Kapitel 47 (Unfaires Spiel)

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Wenn man mich an einen riesigen Fels angekettet hätte, dieser Fels dann einen Abhang hinunterrollen würde, danach der Fels über eine natürliche Rampe in die Luft fliegt und letztendlich mit einem zerfledderten Mir im Anhang in den Tiefen des Meeres zur Ruhe gekommen wäre dann wäre das noch angenehmer gewesen als der Blick, mit welchem mich Carla Tsukinami nun gerade erdolchte.
"Kann ich eigentlich noch weglaufen? Du gibst mir... keine Ahnung... fünf Sekunden Vorsprung?"
ein gequältes Lächeln spannte sich über meine Lippen, welches bei meinem Gegenüber jedoch wenig Anklang fand.
"Lass mich kurz überlegen. Nein,"
der Druck seiner Hand auf meiner Schulter wurde nur noch stärker. Würde er noch etwas mehr Kraft aufwenden, würde bestimmt die Wand hinter mir nachgeben und wir würden ins nächste Zimmer fallen.
"Wo soll ich denn überhaupt schon wieder herumgeschnüffelt haben? Und kannst du aufhören mir den Arm abtrennen zu wollen?"
notgedrungen versuchte ich mich ein wenig unwissender darzustellen als ich eigentlich war.
"Netter Versuch,"
wieder legte Carla den Kopf schief, durchstach mich mit den klaren goldenen Augen,
"wir beide wissen, dass du die durchgeblätterten Bücher falsch zurückgestellt hast. Leider zu deinem Leitwe...".
Ein plötzlicher Hustenanfall seitens des Weißhaarigen ließ ihn von mir ablassen und für einen Moment drehte er sich in die andere Richtung. Meine Chance witternd wartete ich keinen weiteren Wimpernschlag, bevor ich mich schnellstmöglich in Bewegung setzte und wenige Sekunden später schon die Eingangshalle erreicht hatte.
   Entschlossen stieß ich die Tür ins erlösende Freie auf, schlüpfte durch das Portal hindurch und rannte weiter, ohne mich auch nur ein einziges Mal umzudrehen. Ich hatte das Gefühl, als wäre mir Carla dicht auf den Fersen und nur eine einzige falsche Bewegung würde meinen Fluchtversuch sofort scheitern lassen. Ich wusste nicht, was auf mich zukommen würde, sollte mich der Dämon in die Finger kriegen, jedoch würde die letztendliche Realität jede meiner Vorstellungen noch um einige Grausamkeiten überbieten. Wenn ich Glück hatte, würde ich ihm in den Tiefen des dichten Waldes entkommen. Es sei denn natürlich, er konnte mit seinen unfairen Fähigkeiten sogar Vampire problemlos orten – dann würde ich heute wohl noch das Zeitliche segnen.

Mir kam es vor, als wäre ich schon stundenlang ziellos geradeaus gerannt, bevor ich endlich nach Atem ringend an einer hohen, dicken Eiche anhielt – mich erschöpft an ihr abstützend. War ich endlich in Sicherheit? Ein wenig misstrauisch blickte ich mich um, sah außer dem dichten dunklen Wald jedoch nichts weiter um mich herum. Mittlerweile war es eisig kalt geworden, triste Wolken hatten sich vor den blassen Mond geschoben. Es würde wohl bald anfangen zu schneien, so richtig war der Frühling in den letzten Wochen wohl doch noch nicht ins Land gekommen, und bis dahin sollte ich ein richtiges Versteck gefunden haben, um keine Spuren zu hinterlassen. Tief durchatmend setzte ich mich wieder in Bewegung, lief augenscheinlich tiefer in den Wald hinein, versuchte nicht komplett die Orientierung zu verlieren. Nach endlos wirkenden Minuten kam ich an einer dicken, hohen Eiche an und blickte mich stirnrunzelnd um. Kam mir diese Umgebung nicht bekannt vor? Aber ich konnte definitiv nicht im Kreis gelaufen sein, meine Schritte hatte ich bewusst kerzengerade getan. Grübelnd lief ich am Baum vorbei und setzte meinen Weg fort. Ich konnte mich nicht verlaufen haben, das war völlig ausgeschlossen, basta.
   Um mich herum wurde es immer kühler. Leichter Schneefall setzte nun ein und ließ den Wald noch düsterer, unheimlich erscheinen als er eh schon war. Ein wenig nervös biss ich mir auf die Unterlippe, zog die leichte Strickjacke noch etwas enger um mich und erblickte schließlich eine hohe, dicke Eiche vor mir. Wie angewurzelt blieb ich stehen und stierte den robusten Baum ungläubig an.
"Nein,"
kopfschüttelnd wich ich einen Schritt zurück,
"das... das kann nicht sein."
Unwillkürlich begann ich mich verunsichert umzublicken, dachte ich hätte eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahrgenommen. Mir wurde mulmig zumute. Ich schluckte schwer. War das Carlas Werk? Ließ er mich ziellos im Kreis umherlaufen, um mich langsam, aber sicher in den Wahnsinn zu treiben? Konnte er einfach so meine Umgebung beeinflussen? War er wirklich so mächtig? Frustriert fuhr ich mir durch die Haare, lief dann langsam auf die Eiche zu und ließ mich – mich geschlagen gebend gegen den Stamm lehnend – auf den Boden sinken. Früher oder später würde der weißhaarige Sadist auftauchen müssen, um mich zurück ins Anwesen zu holen. Warum sollte ich also weiterhin unnötig im Kreis laufen? Erschöpft schloss ich die Augen. So leicht war mein Fluchtversuch also niedergeschlagen worden. Wie lächerlich ich mir gerade einfach vorkam. Nie hatte ich auch nur den Hauch einer Chance gegen diese übermächtigen Dämonen gehabt. Für sie war das alles nicht mehr als ein Spiel zum Zeitvertreib.
   Ich zog nach einer Weile die Knie an und schlang meine Arme um diese. Inständig hoffte ich, dass Shuu nicht auf die glorreiche Idee gekommen war, mich zurückzuholen, sonst wäre er wohl auch in diesem verdammten Wald gefangen. Obwohl, vielleicht war er dem Ganzen ja auch einfach so entkommen, immerhin müssten seine Kräfte unvergleichbar stärker als meine sein, nicht wahr? Vielleicht konnte ich Carlas Gefängnis auch entgegenwirken, wenn ich mich versuchte zu teleportieren. Einen Versuch war es mir definitiv wert. Tief durchatmend stand ich auf, ballte entschlossen die Hände zu Fäusten und konzentrierte mich mit aller Kraft auf einen Ort, an dem ich nun am dringlichsten sein wollte. Fast bildlich sah ich den grünen Salon des Sakamaki Haushaltes vor mir. Ayato und Laito, wie sie sich um irgendwelche Kleinigkeiten stritten, Subaru, welcher genervt mit verschränkten Armen auf einem der gemütlichen Sessel Platz genommen hatte, Reiji, der wie üblich versuchte alle mit seinen lästigen Regeln und Standpauken zu tadeln, Kanato, wie er seinen heißgeliebten Teddy an sich drückte und natürlich Shuu, der sich auf eines der Sofas niedergelassen hatte und seelenruhig vor sich hin döste. Nahezu hörte ich schon die Stimmen der Geschwister in meinen Ohren, nahm die Gerüche des alten Anwesens wahr. Meine Haut begann angenehm zu kribbeln. Vielleicht konnte ich es tatsächlich schaffen aus diesem Wald zu entkommen. Noch mehr konzentrierte ich mich auf den Raum. Ich nahm das Leuchten der Kerzen und gedimmten Lichter in mir auf, die hallenden Geräusche des steinernen Bodens, wenn sich jemand auf diesem fortbewegte, das sachte hin und her Schwingen der Vorhänge durch die leichte Zugluft, welche nahezu ständig durch das alte Gebäude wehte. Meine Haut fühlte sich schon fast elektrisiert an. Nochmals atmete ich tief durch, jetzt oder nie. Ich kniff die Augen konzentriert zusammen. Dann schrie ich auf.

Bis(s) Sie Mir Den Letzten Nerv Rauben (Diabolik Lovers FF)Where stories live. Discover now