Kapitel 29

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Daheim angekommen empfing mich Mum bereits mit einer festen Umarmung, auch sie hatte sich Sorgen gemacht. Ich hasste mich in diesem Moment so sehr, denn ich hatte mir einmal vorgenommen, Mum nie Ärger oder Sorge zu bereiten. Rasch berichtete ich ihnen, wo ich gewesen war, wünschte allen eine gute Nacht und rannte in unser Zimmer. Zwar war es noch nicht einmal neun Uhr abends, doch ich konnte die drei nicht ansehen, ohne mir selbst Vorwürfe zu machen. 

Am liebsten würde ich mich nun auf das Bett schmeißen und weinen, doch etwas in mir hielt mich davon ab. Zum einen wollte ich vor Elyas nicht als Heulsuse dastehen, zum anderen konnte ich in dem Moment einfach nicht weinen. Oft hatte ich so etwas wie eine Heul-Blockade: Ich wollte es zwar, aber es funktionierte einfach nicht. Stattdessen begab ich mich auf den Balkon und starrte in die Dunkelheit. Der Himmel war klar und voller Sterne und die Luft kühl und dennoch angenehm, zumindest für mich. Der ganze Tag lief noch einmal vor meinen Augen ab und immer wieder kreiste das Gespräch mit Charlene in meinen Gedanken. Ja, mir machte es nichts aus wenn jemand bi- oder homosexuell war, doch ich konnte mich mit dem Gedanken einfach nicht anfreunden, dass ich es selbst war. Es war so plötzlich...

Ich vernahm das Geräusch einer aufgehenden Türe und drehte mich um. Dort stand- wer auch sonst -Elyas und blickte mich nachdenklich an. Er kam ein paar Schritte auf mich zu und fragte:,, Ist alles okay bei dir?" Ich nickte, woraufhin Elyas seine Augenbraue nach oben zog. ,,Ich glaube dir zwar nicht, aber ich akzeptiere, wenn du nicht mit mir darüber reden willst. Du sollst nur wissen , dass du mir immer alles erzählen kannst, ja?", fügte er hinzu und erneut nickte ich.

,,Darf ich dich noch etwas fragen", fragte Elyas unsicher und wieder nickte ich, war wohl meine neuste Lieblingsbeschäftigung, ,,gut... Wo ist eigentlich dein Vater?" Ich lächelte, denn ich hatte gewusst, dass diese Frage irgendwann kommen würde und außerdem sprach ich gerne darüber.

,,Das ist eigentlich ganz leicht zu erklären: Mum ist nicht meine leibliche Mutter. Wer meine ,,echten" Eltern sind weiß ich nicht, mir wurde erzählt, dass ich an einer Straßenecke ausgesetzt worden war", sagte ich und sah den erstaunten Elyas an. Dieser räusperte sich und wollte wissen:,, Und du hast nie nach deinen leiblichen Eltern gesucht, wolltest nie wissen wer sie sind?"

,,Nein. Ich liebe meine Mum über alles. Sie ist meine wahre Mutter, nicht diese Frau, die mich geboren und danach ausgesetzt hat. Mum hingegen hat so lange für mich gekämpft, bis sie mich adoptieren konnte. Das Jugendamt hielt es zuerst für keine gute Idee, mich an eine Alleinerziehende weiterzugeben. Sie hat so viel für mich getan, mir eine wundervolle Kindheit und viel Liebe geschenkt. Sie hat mir schon früh erzählt, dass sie nicht meine leibliche Mutter ist, doch das hat nichts an meinen Gefühlen für sie geändert. Für mich wird sie immer meine einzig wahre Mutter bleiben"



Freak. (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt