Kapitel 36 (Reue)

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„Du hast ihn einfach komplett ausgesaugt... da ist kein Tropfen Blut mehr drin,"
stellte der Weißhaarige trocken fest, setzte den leblosen Körper ab und blickte ausdruckslos zu ihm herab.
„Upps?"
entgegnete ich schief lächelnd, fuhr mir durch die dunklen Haare und richtete meine Aufmerksamkeit ebenfalls Richtung Boden,
„um ihn ist es nun aber auch nicht wirklich schade."
„Pass mit deinen Aussagen auf Kaida, du klingst schon fast nicht mehr wie ein Mensch",
nun sah er mich direkt an.
„Ich bin es jetzt ja auch nicht mehr,"
seinen Blick erwiderte ich trotzig und setzte nach einer kurzen Pause nach
„Shuu wird bestimmt furchtbar enttäuscht sein."
„Hattet ihr denn nicht vereinbart, dass es okay ist, wenn du eine von uns wirst?"
erkundigte er sich.
„Eigentlich schon, aber das heißt noch lange nicht, dass er das mit seinem Gewissen vereinbaren kann, immerhin bin ich jetzt indirekt gesehen tot,"
rechtfertigte ich knapp die Behauptung, während ich meinen Mantel fester um mich schlang,
„können wir den jetzt bitte endlich verschwinden lassen?"
„Gerne, er wird sowieso langsam lästig,"
antwortete der jüngste Sakamaki kalt und trat den leblosen Körper ohne große Mühe die Klippe, an die wir uns gestellt hatten, hinunter. Das Meer rauschte düster, der Mond hing schwer über den dunklen Baumwipfeln des dunklen Waldes, von Weitem hörte man das Klagen einer Eule, ein Windstoß fegte durch die nächtliche Landschaft. Es wurde kalt.
„Du wirst deine Menschlichkeit komplett verlieren,"
stellte er trocken fest.
„Denkst du? Die Mukamis verhalten sich eigentlich auch recht menschlich."
„Das liegt daran, dass sie als Brüder zusammen leben. Du jedoch bist allein unter Vollwertigen. Yui wird dir da auch nicht helfen, dein früheres ich zu bewahren."
Er fuhr sich durch die weißen Haare,
„Shuu würde dich mit Sicherheit dafür umbringen, wenn er könnte."
„Ja genau, wenn. Aber so ist es doch besser, als dass ich einfach sterbe, oder wieder zum Menschen geworden wäre. Vielleicht wird er anfangs ja wirklich wütend oder enttäuscht sein, aber das legt sich wieder,"
meine eisblaue Iris traf auf seine leuchtend rote.
„Deine naiven Gedanken werden dich nicht schützen, Kaida. Er konnte schon Yuma nicht davor bewahren, einer von uns zu werden. Wie soll er es sich also jemals verzeihen, dich nicht beschützt zu haben."
Subaru sah mich mit einer ernsten Miene an,
„selbst wenn er quasi eingewilligt hat, dass du eine von uns wirst... das ändert noch lange nichts an seinen Gefühlen."
Ich schluckte schwer. In meinem Rausch hatte ich nicht ein einziges Mal an Shuu und dessen Sichtweise gedacht. Mein Egoismus schien viel stärker, als ich es jemals einschätzen hätte können, zu sein. Das schlechte Gewissen und ein Gefühl der Schuld überrumpelten mich wie ein D-Zug. Was hatte ich nur getan?

Vom Anwesen der Sakamakis blieb ich an diesem Tag fern. Subaru kehrte mit Anbruch der Morgendämmerung alleine zurück, aber ich... ich verharrte im Wald und verkroch mich in seiner Dunkelheit. Die Gewissensbisse waren zu stark, die Scham zu groß, die Reue zu tief. Er wollte mich vor seinem Schicksal retten, aber ich hatte diese Sorge und Hilfe von mir gestoßen und mit den Füßen getreten. Wenn ich könnte... ich würde dies alles ungeschehen machen. Was brachte mir nun diese Unsterblichkeit ohne die Person, für die ich so viel empfand... die ich so sehr liebte. Ohne ihn... was war ich nur. Eine einsam umherwandelnde, verlorene Seele? Vielleicht. Ohne es zu bemerken hatte ich mir mein eigenes Grab geschaufelt, war durch den Besuch dieser Bar hineingesprungen und mit dem unkontrollierten Blutrausch lebendig von Erde und Dreck verschüttet worden.

„Kaida? Hey, wach auf,"
jemand rüttelte leicht an meiner Schulter. Ich blinzelte einige Male, bis ich endlich meine Augen wirklich öffnete. Verwirrt blickte ich auf,
„Yuma? Was machst du denn hier?"
„Das sollte wohl eher ich dich fragen. Wieso bist du alleine im Wald, das auch noch so nahe an unserem Anwesen und vor allem, warum schläfst du hier einfach so an einem Baum gelehnt?"
bombardierte er mich mit Fragen,
„und was noch wichtiger ist... dein Geruch ist verschwunden."
„Yuma... können wir bitte einfach gehen?"
antwortete ich leise. Der Vampir seufzte, stand dann auf und half mir hoch,
„du bist mir trotzdem Antworten schuldig."
Ich nickte nur leicht bevor er mich mit einem allgemeinen Schweigen zum Haus der Mukamis brachte.
   „Du weißt, dass du reden musst,"
sagte der Großgewachsene recht monoton, jedoch vermittelte er mir genug Fürsorge, indem er mir eine Tasse mit frisch aufgebrühtem Tee reichte und mich dabei besorgt ansah.
„Ich habe alles zerstört,"
murmelte ich leise, während ich dabei beschämt meinen Blick sinken ließ,
„er wollte ein Mittel finden, um mich wieder menschlich werden zu lassen... und was tu ich? Ich vergrab meine Fänge bei der ersten Gelegenheit in einen Menschen und nehme ihm dabei einfach sein Leben... und meines hab ich mir dabei gleich auch noch genommen."
„Wo ist denn das Problem dabei. Die Person kannst du nicht mehr zurück holen und ein Leben als Mensch wäre für dich nun auch nicht mehr erfüllend,"
entgegnete der Brünette mit hochgezogener Augenbraue und deutete auf meine Tasse,
„trink bevor er kalt wird."
Gehorsam nahm ich einen Schluck von der wohltuenden Kräutermischung,
„ich habe sein Vertrauen gebrochen und so egoistisch gehandelt, wie nur Ayato es sonst tun würde. Ich kann ihm nie wieder unter die Augen treten."
„Yah! Denk doch mal nach. Klar, er wird sich Verwürfe machen, weil er das Ganze auf die Sache mit mir damals übertragen wird. Aber er kommt darüber hinweg, immerhin hast du keine Amnesie und was wäre für euch beide wohl schöner. A: Du bist wieder Mensch, alterst während er für immer jung bleibt und stirbst irgendwann vor seinen Augen als alte runzlige Frau, oder B: Du bleibst Vampir und ihr lebt in einer gemeinsamen Ewigkeit für immer an der Seite des jeweils anderen."
„Trotzdem kann ich ihm nicht entgegen treten,"
sagte ich kleinlaut und sah weg.
„Und wie du das kannst,"
grinste mein Gegenüber heimtückisch, nahm mir meinen Tee weg, zog mich einfach von der Couch hoch und teleportierte mit mir in mein altes Schlafzimmer, in welchem bereits eine schwarze Schuluniform für den anstehenden Abend bereit lag.
„Mein Tee!"
rief ich aufgebracht, während ich gleichzeitig wie ein kleines Kind schmollte.
„Urusai, das ist ja nicht auszuhalten,"
hielt er sich die Ohren zu,
„mach dich lieber fertig für die Schule, es dämmert schon."
„Und wieder einmal frage ich mich, was mit diesen Vampiren nicht richtig läuft. Der eine sammelt Wachsfiguren und der andere hat anscheinend eine Sammlung an Schuluniformen,"
brummte ich nahezu lautlos vor mich hin, nachdem ich den Lulatsch behutsam aus dem Raum geschoben hatte und mich nun mit recht wenig Motivation umzog.

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Sorry, dass so lange nichts kam.
Das hier ist das letzte der vorgeschriebenen Kapitel, weshalb evtl bis Ende Mai nichts mehr kommen könnte.

See ya

Bis(s) Sie Mir Den Letzten Nerv Rauben (Diabolik Lovers FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt