Kapitel 43 (Verhängnisvolle Literatur)

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Wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange setzten wir uns kuschend auf unsere zugewiesenen Plätze und trauten es uns nicht zu, auch nur ein Wort zu verlieren. Wieder nahm ich diese erdrückende Atmosphäre wahr, nur dieses Mal konnte ich mir sicher sein, dass diese eindeutig von den beiden jungen Männern zu meiner Rechten und Linken ausging. Sie besaßen eine respekteinflößende, gleichzeitig jedoch auch erhabene, fast schon adelige Aura. Bemüht unauffällig ließ ich meinen Blick immer wieder von einen auf den anderen Vampir und durch den Raum schweifen, die gesamte Szenerie kam mir viel zu fischig vor, als wolle man uns in naive Sicherheit wiegen, bevor man einem, Legenden zufolge, den Dolch durch den Rücken rammte. Mein Verhalten schien nur kurze Zeit unbemerkt zu bleiben, denn kaum wenige Augenblicke später spürte ich einen stechenden Blick seitens meiner Rechten auf mir ruhen. Mich leicht räuspernd wandte ich mich dem Weißhaarigen zu und, versuchend dem durchdringenden Starren seiner goldenen Iris stand zu halten, bemerkte mit einer erstaunlich fest klingenden Stimme,
"ihr habt uns noch gar nicht eure Namen verraten."
Selbstgefällig hob sich der linke Mundwinkel des Schalträgers, kurz senkten sich seine Lider, bevor er mich wieder fest fixierte und schließlich nach einigen Momenten des Schweigens erwiderte,
"Ich heiße Carla und das ist mein jüngerer Bruder, Shin."
Als er letzteren vorstellte, machte er eine leicht nickende Geste in dessen Richtung, weshalb sich unwillkürlich meine Aufmerksamkeit nun auf den rothaarigen Brillenträger heftete. Dieser hingegen schenkte mir ein überraschend breites, fast schon sadistisches Grinsen, wie ich es normalerweise lediglich von Ayato gewohnt war. Ein kühler Schauer huschte meinen Rücken hinunter, das konnte ja nur heiter werden.
   Nach dem Begrüßungsschmaus wurden wir von den beiden Brüdern durch das Anwesen geführt und bekamen die ein oder andere Hausregel mitgeteilt. Auf den ersten Blick hin hätte man fast meinen können, dass diese zwei Vampire um einiges freundlicher und sozialer wirkten als die Sakamakis und Mukamis, jedoch schienen sie auf mich fast schon künstlich nahbar, was mich nicht wenig verunsicherte. Wieder ertappte ich mich dabei, wie ich zwischen den jungen Männern hin und her blickte, anscheinend in der Hoffnung eine kleine Mikrogestik oder noch so geringe Veränderung der Mimik zu erhaschen. Auffälligkeiten entdeckte ich jedoch die gesamte Führung über enttäuschender Weise nicht – und das ärgerte mich viel zu sehr.
"Zum Thema Abendschule,"
erhob ich nach der Erkundungstour das Wort und wollte schon ansetzen meinen begonnenen Satz zu Ende zu führen, wurde aber augenblicklich von der schnarrenden Stimme Shins unterbrochen,
"ihr werdet dort in nächster Zeit nicht auftauchen."
Aha, schoss es mir durch den Kopf, also doch eine richtige Entführung, fast hätte ich ja schon die Hoffnung gehabt, dass dem nicht so war. Man durfte ja wohl noch träumen dürfen.
"Wieso genau habt ihr uns eigentlich... nennen wir es mal nicht Widerspruch entgegennehmend eingeladen,"
hakte ich gleich weiter nach, in der Hoffnung nun eine kleine Mikromimik zu entdecken.
"Wir wollten uns selbst ein Bild der beiden Opferbräute der Sakamakis machen,"
antwortete Carla mit seiner tiefen, kühlen Stimme und sah mich dabei direkt an. Wieder fühlte ich mich von ihm einfach durchschaut, als wäre es für ihn eine Leichtigkeit mich komplett zu lesen, als wäre keiner meiner Gedanken vor ihm sicher. Ich schluckte schwer, versuchte seinem starren Blick ebenso durchdringend standzuhalten, jedoch schaffte ich dies erneut nicht – und ließ, mich geschlagen gebend, meine Lider leicht sinken.

Die Tage begannen sich elendig in die Länge zu ziehen. Die gesamte Zeit über hatte ich nichts zu tun, wartete jeden Augenblick nur darauf, dass Shuu endlich auftauchen würde, um mich zurück zu sich zu holen, jedoch geschah nichts dergleichen. So gut es ging blieb ich auf meinem Zimmer, verließ dieses nur zu den Mahlzeiten, oder wenn ich mir etwas Neues zu lesen organisieren musste und jedes Mal war ich voller Erleichterung, wenn ich keinem der beiden Tsukinamis begegnete. Dies sollte aber nicht bedeuten, dass sie keine Anstalten machten mich mit ihrer Präsenz zu konfrontieren – vor allem Carla begegnete ich nicht selten. Noch immer war ich mir besonders bei ihm nicht sicher, woran ich genau war. Er begegnete mir gegenüber mit einer zuvorkommenden Freundlichkeit, jedoch erreichte dieses Verhalten nie seine Augen, diese blieben durchdringlich und kühl. Noch immer versuchte ich ihn zu lesen, auch wenn er es mir mittlerweile noch schwieriger als am Tag meiner Ankunft in ihrem Anwesen zu machen schien. Ich war zu neugierig, zu wissbegierig um einfach so locker zu lassen. Fast um jeden Preis wollte ich wissen, weshalb sie Yui und mich zu sich geholt hatten – und das würde ich auch herausfinden, je früher desto besser.

An einem ruhigen, fast schon frühlingshaften Abend machte ich mich noch während der Dämmerung auf den Weg zur Bibliothek - mit dem Ziel einen neuen Literaturvorrat in mein Zimmer zu deponieren. Tief meinen Gedanken hingebend durchstreifte ich die Gänge des hoch gewölbten Raumes und zog mal hier mal dort ein Buch aus dem Regal, es überprüfend durchblätternd. Die meisten Schmöker landeten wieder zurück auf ihrem Platz, die wenigen ausgewählten Exemplare legte ich zur vorrübergehenden Aufbewahrung auf einem der vereinzelt platzierten Lernpulte ab. Ein weiteres, altes schon fast vergilbt wirkendes Buch darauf ablegend, wollte ich mich gerade wieder umwenden, um meine Tour fortzusetzen, als ich fast in Carla hineinlief. Wie konnte ich nicht bemerkt haben, dass er direkt hinter mir stand? Reflexartig blickte ich ihm direkt in seine goldenen Augen. Diese schienen nur darauf gewartet zu haben, denn mit ihrer üblichen Kühle sahen sie mir direkt in meine eisblauen. Unwillkürlich schluckte ich schwer und wollte schon zurückweichen, doch die Hand des Weißhaarigen, welche mit einem Mal meine eigene umgriff, hinderte mich daran.
"Was willst du,"
fragte ich mit dem Versuch mutiger zu klingen als ich mich eigentlich fühlte. Ein selbstgefälliges Grinsen schlich sich in das Gesicht des jungen Mannes, er zog mich etwas mehr zu sich, unseren Größenunterschied gekonnt ausnutzend, um noch einschüchternder auf mich herabzublicken,
"findest du nicht es ist etwas unhöflich als Gast, sich nur in seinem Zimmer aufzuhalten und in der Bibliothek des Gastgebers zu schnüffeln?"
"Ich würde es nicht als herumschnüffeln betiteln,"
bemühte ich mich zu kontern,
"sondern vielmehr als erkunden von Wissen. Und meintest du nicht selbst vor ein paar Tagen, dass wir uns dazu frei fühlen sollen, eure Bücher zu durchstöbern."
Ein tiefes, fast schon lautloses Schmunzeln verließ die Lippen meines Gegenübers, als fände er die Unterhaltung äußerst amüsant.
"Du traust dich um einiges mehr als Yui,"
grinste er spottend, lehnte sich dazu leicht zu mir vor,
"das gefällt mir. Ich werde noch viel Spaß mit dir haben, Kaida."
Mittlerweile waren wir fast auf Augenhöhe, sein Gesicht gefährlich nah an meinem, der Geruch seines teuren Eau de Toilettes - wohl eine Mischung aus Wald und Moschus - stieg mir in die Nase, schien mir fast schon die Sinne zu benebeln. Lange schien Carla nun mein Gesicht zu betrachten, bis er mir wieder direkt in die Augen blickte und nun leiser, mit einem fast schon leicht sadistischen Unterton in der Stimme nachsetzte,
"ob das jedoch auf Gegenseitigkeit beruhen wird, ist ganz dir überlassen."

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Ich melde mich aus der Quarantäne, es ist einsam und langweilig hier. Aber ich versuche mit der Musik von Coldplay und meinem Kätzchen das Beste daraus zu machen.

Bleibt gesund und frohe Weihnachten (vielleicht auch noch einen guten Rutsch, je nachdem wieviel ich jetzt bis zum 30. noch schreiben sollte)

MaLady

Bis(s) Sie Mir Den Letzten Nerv Rauben (Diabolik Lovers FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt