Kapitel 31 (Zwiespalt)

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Ene Mene Muh... zählte ich gedanklich ab und ließ dabei meinen Blick von einem Schüler zum anderen schweifen, während sich mein Zeigefinger automatisch mitbewegte. Einer von diesen dreien würde mein Opfer werden, nur wer?
"Was auch immer du da tust, es sieht nicht gerade intelligent aus,"
riss mich plötzlich eine kalte Stimme aus meinen Gedanken. Ich zuckte minimal zusammen, fuhr herum und stierte in Rukis eisige Augen,
"erschreck mich nicht so! Ich bin immerhin auf der Jagd."
Bei der letzten Aussage legte ich einen Finger an die Lippen und gab so zu verstehen, dass es sich um eine sehr geheime Angelegenheit handelte.
"Du willst also einen Jungen vor den potenziellen Augen deines Meisters aussaugen? Dir fehlt es wohl an Verstand, Kachiku,"
entgegnete der Blauhaarige gewohnt monoton und sah zu mir herab.
"Das ist nicht ganz richtig,"
fing ich an und fuhr fort,
"erstens, Shuu ist nicht mein Meister sondern eher so etwas wie... mein fester Freund. Und zweitens, was fällt dir eigentlich ein mich Kachiku zu nennen du Schlumpf! Ich bin ja auch nie durch die Weltgeschichte gelaufen und hab euch Vampirchen Konchū geheißen."
Anscheinend hatte ich mit meinem Konter einen Nerv getroffen, denn die Muskeln meines Gegenübers spannten sich sofortig an und der älteste Mukami zischte
"du begibst dich gerade auf sehr dünnes Eis, minderwertiges Mädchen."
"Ich hab dich auch wahnsinnig lieb Ruki,"
sagte ich keine Spur freundlicher, drehte mich genervt von ihm weg und lief einfach davon.

Seit mir Subaru vor gut... einer Stunde erzählt hatte, dass meine Verwandlung unvollständig war, versuchte ich schon fast verzweifelt irgendjemanden zu finden, den ich beißen könnte. Aber genau das bekam ich anscheinend nicht auf die Reihe und das frustrierte mich zutiefst. Mein Problem war nicht einmal, dass ich zu wählerisch oder sonstiges war, nein, es war so, als würde sich jedes Mal, wenn ich kurz davor war jemanden zu umgarnen, so etwas ähnliches wie eine Blockade in meinem Gehirn breit machen. Anscheinend war ich nicht sadistisch genug, um eine mir eigentlich total fremde Person einfach auszusaugen - Gratulation an mich. Yui wollte ich auch nicht unbedingt beißen, immerhin bedienten sich an ihr schon genügend Vampire und außerdem stand ich nun wirklich nicht auf Yuri-Action... auch wenn es nur ums Bluttrinken gehen würde. Naja... dann würde ich wohl als unvollendete Halbvampirin von dieser Welt gehen... das war mir mittlerweile auch egal. Durch meine ganzen Gedankengänge schaltete ich meine komplette Umwelt ab und bemerkte deshalb nicht einmal, dass ich mittlerweile schon wieder auf dem Dach stand und Löcher in die Luft starrte.
"Unnützes Anhängsel des Nichtsnutzes,"
riss mich plötzlich eine dunkle Stimme aus meinen Gedankengängen,
"wir verlassen gleich die Einrichtung."
Langsam drehte ich mich um, blickte in Reijis lilafarbene Augen und erwiderte
"du bist doch schlau, oder?"
"Wenn du das noch fragen musst, zweifle ich wirklich an deinem Verstand,"
entgegnete der Brillenträger ein wenig zu selbstsicher, weshalb ich leicht genervt seufzte.
"Stimmt es, dass die Umwandlung in einen Vampir erst vollständig ist, wenn man Blut von einem Menschen getrunken hat?"
lenkte ich schnell ein, um nicht aus Versehen eine beleidigende Bemerkung auszusprechen. Mein Gesprächspartner zog eine seiner Augenbrauen hoch und antwortete
"das ist richtig, aber wer hat dir diese Information gegeben?"
"Das tut jetzt nichts zur Sache,"
sagte ich, fuhr mir ein wenig zu forsch durchs lange Haar und setzte nach
"warum bin ich nicht in der Lage, Menschen auszusaugen... ich... ich mein bei Shuu hat es funktioniert aber warum klappt es bei normalen Wesen nicht...".
Für ein oder zwei Sekunden sah mich der Schwarzhaarige nur an, dann jedoch brach er in lautstarkes, gehässiges Gelächter aus und schenkte mir einen triumphierenden wie auch einschüchternden Blick.
"Mir scheint, als hätte dir dein Meister verboten von anderen zu trinken,"
erhob der Rotäugige wieder seine Stimme, nachdem er sich beruhigt hatte, trat direkt vor mich, hob mein Kinn an und grinste sadistisch
"anscheinend bist du für deinen geliebten Shuu doch nicht mehr als nur ein kleines Spielzeug zum Zeitvertreib."
   Ohne jegliche Vorwarnung schlug ich die Hand des jungen Mannes weg und funkelte ihn fuchsteufelswild an,
"was fällt dir ein so einen Scheiß zu behaupten!"
Mein Gegenüber strich sich nur die Haare aus dem Gesicht und antwortete seelenruhig
"pass auf mit wem du dich anlegst, minderwertiges Geschöpf."
Okay, langsam wurde ich wirklich wütend. Was bildete sich dieser Möchtegerngentleman eigentlich ein!
"Warum zum Teufel sollte mich Shuu nur als Spielzeug benutzen, was bringt ihm das bitte!"
entgegnete ich zwar laut, aber dennoch erstaunlicherweise besonnen, immerhin tobte es in mir drinnen schon vor Wut.
"Er ist ein sadistischer, egoistischer Vampir. Ihr Menschen seid für Unsereins so viel wert wie ein mickriges Insekt. Es bereitet uns sehr viel Freude, euch zu quälen, töten oder auch nur mit euren schwachen Gefühlen zu spielen,"
erklärte der Schwarzhaarige kühl, packte mich an der Schulter und donnerte mich mit voller Wucht gegen den hohen Eisenzaun der Dachterrasse.
"Aber... ich bin kein Mensch mehr...,"
stieß ich mit bebender Stimme hervor. Was war nur los mit mir, warum blieb ich so ruhig obwohl es in mir loderte, als wäre mein Inneres die Hölle persönlich.
"Und du bist auch kein Vampir. Um genau zu sein bist du gar nichts, du wandelst zwischen tot und lebendig sein,"
grinste der Brillenträger amüsiert, beugte sich zu mir vor und flüsterte mir ins Ohr
"und lange wird dein zerbrechlicher, sterblicher Körper dieser Belastung nicht mehr stand halten können."
   Langsam wurden meine hellen Augen gläsern und einzelne Tränen begannen sich zu bilden. Konnte es wirklich sein, dass Reiji recht hatte? Dass ich für Shuu und auch für die anderen Vampire – Mukamis und Sakamakis – nicht mehr als nur ein Spielzeug zum Zeitvertreib war? Aber... warum hatten mich Yuma und Shuu dann vor Laito gerettet... weshalb war Shuu sogar zum Mukami Anwesen gekommen, um mir vor Karl Heinz' Vorhaben zu erzählen? Das... das konnte doch alles nicht einfach so gespielt gewesen sein, oder?
"N...nein... hör auf Reiji, hör endlich damit auf verdammt!"
erhob ich endlich meine Stimme, wand mich aus dem eisernen Griff des Größeren und funkelte ihn mit glänzenden Augen an,
"ich glaube dir kein Wort!"
Der Schwarzhaarige grinste mich jedoch nur provozierend an,
"dann lauf weiterhin in dein Verderben, dummes Gör."
Wütend ballte ich meine Hände zu Fäusten, drehte mich entschlossen um und stapfte mit schnellen Schritten zurück ins Schulgebäude.
   Als ich mir sicher war, dass mir der Möchtegernbenimmtrainer nicht gefolgt war, bog ich in irgendeinen Gang ein, lehnte mich gegen die kühle Wand und rutschte an dieser langsam hinab. Danach schlang ich meine Arme um die Beine und bettete den Kopf auf meine, von langen schwarzen Strümpfen umhüllten, Knie. Gegensätzlich zu meinem selbstbewussten Abgang hatte sich in meinem Unterbewusstsein ein gigantischer Zwiespalt aufgetan. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, wem ich Glauben schenken konnte. Vielleicht logen mich letzten Endes alle nur an und ich stand, wie Anfangs auch, alleine da... alleine gegen kalte, herzlose, sadistische Vampire, die mich nach wie vor nur als Beute betrachteten. Dabei hatte ich wahrhaftig das Gefühl gehabt, dass Shuu mich mögen würde... und das hatte ich immer noch. Aber... warum zum Teufel verschwieg er mir dann so vieles, weshalb verbot er mir das Trinken von anderen? Konnte ich dem Blonden wirklich vertrauen?

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School and work'll be my death...

Bis(s) Sie Mir Den Letzten Nerv Rauben (Diabolik Lovers FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt