Kapitel 56 (Planungsprozesse)

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Voller Gemütlichkeit kuschelte ich mich an den kühlen Körper unter mir, genoss die weiche Strickjacke, die sanft meine Wange berührte und so verlockend nach einer erfrischend winterlichen Brise duftete. Ein zufriedenes, leises Seufzen entfuhr meiner Kehle und ich spürte, wie mir leicht durchs dunkle Haar gestrichen wurde. Eine ruhige, tiefe Stimme flüsterte mir von weither zu, schien leise meinen Namen zu wiederholen, riss mich langsam aus dem Land der Träume und brachte mich zurück in die Realität. Grummelnd öffnete ich langsam die Augen, rieb mir aus diesen den Schlaf und setzte mich gähnend auf,
"was denn...".
"Du wirst langsam so schlimm wie ich,"
schmunzelnd blickte mein Freund, auf welchem ich offensichtlicher Weise eingeschlafen war, zu mir auf und strich mir mit kühlen, langen Fingern über die Seiten. Dabei zierte ein leichtes Schmunzeln seine blassen Lippen.
"Das halte ich für ein dreistes Gerücht, ich musste einfach nur Schlaf nachholen, mehr nicht,"
mich ausgiebig streckend stand ich auf und stellte leicht überrascht fest, dass wir uns noch immer in Reijis Arbeitszimmer befanden,
"wo treibt sich eigentlich dein Bruder rum?"
"Hm,"
Shuu wirkte fast so, als würde er nach gewissen Geräuschen lauschen,
"er ist im Esszimmer, die anderen frühstücken wohl gerade."
Skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch,
"das hast du gerade einfach so gehört? Heißt du seit neuestem Dolores oder wie?"
"Zu deiner Information, Fräulein Angeblich-Vampirin, das könntest du genauso gut hören immerhin gehört das zu den normalen übernatürlichen Fähigkeiten eines Wesens der Nacht dazu, und lass das endlich mit diesen Popkulturreferenzen, ich kann damit nichts anfangen,"
gemächlich setzte sich der Blonde auf und strich sich durchs gewellte Haar.
"Vielleicht identifizieren sich meine Ohren noch nicht mit denen einer Fledermaus,"
bemerkte ich schulterzuckend, schlenderte zu Reijis Arbeitsplatz und sah mir fasziniert seine bisherigen Auswertungen an,
"und außerdem war das eine sehr gute Referenz. Bei Gelegenheit sollte ich dich mal auf den neuesten Medienstand bringen, da wären auch interessante Krautrock Stücke für dich dabei, damit du nicht immer denselben Jazzpiano Firlefanz anhören musst."
Seufzend lehnte sich mein Gesprächspartner zurück,
"wieso magst du Jazz nicht?"
"Falsche Frage,"
aufmüpfig verschränkte ich die Arme vorm Brustkorb,
"wieso mag man überhaupt Jazz. Das hat doch null Struktur und jedes Thema wiederholt sich 15 Minuten lang... am Stück."
"Kaida,"
seiner gezwungenen Stimme nach zu urteilen, hatte ihm meine Aussage wohl sogar körperlich wehgetan,
"du meinst damit wohl Freejazz, du Musikbanause. Was ich höre ist komplett anders und außerdem treibe ich mich meistens sowieso nur in der Klassik herum."
"Passt doch, dann wird dir Popol Vuh mit Sicherheit gefallen,"
nun weitaus besser gelaunt ließ ich mich wieder neben ihm nieder und gab dem Blonden einen versöhnlichen Kuss auf die Wange.

Einer Art Verlangen nachgebend hatte ich mich später in dieser Nacht unglaublich unauffällig aus dem Anwesen der Sakamakis geschlichen und mich zum nahegelegenen, dichten Wald begeben. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch schlängelte ich mich an den dicht beieinanderstehenden Nadel- und Laubbäumen vorbei, fühlte mich dabei so als würde ich einer fest geplanten Route folgen. Ich konnte nicht genau sagen, woher dieses seltsame Unwohlsein meiner Magengegend kam. Entweder hatte mein Unterbewusstsein eine schlimme Vorahnung oder - und das war wohl die realistischste Erklärung für mein Wohlbefinden - ich hatte einfach Hunger. Wie dem auch sei, in diesem Moment hatte ich keine Geduld für meine Wehwehchen und setzte zielstrebig den Weg fort. Der Forst lag still und einsam in der ungewohnt milden Dunkelheit da. Die wenigen Tiere, welche sich trauten, diese Umgebung als ihre Heimat anzusehen, hatten sich wohl bereits ins Unterholz verkrochen, um die restliche Zeit bis zum Morgen zu ruhen. In einiger Entfernung nahm ich den vertrauten Ruf einer Eule wahr. Vielleicht war sie aber auch kilometerweit weg, so genau verstand ich die Funktion meiner vampirischen Ohren nun auch noch nicht. Ein leichtes Lüftchen fuhr durch die hohen Baumkronen, brachte die frisch gewachsenen tiefgrünen Blätter zum Rascheln. Für einen Moment blieb ich stehen und schloss die Augen. Ich atmete tief durch und sog die natürlichen Gerüche von Moos, Holz und Mulch in mir auf. Das Spazieren in der Natur hatte wirklich eine beruhigende, fast schon esoterische Wirkung auf mich, ließ mich für den Augenblick alles außerhalb des schützenden Blätterdachs vergessen. Ich genoss diese kurze Zeit der Ruhe in vollen Zügen und hatte das Gefühl mich von allem abzukapseln, wenn auch nur für eine befristete Dauer.
"Jesus Christus!"
Vor Schreck zusammenzuckend machte ich einen großen Satz nach hinten auf eine Lichtung, welche ich gerade eigentlich hatte verlassen wollen.
"Wie kann eine einzelne Person nur so unfassbar laut sein,"
unbeeindruckt stierte mich der unerwartete Bekannte durch seine goldenen Augen an, die untere Hälfte seines Gesichts wie üblich unter einem schwarzen Schal verborgen haltend,
"wie dem auch sei. Gibt es etwas zu berichten?"
"Nun,"
langsam beruhigte sich mein eingebildeter Herzschlag wieder und ich atmete erleichtert tief durch, bevor ich fortfuhr,
"momentan bin ich dabei Shuus und mein Verschwinden nach Brasilien zu planen, damit wir vielleicht mal ein paar Jahrhunderte in Frieden verbringen können. Oh, und ich wollte mir vielleicht eine Katze zulegen, am liebsten eine getigerte... nein warte... noch besser, eine Nacktkatze, die ich dann Nosferatu nennen kann."
Mein Gegenüber blinzelte zwei Mal und erhob dann das Wort,
"ich bin mir ziemlich sicher, dich mit weniger Charakter erträglicher gefunden zu haben, meine Liebe. Ich dachte es wäre ersichtlich, dass meine Frage auf Reijis Forschungsstand bezogen war."
"Und ich hatte wohl einfach die naive Hoffnung, wir könnten uns wenigstens dieses eine Mal auf einer persönlichen Ebene unterhalten,"
seufzend verschränkte ich die Hände hinterm Kopf und blickte hinauf in den klaren Nachthimmel,
"anscheinend haben wir beide uns getäuscht. Aber bevor du mir doch an die Kehle gehst und mich das Zeitliche segnen lässt, werd ich mal nicht so sein und brav Bericht erstatten. Ein Heilmittel gibt es noch nicht, jedoch waren meine Blutkörperchen trotzdem fleißig und haben Antikörper produziert. Somit hat Reiji einen guten Ausgangspunkt mit dem sich bestimmt großartig forschen und entwickeln lässt. Außerdem guckt ihm Shuu über die Schulter und sorgt dafür, dass der Liebe auch gut Feuer unterm Hintern hat. Ihm sollen ja schließlich keine Flüchtigkeitsfehler unterlaufen. Und... hast du mich manipuliert, um hier her zu kommen?"
"Das sind durchaus bessere Neuigkeiten als ich es erhofft hatte,"
der Weißhaarige wirkte ungewöhnlich zufrieden, sogar seine Gesichtszüge wurden für einen Moment sanfter. Irritiert zog ich meine Augenbraue nach oben,
"also... das beantwortet jetzt aber nicht meine Frage."
Carla schien zu schmunzeln, trat näher zu mir und antwortete,
"mein Täubchen, es kann dir doch egal sein ob ich deinen Geist beeinflusse oder nicht. Dich dagegen wehren kannst du so oder so nicht."

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Good evening lords and ladies

Das Gespräch über Jazz ist natürlich frei erfunden und beruht nicht auf einer wahren Begebenheit aus meinem Leben hahaha...
Ansonsten hoffe ich, ihr hattet sehr viel Spaß beim Lesen und wir lesen uns nächste Woche wieder.

Byesilikum!

MaLady

PS: kennt ihr noch witzige Verabschiedungs-Wortspielchen? Haut sie gerne in die Kommentare
Jetzt aber ernsthaft

Paris, Athen, auf Wiedersehen!

Bis(s) Sie Mir Den Letzten Nerv Rauben (Diabolik Lovers FF)Where stories live. Discover now