachdem Elyas weggezogen war hatte sich alles verändert. Zu sagen er hätte mich mit seinen neuen Kumpels gemobbt war übertrieben, doch es waren die keinen Bemerkungen am Rande gewesen, die mich zum Zweifeln gebracht hatten. Ein kleines ,,Du bist es nicht wert" hier, ein ,,merkst du nicht, dass niemand etwas mit dir zu tun haben will?! Du bist unnötig" da. Ab und zu eine Anspielung auf meine Größe bzw. eher Kleine und siehe da- ein neuer Greyson voller Selbsthass, Angst und Selbstzweifel war geschaffen. Wenn man jeden Tag zu spüren bekam, dass man nie gut genug sein würde und daher unnötig war, begann man irgendwann es zu glauben.

,,Oh, hi. Stimmt, ich weiß noch wer du bist. Wie geht's dir so?", fragte Elyas neugierig. War ja klar, dass er Florian mochte. Was hatte ich auch anderes erwartet? Es war nur eine Frage der Zeit, bis Elyas mich durch Florian ersetzen würde.

Und so gut, wie die zwei sich bereits jetzt verstanden, konnte das nicht mehr allzu lange dauern.

Freak. (boyxboy)Where stories live. Discover now