Kapitel 50

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,,Kleiner, das muss dir nicht peinlich sein. Jeder stürzt Mal früher oder später ab. Ich hätte einfach besser auf dich aufpassen sollen. Und außerdem warst du mit Abstand die niedlichste betrunkene Person, der ich jemals begegnet bin."

Bei dem letzten Teil wurde mir warm ums Herz und ich fühlte mich für einen Augenblick ganz leicht. Ich wandte meinen Blick von dem Jungen ab, den ich so sehr in mein Herz geschlossen hatte und versuchte vergebens, nicht rot zu werden.

,,Aber ich bin langsam alt genug, dass ich selbst auf mich aufpassen können sollte... Ich werde schließlich in zwei Wochen achtzehn. Wie auch immer, danke, dass du für mich da warst", murmelte ich und ignorierte den Teil mit der Niedlichkeit.

Ich spürte, wie Elyas mich anblickte und begann, mir auf der Lippe herumzubeißen. Das hatte ich mir in letzter Zeit angewöhnt, anstatt mir meine Nägel in den Arm zu drücken. Bestimmt findet er dich total nervig und hat keinen Bock mehr, weiter den Babysitter zu spielen. Ich sackte in mich zusammen. Wie hatte ich nur für kurze Zeit vergessen können, wer ich war?

,,Hör auf deine Lippe zu malträtieren. Grey, lass die Selbstzweifel nicht an dich rankommen, okay? Du bist ein toller Mensch und verdienst es, das zu wissen."

Mit großen Augen sah ich ihn zweifelnd an. Das konnte doch nicht sein Ernst sein? Er hat bloß keine Lust auf dein rumgeheule...

Leise lachte Elyas auf und schüttelte schmunzelnd den Kopf. Dann wurde er wieder ernst und blickte mich so durchdringend an, dass ich nervös wurde. ,,Wenn du denkst, solltest du vielleicht nicht unbedingt deinen Mund offen lassen. Und Süßer, du kannst dich jederzeit bei mir ausheulen. Es macht mir absolut nichts aus, im Gegenteil: Dann weiß ich, dass du mir vertraust. Aber ich will einfach nicht, dass du dich selbst so zerstörst. Du bist unheimlich wertvoll und einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben die ich kenne."

Eine leichte Gänsehaut hatte meine Arme überzogen und ich meinte zu hören, wie laut mein Herz pochte.

-

Die Küchenuhr zeigte 11:34 an, als wir uns an den Tisch setzten und begannen zu frühstücken. Da lief es mir auf ein Mal kalt den Rücken hinunter. Mum wusste doch gar nicht, wo ich war! Elyas schien meinen erschrockenen Blick wohl bemerkt zu haben, denn er zog fragend eine Augenbraue nach oben. ,,Mum!", war das einzige, was ich herausbrachte. Doch Elyas schien mich zu verstehen, denn er versuchte, mit seinem rechten Arm an das Telefon zu gelangen, das auf einer Ablage stand. Stattdessen erreichte er nur ein Blatt Papier, welches er verwirrt ansah. Dann hellte sich sein Gesicht auf.

,,Alles gut, Kendra weiß, wo du bist."

Verwundert sah ich ihn an, doch er reichte mir nur wortlos den Zettel.

Guten Morgen Elyas und Grey!

Ich wollte euch nur kurz Bescheid geben, dass ich heute bei Kendra übernachtet habe. Mir war klar, dass ihr mitten in der Nacht hier auftauchen würdet und hatte keine Lust, von euch geweckt zu werden. Wenn ihr wach seid, gebt uns doch kurz Bescheid.

Linn

-

Ich war soeben dabei, das Haus zu verlassen, als Elyas mich noch einmal zu sich zog. ,,Bekomme ich gar keinen Kuss zum Abschied?", fragte er mit gespielt empörtem Blick und schob dabei die Unterlippe vor. Obwohl das verdammt süß aussah, schaute ich weg und spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Wie konnte er nur so etwas fragen, ohne dabei annähernd verlegen auszusehen?

,,Nur ein Spaß, Kleiner! Eine Umarmung reicht mir vorerst auch."

Vorerst?! Doch ich dachte nicht weiter darüber nach, sondern schlang meine Arme um Elyas Oberkörper. Für einen Moment fühlte es sich so an, als würde die Zeit stehen bleiben. Alles um mich herum verschwamm und bemerkte nur noch die Wärme, die von Elyas ausging und sich um mein Herz schlang. Mein Puls raste und dennoch fühlte ich mich vollkommen zufrieden.

Vorsichtig versuchte ich, mich aus der Umarmung zu lösen, sodass es noch annähernd als alltägliche Umarmung durchgehen würde, doch Elyas zog mich sofort wieder zu sich. ,,Noch kurz.", bat er mit leiser Stimme und ich musste kichern, als sein Oberkörper vibrierte. Die Schmetterlinge machten in meinem Bauch so viele Purzelbäume, dass ihnen schlecht wurde. Elyas zog mich noch näher an sich und umklammerte mich, als sei ich das einzige, was ihm Halt gebe.

Das Geräusch einer sich öffnenden Türe ließ mich hochfahren, doch da Elyas mich nicht loslassen wollte hatte ich keine Chance zu erkennen, wer da das Haus betreten hatte.

,,Aww", quitschte eine hohe Stimme und Hitze stieg meine Wangen hinauf als mir bewusst wurde, dass Linn, Elyas Mutter uns gerade beim Umarmen zusah.

,,Was denn, wir verabschieden uns nur?", fragte Elyas mit einem Grinsen und lockerte die Umarmung ein wenig, sodass ich Linn ansehen konnte. Mit einem breiten Grinsen stand sie im Türrahmen und beobachtete uns mit leuchtenden Augen. Sie hatte sich verändert, seit ich sie das erste Mal wieder gesehen hatte: Ihr Lachen war breiter geworden, ihre Augen strahlender und sie hatte zugenommen, sodass sie nicht mehr ganz so knochig aussah. Sie versprühte pure Lebensfreude und ich fragte mich hin und wieder, wie sich ein Mensch so schnell so sehr verändern konnte. Dass ich das bald erfahren würde, wusste ich hier noch nicht.

Freak. (boyxboy)Where stories live. Discover now