Kapitel 12 (Stille Wasser sind tief)

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Gedankenverloren lag ich auf meinem Bett und starrte die dunkle Decke an. Irgendwie tat ich das in letzter Zeit ein wenig zu oft, fiel mir auf einmal ein. Aber eigentlich störte mich das nicht wirklich. Hm... wäre ich eine normale Teenagerin, würde ich mich jetzt für den Schulball fertig machen, aber dazu hatte ich gerade echt überhaupt keine Lust. Also nahm ich mir fest vor, einfach hier liegen zu bleiben und... ja... nichts zu tun - außer atmen natürlich. Motivationslos seufzte ich, daraus wird eh nichts, das stand so sehr fest wie die Tatsache, dass ich mit meinen Mitbewohnern eine echte Arschkarte gezogen hatte. Nach dieser Überlegung wog ich erneut meine Möglichkeiten ab und entschied mich für das kleinere Übel. Heute ausnahmsweise mal kuschen und dafür hoffentlich ohne bissreiche Vorfälle den Abend überstehen. So weit war mal wieder meine Theorie. Aber leider sah ja die Wirklichkeit oftmals ganz anders aus.

Mit gespieltem Enthusiasmus schlüpfte ich in mein dunkles, trägerloses Kleid, schloss den Reißverschluss, kämmte meine Haare und band diese mit einem schwarzen Zopfgummi zurück. Nachdem ich das erledigt hatte legte ich mir ein, farblich zum Outfit passendes, Halsband an, lief zu meiner Kommode, schminkte mich dort so wie immer, schlüpfte in ein paar elegante, hochhackige Sandaletten und schnappte mir letztendlich noch eine kleine silberne Clutch. Dann war ich auch schon fertig und das genau pünktlich, als hätte ich es genau so geplant gehabt. Ein besseres Timing konnte man ja gar nicht treffen. Noch ein prüfender Blick in den Spiegel und schließlich aus dem Zimmer, wie es sich für ein Mädchen, das auf einen Ball geht gehört, tänzeln und in die Empfangshalle laufen. Dort warteten natürlich schon alle sechs Vampire.
"Oi, Chichinashi, ist die andere Chichinashi nicht bei dir,"
erhob Ayato seine raue Stimme. Ich verdrehte die Augen, stieg die Treppe runter und sagte
"siehst du sie hier etwa?"
"Tch,"
machte der Grünäugige nur, funkelte mich böse an und teleportierte sich hinfort. Was hatte ich nur für ein Glück, dass diese halbe Portion nicht mein "Date" war.

"Ich erwarte von euch absolutes Benehmen. Eure Verabredungen könnt ihr gerne in euren Zimmern verführen, aber nicht in der Öffentlichkeit, verstanden?"
ermahnte Reiji seine Brüder und blickte bestimmt in die Runde. Allgemeines Gemurmel und Brummen war die Antwort, nicht sehr überzeugend, wenn man mich fragte... und langsam schlich sich das Gefühl in meine Magengegend, dass diese Fahrt mit der Limousine sich eventueller Weise extrem lange anfühlen könnte. Als wir dann endlich das recht hübsch dekorierte Schulgebäude erreicht hatten, wäre ich schon fast viel zu enthusiastisch aus dem Auto gesprungen und musste mich sehr zusammenreißen, nicht den Boden zu küssen. An meinem Vorhaben hinderte mich letztendlich eine Hand, die bestimmt meinen Arm packte und mich mit sich zog. Besagtes Körperteil gehörte niemanden geringeres als einem gewissen blonden Vampir, der anscheinend seine aktiven fünf Minuten hatte. Jetzt ernsthaft, der hatte sich seit meiner Ankunft nicht so viel bewegt wie jetzt. Sekunde... wohin zerrte der mich eigentlich?
"Äh... Shuu? Ich glaub zum Ball geht es wo anders lang,"
meldete ich mich zu Wort und stolperte fast.
"Urusai,"
war das einzige, was seitens meines... ja nennen wir es jetzt mal Entführers... kam. Na super, einer meiner ersten Schulbälle und ich werde von meinem "Date" gekidnappt. War das jetzt eigentlich Karma oder einfach nur ein sehr dummer Zwischenfall? Egal, auf jedem Fall würde gleich mein armer Arm absterben...

Irgendwann erreichten wir die wunderschön angelegte Dachterrasse des Gebäudes und der Vampir ließ mich endlich los.
"Okay, schön, was machen wir jetzt hier?"
fragte ich während ich mir das schmerzende Handgelenk rieb und den jungen Mann, welcher sich seelenruhig im Sitzen an eine Wand gelehnt hatte, anstarrte.
"Was du machst ist mir egal, ich werde schlafen,"
erwiderte er monoton und schloss seine Augen. Das war ja mal wieder typisch. Ich blies meine Backen auf, trat vor den nun anscheinend dösenden Vampir, baute mich zu voller Größe auf und sagte in dem herrischsten Ton, den ich nur hervorbringen konnte
"du denkst jetzt nicht mal im Traum daran zu schlafen. Das kannst du gerne zu Hause machen, aber jetzt, hier und heute definitiv nicht. Sonst kannst du dich auf die Wut einer Frau gefasst machen und glaub mir Freundchen, nichts auf dem gesamten Erdball ist schlimmer als die Wut einer Frau."
"Urusai,"
entgegnete der Blonde, öffnete eines seiner Augen und fuhr nach einer Weile fort
"sing dieses Lied."
"Was...,"
antwortete ich aus allen Wolken fallend, jetzt raffte ich wirklich gar nichts mehr.
„Das Lied von neulich. Sing es,"
sprach mein Gegenüber leise. Ich setzte mich vor ihn und sagte
"warum?"
"Mach einfach...,"
war seine einzige Antwort darauf. Ich verdrehte die Augen und erwiderte
"nein, Shuu. Ich möchte einen triftigen Grund, sonst kannst du das vergessen."
"Deine Stimme...,"
sagte der älteste der Brüder fast lautlos. Ich brauchte einige Sekunden um das überhaupt zu realisieren. War er etwa der Meinung, dass ich singen konnte? Augenblicklich lief ich rot an... das... das war jetzt ein schlechter Scherz, oder?
"Worauf wartest du...,"
riss mich die dunkle, klare Stimme des Blonden wieder aus meinen Gedanken. Ich sah ihn lange an, bis ich mich endlich räusperte und zunächst leise anfing den Text wieder zu geben.

"Übersetz den Refrain,"
forderte mich Shuu auf, als der letzte Ton verklungen war.
"Aber ich hab dir doch schon gesagt, dass das auf Japanisch eher schwierig ist,"
versuchte ich mich aus der Misere zu reden.
"Das ist mir egal. Gib es so gut es geht wieder,"
antwortete er unbeeindruckt und sah mich durch seine klaren blauen Augen an.
"Na schön...,"
sagte ich, überlegte eine Weile und fuhr schließlich fort
"ich will glänzen, so wie ein Stern, ich will scheinen, so hell wie die Sonne am Tag. Und ich tue, als täte mir nichts weh. Ich würde dir gerne alles zeigen, was mich bedrückt, ausmacht, beschäftigt. Bin wie ein Eisberg auf der See... einsam."
"Jetzt verstehe ich...,"
war alles, was der Vampir dazu sagte. Ich blickte ihn unverständlich an und erwiderte
"hä? was verstehst du?"
Ein fast endloses Schweigen erfüllte die dunkle Dachterrasse, bis mein Gegenüber endlich sprach
"weshalb du so gefühlvoll singst."
Nun verstand ich wirklich nur noch Bahnhof. Jedoch konnte ich nicht weiter darüber nachdenken, denn urplötzlich bewegte sich der ansonsten so faule junge Mann und saß keine Sekunde später so da, dass ich nach hinten umkippte und er sich gefährlich nah zu mir herunterbeugen konnte. Unwillkürlich fing mein Herz unkontrollierbar an zu pochen, hatte ich so eine starke Angst vor diesen Vampiren?
"Du fühlst dich so, wie es in dem Text beschrieben ist,"
stellte der Blauäugige fast lautlos fest und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. Was zur Hölle ging hier gerade nur ab!
"Selbst wenn es so wäre, dich interessiert es eh nicht, für dich bin ich nichts weiter als deine Beute, das hast du schon oft genug klargestellt,"
antwortete ich mit gespielter Härte in der Stimme und versuchte den Blonden so ernst wie nur möglich anzusehen.
"Menschen sind so schlecht im Lügen,"
raunte er mir zu, beugte sich noch tiefer zu mir, leckte langsam über meinen Hals und flüsterte in mein Ohr
"was ist, wenn ich meine Meinung geändert habe, Kaida."

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Tschuldigung, durch die Arbeit hab ich lange vergessen zu updaten.
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