Kapitel 59 (Fahnenflucht)

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Yui kehrte einige Monate später in das Herrenhaus der Sakamakis zurück und von diesem Zeitpunkt an schien ihr Ayato keine Sekunde mehr von der Seite zu weichen. Normalerweise hätte mir das Mädchen leid getan, jedoch schien sie die Aufmerksamkeit des Vampirs in vollen Zügen zu genießen und eine gewisse Vertrautheit ging von den beiden - nun anscheinend Turteltäubchen - aus. Reiji hatte sich kein Stück verändert, kommandierte alle weiterhin herum und fühlte sich wie ein feiner Herr von Welt. Kanato trug seinen geliebten Teddy noch immer mütterlich von A nach B, löste bei mir mit seiner leicht psychopathischen Ader nach wie vor eine gewisse Nervosität aus. Subaru kümmerte sich den gesamten Sommer über aufopferungsvoll um seine Blumenbeete und ließ seine Aggression immer weniger an armen, unschuldigen Wänden aus. Laito und ich hatten unseren Streit nach wie vor nicht beiseite gelegt, gingen uns demnach bestmöglich aus dem Weg. Ruki verhielt sich unverbesserlicher Weise weiterhin wie ein zweiter Reiji. Kou versuchte mir bei jeder Gelegenheit ein Absetzen nach Brasilien unschmackhaft zu machen - anscheinend hatte mein letztes Kidnapping bei ihm eine Posttraumatische Belastungsstörung oder Verlustängste ausgelöst. Azusa vergrößerte noch immer seine skurrile Messersammlung und Yuma verdonnerte mich den Sommer über dazu, ihm in seinem Garten zu helfen. Kurz gesagt, es war alles so, wie es schon immer gewesen war.

"Hast du eigentlich nochmal etwas von den Tsukinamis gehört?"
nachdem der Brünette ein paar frische Äpfel in den Korb, welchen ich freundlicher Weise für ihn hielt, gelegt hatte, machte er sich daran auch die Letzten aus der Baumkrone zu pflücken.
"Nope, und das ist auch wirklich gut so. Auf so viel unnötigen Stress kann ich gut und gerne verzichten,"
sehnsüchtig blickte ich die leuchtend roten Leckereien in meinen Armen an und leckte mir über die Lippen,
"eine wirklich gute Ernte ist das wieder geworden."
"Natürlich ist sie das, immerhin bau ja auch ich das alles an,"
ein stolzes Grinsen schlich sich in das Gesicht des Lulatschs während er noch drei weitere Äpfel in den Korb legte,
"das wars auch schon."
"Dann darf ich mir jetzt drei oder vier nehmen?"
zuversichtlich wackelte ich mit den Augenbrauen und sah mein Gegenüber hoffnungsvoll an.
"Untersteh dich,"
widersprach mir dieser ganz dreist,
"aus denen backt Ruki einen Apfelkuchen. Also wirst du deine Verfressenheit schön bleiben lassen."
Grummelnd schmollte ich vor mich hin und murmelte,
"ich bitte dich, mit so vielen Äpfeln kann der mindestens ein Dutzend Kuchen backen."
"Sei nicht so vorlaut,"
der Vampir gab mir einen freundschaftlichen Knuff in die Seite und teilte mir dann gestikulierend mit, ihm zurück zum Anwesen der Mukamis zu folgen. Nachdem wir dort angekommen waren, klaute ich mir doch noch ein paar der roten Leckereien und flüchtete - ein ziemlich erboster Yuma folgte mir die Hälfte des Weges - zurück zur Villa der Sakamakis.

"Vater hat eine neue Kreatur erschaffen und möchte sie nächsten Vollmond zu uns schicken,"
Reiji richtete nahezu gebieterisch das Wort an die Runde, als wir uns wie üblich zum abendlichen Mahl im Esszimmer eingefunden hatten.
"Und hat er auch gesagt, was genau es ist?"
Ayato blickte seinen Halbbruder nicht gerade freundlich an, den Arm possessiv um Yui, die er nach wie vor dauerhaft zu beschatten schien, gelegt.
"Soweit ich weiß, soll es eine Art Phönix sein, nur in der Form eines anderen, herkömmlichen Tieres, wenn nicht sogar einer Katze,"
antwortete der Brillenträger stoisch, das Starren des Jüngeren offensichtlich ignorierend. Wie aufs Kommando blickten Shuu und ich uns direkt in die Augen. Vielsagend zog ich die linke Augenbraue hoch, legte dabei meinen Kopf schief um der stimmlosen Aussage mehr Nachdruck zu verleihen. Der Blonde verdrehte daraufhin leicht seine ozeanblaue Iris, nickte aber gemächlich und lächelte dann sanft aufgrund meiner lautlos, erfreuten Reaktion. Nach dem gemeinsamen Essen verzog sich jeder in seine privaten Gemächer zurück. Ich jedoch marschierte in die Küche, um mir noch einen Espresso für die gute Verdauung zu machen und mir einen der sehr heldenhaft erbeuteten Äpfel zu genehmigen. Als ich gerade die frisch aufgebrühte Flüssigkeit in eine hübsch verzierte Tasse, welche ich bestimmt nicht Reiji abgeluchst hatte, gießen wollte, hämmerte es gegen das Eingangsportal. War das etwa der Klopfmechanismus gewesen, den man angeblich bei meiner Ankunft vor über zwei Jahren nicht gehört hatte? Dafür war er aber ganz schön laut.
   Stirnrunzelnd öffnete ich die Tür, für die sich wohl keiner der sechs Brüder geschweige denn Yui verantwortlich zu fühlen schien. So langsam erkannte ich hier ein Muster. Es schien wohl vollste Absicht zu sein, Besucher einfach so stehen zu lassen und diese durch fiese Tricks dann letztendlich doch in die Villa zu locken. Falls jetzt gleich eine weibliche Person vor mir erscheinen sollte, würde ich dieser hysterisch zu verstehen geben, einfach so fix wie möglich das Weite zu suchen. Sonst würde ihr es noch so ergehen wie mir, und sie müsste für immer mit einer Schlaftablette und ihren fünf Brüdern mit besonderen Bedürfnissen verbringen. Zu meinem Bedauern stand aber kein Mädchen vor mir und so schluckte ich meinen Anfall schnell wieder hinunter. Misstrauisch blickte ich nun also in die stechend roten Augen eines schwarzhaarigen jungen Mannes, welcher kaum älter als sechzehn Jahre sein konnte. Unwillkürlich musterte ich ihn genauer. Die Haare fielen ihm auf eine rebellische Art und Weise wirr ins Gesicht, wirkten sehr widersprüchlich zu seinem gepflegt, fast schon adelig wirkenden Kleidungsstil. Er war, wenn überhaupt, sieben Zentimeter größer als ich, schien durch die jungen Züge jedoch wesentlich drahtiger und spitzbübisch, fast schon bubenhaft. Etwas an der ganzen Sache kam mir ziemlich fischig vor. Das komplette Auftreten dieser Person schrie nahezu Vampir, ließ in meinem Kopf sämtliche rote Flaggen schwenken und Alarmglocken läuten.
"Hm... kann ich dir irgendwie helfen?"
noch immer beäugte ich mein Gegenüber kritisch, war unwillkürlich bereit im Notfall die Flucht zu ergreifen, oder ihm zumindest gegen die Nase zu boxen. Der Rotäugige grinste nun breit, zeigte mir dabei seine spitzen Eckzähne,
"mein Name ist Kino Sakamaki, wenn du nun also freundlicher Weise mit mir kommen würdest. Ich habe große Dinge mit dir vor."
"Oh, definitiv nicht,"
ich schlug ihm die Tür vor der Nase zu und rief dann laut,
"Shuu, pack deine Sachen! Es reicht jetzt endgültig! Wir setzen uns nach Brasilien ab! Und. Zwar. JETZT!"

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So rein hypothetisch betrachtet, hättet ihr denn vielleicht Vorschläge für das ein oder andere Special dieser FF? :)

Ansonsten geht das Büchlein nächsten Sonntag in die Finale Runde mit einer richtig dicken Danksagung :)

Küsschen aufs Nüsschen und noch einen schönen sonnigen Sonntag euch!

MaLady

Bis(s) Sie Mir Den Letzten Nerv Rauben (Diabolik Lovers FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt