Kapitel 71

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Die folgende Woche zog sich quälend langsam dahin. Ich wollte endlich Wochenende! Und nein, das lag nicht daran, dass ich am Samstag achtzehn Jahre alt wurde sondern eher weil ich die Zeit mit Elyas vermisste. Denn obwohl wir uns immer in der Schule sahen und manchmal auch nachmittags gemeinsam lernten vermisste ich ihn. Ich wollte ihn immer um mich herum haben, die ganze Zeit. Ich wollte keinen Augenblick mehr ohne ihn verbringen! Und dennoch hatte ich mich noch nicht getraut in der Schule Hand in Hand mit ihm durch die Gänge zu laufen oder ihm hin und wieder einen kurzen Kuss auf die Lippen zu drücken. Es blieb bei immer wieder zu meinem Freund schweifenden Blicken und gegenseitigem Anlächeln.

Auch meine Mutter war während dieser Woche irgendwie immer komischer geworden: Manchmal warf sie mir traurige Blicke zu und teilweise sagte sie Dinge, die sie sonst nie aussprechen würde. Immer wieder sagte sie mir, wie lieb sie mich hatte und ich bildete mir ein, sie gestern in ihrem Zimmer weinen gehört zu haben. Als wir nun, am Donnerstagabend,  zusammen auf der Couch saßen und Mum mich mit ihrer Umarmung fast zerquetschte, schob ich sie sanft ein Stück von mir und sah ihr durchdringend in die Augen. Ich fragte was denn los sei und weshalb sie sich so komisch benehmen würde. Und dann begann sie zu weinen. Die Tränen rannen ihr still über die Wangen und ihre roten Lippen zuckten verräterisch. Sie tat nichts weiteres als mir stumm in die olivgrünen Augen zu blicken.

Sanft strich ich ihr über den Rücken. ,,Mum...", flüsterte ich mit besorgtem Unterton und wartete darauf, dass sie ein Wort von sich gab. ,,G-Grey, entschul-schuldige bitte." Ihre Stimme klang traurig und ängstlich zugleich. Wortlos reichte ich meiner Mutter ein Taschentuch.

,,Ist etwas passiert?", fragte ich und konnte meine Verwirrung nicht ganz außen vor lassen. ,,Nein, noch nicht zumindest..." Warum sprach sie denn so in Rätseln?!

,,I-ich habe Angst dich zu verlieren... Grey, du wirst am Samstag achtzehn und-und", begann sie schließlich wurde aber durch heftige Schluchzer unterbrochen. ,,Mich verlieren!? Wieso das...? Nehme ich mir zu wenig Zeit für dich? Mache ich zu viel mit El?", fragte ich mit immer stärker werdender Verwirrung. Mum atmete tief durch. ,,Nein, mein Schatz, daran liegt es nicht. Ihr gehört nun ein Mal zusammen. Es ist nur... Ich meine, ich bin nur deine Adoptivmutter und mit achtzehn* darfst du vom Jugendamt erfahren wer deine leiblichen Eltern sind und..."

Schockiert blickte ich meine Mutter an. ,,Du glaubst, dass ich meine leibliche Mutter kennenlernen will? Du denkst, ich würde dich dann nicht mehr als meine Mutter ansehen?!", fragte ich ungläubig. Mum liefen wieder Tränen über die Wange und sie nickte. ,,Mum! Du bist meine Mutter, niemand anderes. Diese Frau ist höchstens meine Erzeugerin, mehr auch nicht. Wieso sollte ich jemanden suchen, der mich weggegeben hat? Wieso sollte ich jemanden suchen, der sich nie für mich interessiert hat? Wieso sollte ich meine ,,Mutter" suchen, wenn ich doch schon eine habe? Mum, ich liebe dich und ich werde dich ganz sicher niemals verlassen."

,,D-danke", schluchzte Mum noch und fiel mir dann um den Hals. Sie hielt mich so fest, dass ich Angst hatte keine Luft mehr zu bekommen.

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*eigentlich darf man schon mit sechzehn Jahren die Identität seiner leiblichen Eltern erfahren, entschuldigt bitte diese falsche Information :3

Freak. (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt