Kapitel 41 (Nacht)

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Was soll ich schon sagen? Langsam begann ich mich in diesem doch nicht ganz so gigantischen Herrenhaus der sechs neureichen Vampirchen zu langweilen. Ohne die Angst, eigentlich jeden Moment von jemandem angefallen und ausgesaugt werden zu können, wandelte sich das Erlebnis mit den Brüdern zu einer Art faden Alltag, welchem schon vor langem der Rest an Luft ausgegangen war, um. Shuu schlief. Ayato redete von Ore-sama. Laito versuchte seine perversen Gedanken auszuleben. Reiji tadelte. Kanato redete mit Teddy. Subaru schlug auf Wände ein. Selbst Yui schien einem festen Ablauf des Tages nachzugehen. Es wirkte so, als wären die Sakamakis in ihrer ständigen Routine eingefahren und als hätten sie den Drang, ebendieser unentwegt nach zu gehen. Stunde zu Stunde. Tag zu Tag. Woche zu Woche. Und schließlich auch Monat zu Monat. So verflog die Zeit dahin, ohne dass sich etwas zu ändern schien und mir kam jeder Moment in dieser Villa immer länger und breitgezogener vor. Langsam merkte ich, wie ich selbst in einer Routine festfuhr. Die Hälfte des Tages verschlief ich. Nachmittags besuchte ich meistens die Mukamis, wenn nicht schlug ich die Zeit im Musikzimmer oder der Bibliothek tot. Abends ging ich in die Schule. In der Morgendämmerung schlief ich, den Kopf in Shuus Armbeuge gebettet, ein.

Ich seufzte und blickte zur Uhr. Schon wieder war die Zeit im Klassenzimmer fast zu Ende. Eine weitere Nacht näherte sich dem Sonnenaufgang. Erneut war ein Tag einfach so vergangen. Es war ruhig. Seit Monaten war es ruhig um das Anwesen der Sakamakis. Fast schon würde ich mich trauen zu behaupten, dass es schon nahezu zu ruhig war. Verschreien wollte ich jedoch nichts. Nicht, dass doch noch etwas Unerwartetes geschehen würde und mich aus der eingefahrenen Routine riss.
"Lass uns heute nicht mit den Anderen einfach nach Hause gehen,"
Yuma war neben mir aufgetaucht und blickte mich vielsagend an. Mit leicht hochgezogenen Augenbrauen sah ich zu ihm auf,
"wie kommst du denn auf diese abwegige Idee?"
"Mir ist aufgefallen, dass du seit Tagen ein Gesicht ziehst wie hundert Jahre schlechtes Wetter. Also, was sagst du? Wir können auch dein Faultier von Freund mitnehmen, wenn es dich glücklich macht,"
erwiderte der Lulatsch und wuschelte mir durchs Haar. Seufzend nickte ich,
"meinetwegen, hast du was Bestimmtest geplant?"
"Wir ziehen einfach mal um die Häuser und sehen, was uns so erwartet. Wir treffen uns in fünf Minuten oben auf dem Dach."
Nach diesen Worten ließ mich der Brünette einfach so zurück. Hieß das, ich durfte jetzt ganz allein meinen schläfrigen Freund suchen und zu einer richtigen Tätigkeit anstiften? Das konnte ja nur heiter werden. Aber vielleicht hatte ich ja auch Glück und das Blonde Häufchen Elend... ich meinte natürlich purer Enthusiasmus und Frohsinn... hielt sich, wie immer, im Musiksaal dieser etepetete Schule auf.

"Verstehe ich das richtig,"
der Blonde sah Yuma mit einem schläfrigen und zugleich sehr spöttischen Blick an,
"du dachtest dir einfach spontan, dass du keine Lust hast zu dir zu gehen und hattest nichts Besseres zu tun, als Kaida und mich in deinen kleinen Plan mit hinein zu ziehen. Und das, ohne überhaupt auch nur irgendeine Art von Plan zu haben."
Zu sagen, dass eine leichte Überraschung Yumas wie auch mein Gesicht prägte, wäre untertrieben gewesen. So viel und vor allem in so einem strammen Redefluss hatte sich mein werter Freund selten ausgedrückt. Etwas verlegen räusperte sich der Lulatsch, strich sich die langen Haarsträhnen, welche nicht in seinem adretten Dutt Platz gefunden hatten, zurecht und antwortete
"so ganz würde ich dem nicht zustimmen. Immerhin war ich ja eben schon so weit, euch in mein Vorhaben mit ein zu beziehen, zu dritt hat man immerhin mehr Spaß als allein. Jetzt stellt sich nur noch die Frage, auf was ihr Lust habt,"
Shuu machte den Eindruck etwas sagen zu wollen,
"und nein, schlafen ist kein Vorschlag."
Ich überlegte kurz,
"wie wäre es, wenn wir in den Wald gehen, uns ein einsames Opfer suchen und unseren Spaß haben und auch nebenbei gleich unseren Hunger stillen."
"Kaida nein,"
erwiderten die jungen Männer wie aus einem Munde und sahen mich mit scharfen Blicken an.
"War ja nur ein Vorschlag,"
gab ich kleinlaut zurück und spielte verlegen mit meinen Haaren. Shuu seufzte und gab mir einen lieb gemeinten Klaps auf den Hinterkopf,
"Kompromiss. Ja zum Wald, nein zum Aussaugen fremder Menschen. Erstens wissen wir zu was es bei dir beim letzten Mal geführt hat, zweitens wissen wir nicht, wie das Blut des Betroffenen schmeckt oder was genau darin ist und drittens würde es so oder so gegen jegliches unserer Prinzipien verstoßen. Wenn wir einfach so minderwertige Wesen anfallen, sind wir doch nicht besser als Werwölfe."
"Also auf zum Wald? Yay,"
entgegnete ich lediglich grinsend, nahm die Beiden an den Händen und machte mich mit ihnen auf den Weg zum nahegelegenen Forst.
"Sag mal, hat sie dir überhaupt zugehört?"
Yuma sah stirnrunzelnd den Blonden an, welcher die Augen rollte,
"natürlich nicht, typisch für sie."

Wir hatten es uns unter einem Baum gemütlich gemacht. Jeder saß auf einer Seite, die Beine von sich gestreckt und einen anderen Winkel des Waldes betrachtend. Yuma hatte uns aus seinem Garten frische Äpfel organisiert, welche wir mit Genuss verspeisten und reihum steuerte abwechselnd jeder von uns etwas zu dem gerade vor sich hinfliegenden Gespräch bei. Es war eine angenehme Runde, eine frühlingshafte Brise hob die Gemüter sichtlich an und vertrieb die, noch vom Winter übergebliebenen, tristen Gedanken.
"Wisst ihr,"
fing Yuma an und legte eine kunstvolle Pause ein, bevor er fortfuhr,
"das gerade erinnert mich an die Zeit, als Shuu und ich noch Kinder waren. Wir trafen uns oft am späten Abend oder nachts im Wald und saßen so zusammen, wie wir drei hier jetzt gerade, unter einem Baum, teilten uns ein paar Äpfel und erzählten uns Geschichten. Es war eine schöne Zeit damals, so unbeschwert und leicht, davon ist leider wenig bis gar nichts übergeblieben."
Shuu nickte verstehend,
"ich erinnere mich auch, wie könnte ich denn auch meinen ersten richtigen Freund und die damit verbundenen Erlebnisse vergessen. Wir haben viel zusammen erlebt."
"Gott seid ihr sentimental,"
ich verdrehte die Augen und biss von meinem Apfel ab,
"ihr benehmt euch wie richtig alte Männer, wenn ihr jetzt damit weiter machen wollt, geh ich mir in der Zeit die Füße vertreten. Ich brauch keinen Grandpa-Talk."
Somit stand ich auf und ging ein Stück fort, vielleicht gab es ja etwas Interessantes zu erkunden.

Sichtwechsel: Shuu

Yuma und ich waren in einen bemerkenswerten Redefluss geraten, anscheinend hatten wir nach den Jahrzehnten der Amnesie und des Schweigens doch das ein oder andere nachzuholen und zu besprechen. Fast schon war ich Kaida dankbar, dass sie – auf ihre spezielle Art und Weise, ohne sich ihre wahren Absichten anmerken zu lassen – uns diese Privatsphäre zugestand und wirklich respektierte. Dieses Verhalten schätzte ich an ihr, es unterschied sie von den meisten Exemplaren dieser menschlichen Generation.
"Shuu? Hörst du überhaupt noch zu?"
unterbrach mich Yuma in meinen Gedanken.
"Oh,"
machte ich ein wenig ertappt,
"entschuldige, ich war gerade in Etwas vertieft."
"Und ich dachte schon, du wärst einfach eingeschlafen,"
der Brünette lachte leise,
"das würde unverwechselbar zu dir passen."
Ich verdrehte die Augen,
"was hattest du gesagt."
Mein Gesprächspartner amüsierte sich noch ein wenig mehr durch meine wohl genervt klingende Aussage, bevor er letztendlich antwortete,
"ich hatte dich gefragt, ob du dich noch an den Ball in eurem alten Anwesen erinnerst, zu dem du mich damals mitgenommen hattest."
"Natürlich,"
erwiderte ich,
"es war mir eine der wohl schö...".
Mein Satz wurde durch einen hohen, spitzen Schrei unterbrochen. Mir rutschte das nichtschlagende Herz fast in die Hose, sofort war ich aufgesprungen. Yuma stand binnen eines Augenblicks direkt neben mir,
"war das...?"
"Ja,"
erwiderte ich todernst,
"das war Kaidas Stimme."

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Werte Ladys, Werte Lords,

Ich hoffe, euch hat dieses neue Kapitel gefallen, lasst mir diesbezüglich gerne Feedback da. Ausnahmsweise hab ich in diesem Part mal einen vielleicht etwas anderen Schreibstil ausprobiert, nach der guten "Frau Jenny Treibel" war ich wohl etwas zu sehr im Realismus gefangen. (Studiert niemals Germanistik, wenn ihr nicht so weird enden wollt wie ich.)

Das war mit Sicherheit bis August das letzte Update zu dieser Geschichte, denn die Klausurenphase rückt mit jedem Tag näher... und in Zeiten von Corona wird sie noch viel gefährlicher und Kräfte raubender als sie es eh schon immer war.

Ich wünsch euch was

euer unter großem Stress leidender MöchtegernautorIn

Bis(s) Sie Mir Den Letzten Nerv Rauben (Diabolik Lovers FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt