Kapitel 50 (Bruch)

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"Wie kann es eigentlich sein, dass mein Bruder dich einfach so noch immer hier herumstolzieren lässt, als wärst du kein minderwertiger kleiner Vampir,"
die Worte fast schon aggressiv aus dem Mund spuckend stellte sich der rothaarige Brillenträger mir direkt gegenüber und blickte einschüchternd auf mich herab. Zumindest wünschte ich mir fast schon, sein Starren hätte einen wirkungsvollen Effekt erzielt, doch im Gegensatz zu Carla strahlte Shin weniger eine gewisse Erhabenheit und gebieterische Aura aus. Er erinnerte mich eher an ebendiesen kleinen Bruder, der unbedingt so auftreten wollte wie sein Idol. Mir fiel es deshalb also nicht besonders schwer, seinem Blick standzuhalten - unangenehm war es trotzdem - und antwortete ruhig,
"da müsstest du ihn wohl selbst fragen, ich bin da nämlich leider genauso ratlos wie du."
"Oh, du bist wirklich so unverschämt und wagst es dich mit mir zu vergleichen?"
mit leicht brodelnder Stimme kam er nun noch einen Schritt näher auf mich zu, drang somit in meine Intimsphäre ein. Mir unangenehm auf die Innenseite meiner Backe beißend wich ich gut einen Meter zurück, bevor ich selbst wieder beschwichtigend die Stimme erhob,
"das war definitiv nicht meine Absicht. Nur hab ich absolut keine Ahnung was Carla überhaupt vorhat, vor allem bezüglich mir. Dementsprechend kann ich dir wirklich nicht weiter helfen."
Mein Gegenüber schien tief durchzuatmen, ballte kurz die Hände zu Fäusten, ließ diese dann wieder locker und antwortete schließlich etwas ruhiger,
"trotzdem musst du etwas Besonderes an dir haben, sonst hätte dich Carla-san definitiv nicht am Leben gelassen. Wir können den Geruch von Vampiren nicht ausstehen... dennoch...".
Er atmete nun etwas hörbar durch die Nase ein, als würde er in der Luft nach etwas schnuppern,
"ein leichter Duft von Lilienblüten haftet noch immer an dir. Schon fast wäre es verlockend herauszufinden, ob dieser süßliche Geschmack noch in dir vorhanden ist, jedoch schmeckt das Blut deiner Spezies für unsereins nach abgestandenem Brachwasser."
"Interessant,"
brach ich ohne großartig nachzudenken hervor,
"für mich hat Carlas Blut erstaunlich süß geschmeckt, also zwar nicht so hinreißend wie Shuus, aber dennoch gut."

Für einen Moment herrschte komplette Stille. Meine Sinne begannen zu arbeiten, ein Kribbeln durchzuckte meinen Körper als hätte er eine Art Déjá-vu Erlebnis. Ich bemerkte Shins vorschnellende Faust bevor er überhaupt richtig zum Schlag angesetzt hatte und duckte mich blitzschnell um auszuweichen. Von meinem unvorhersehbaren Manöver gleichermaßen überrascht blickten wir uns für einen Augenblick verdutzt an. Dann setzte der Rothaarige zu einem weiteren fixen Hieb an, welcher dieses Mal nicht verfehlte, direkt am Kiefer traf und mich benommen einige Schritte zur Seite taumeln ließ. Vor Schmerz kniff ich fest die Lider zusammen, hielt mir reflexartig die pochende Stelle um sicher zu gehen, dass der Knochen nicht doch gebrochen war. Lange Zeit zum Erholen blieb mir nicht, da ich schon den nächsten Schlag auf mich zukommen hörte. Unbeholfen machte ich einen kleinen Satz zurück, entkam dabei zwar knapp Shins rechtem Haken, welcher ohne Zweifel einige meiner linken Rippen getroffen hätte, jedoch verlor ich dafür das Gleichgewicht und landete unsanft auf dem Boden. Das Ziehen im Kiefer hatte ich längst vergessen. Ungläubig, wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange, stierte ich den rothaarigen Dämon an, konnte dabei noch immer nicht begreifen wieso er mich plötzlich angegriffen hatte.
"Ihr Vampire seid so lächerlich, du hast nicht den Hauch einer Chance gegen ein First Blood wie mich,"
mit einem sadistischen Grinsen auf den Lippen packte er mich am Revers, hob mich mit Leichtigkeit vom Boden auf und schmetterte mich nahezu - die Hand nun um meinen Hals gepackt - gegen die nächste Wand. Mir entfuhr ein jämmerlicher Schmerzenslaut, unterdrückt durch den fehlenden Luftaustausch der Atemwege.
"Wie kannst du es nur wagen, so etwas lächerliches zu behaupten! Mein Bruder würde niemals ein Mischwesen wie dich von seinem Blut trinken lassen! Selbst wenn es dein mickriges Leben retten würde! Du wirst für deine Unverschämtheit büßen!"
Shins Wut war auch ohne seine Mimik zu erkennen mehr als deutlich in der Stimme hörbar. Eine Antwort meinerseits konnte er nun jedoch nicht mehr erwarten, da ich mit allen Mitteln versuchte noch irgendwie durch Mund und Nase zu atmen. Meine Beine strampelten dabei hilflos in der Luft. Auch wenn er - genauso wie Carla - einen körperlich eher drahtigen, schlanken Eindruck vermittelte, er war um einiges stärker als gedacht. Seine Hand hatte sich eisern um meinen Hals gelegt und würde er auch nur noch einen weiteren Bruchteil seiner eigentlichen Stärke aufwenden, wäre es für ihn mit Sicherheit eine Leichtigkeit mir das Genick zu brechen. Wer hätte gedacht, dass mein erstes richtiges Aufeinandertreffen mit dem Rothaarigen so enden würde? Es glich einem Wunder, dass Yui überhaupt noch lebte. Obwohl... sie war nicht so leichtsinnig und vorlaut wie ich, was ihr wohl schon öfter das Leben gerettet hatte. Die Luftreserven in meinem Körper wurden knapper, ein immer lauter werdendes Rauschen durchzog meine Ohren und die Sicht der Augen kräuselte sich langsam. Diese Dämonen besaßen wirklich eine unverschämte Macht.

"Shin-kun,"
eine ruhige, kalte Stimme erfüllte den großen Saal, ließ mich für einen Moment den Mangel an frischer Luft vergessen und den schwachen Blick auf die großgewachsene Gestalt richten, welche aus der Ferne langsam, dadurch nahezu anmutig wirkend, auf uns zukam. Ich spürte wie eisige, schlanke Finger keine Sekunde später um die große Hand an meinem schmerzenden Hals griffen und diese vorsichtig, jedoch gleichermaßen bestimmt von mir lösten. Mir wurde mit einem Mal schwarz vor Augen und ich bemerkte, wie ich langsam, fast schon in Zeitlupentempo zu Boden glitt. Entfernt nahm ich noch die verschiedenen Stimmen wahr, welche sich zum einen lautstark und hitzig zum anderen aber auch besonnen und kühl zu streiten schienen, aber dies schallte nur noch in gedämpfter Entfernung durch meine klingelnden Ohren. Ein starker Arm legte sich schließlich um meine Taille, half mir behutsam vom harten Boden auf. Der Geruch eines teuren Eau de Toilettes stieg mir in die Nase. Er erinnerte mich an einen spätsommerlichen Spaziergang im dichten Nadelwald. Der Duft von Mulch und Moos wie auch das Rascheln der sich im Wind bewegenden Baumwipfel erfüllten meine Sinne. Weiche Haarspitzen strichen mir sanft über die Wange. Sie glichen den wärmenden Sonnenstrahlen, welche mir an einem eisigen Wintertag die Wangen erhitzten. Eine leise Stimme flüsterte mir zu, versprach mir, dass alles gut werden würde. Sie erinnerte mich an Shuu, als würde ich nun in seinen Armen liegen. Mit einem Mal fiel alles von mir ab. Ich fühlte mich sicher. Ich fühlte mich geborgen. Nichts konnte mir mehr schaden. Für diesen Moment vergaß ich alles, ließ mich in den trostspendenden Bann meiner Sehnsucht ziehen und schmiegte mich in den weichen Stoff des Schals, welcher mich so sehr an die braune Strickjacke erinnerte an die ich schon so oft gekuschelt eingeschlafen war. Ich war endlich heimgekehrt.

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Moin!
Neues Kapitel ist da, ich hab für drei Wochen hintereinander meinen Soll erfüllt also freuen wir alle uns doch einfach mal, wuhuuuu
Ich schreib euch, ihr schreibt mir, wir schreiben uns alle gegenseitig im nächsten Part 🤌

Bis(s) Sie Mir Den Letzten Nerv Rauben (Diabolik Lovers FF)Hikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin