Kapitel 6 (So legt man sich mit Reiji an)

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Hellwach lag ich auf meinem Bett und starrte die dunkle Holzdecke an. Ich konnte einfach nicht einschlafen und diese verdammte Schule würde in nicht einmal mehr zweieinhalb Stunden beginnen. Frustriert klatschte ich mir das weiche Kissen ins Gesicht und seufzte genervt auf. Was lief hier gerade nur falsch. Da ich nun wirklich nicht mehr den Nerv hatte dumm rumzuliegen, stand ich schweren Herzens auf, schob die schweren Vorhänge vor dem Fenster beiseite, nahm mir die hässliche Schuluniform aus meinem Schrank und machte mich auf den Weg zum nächstbesten Badezimmer. Eigentlich war dieses Kleidungsteil nicht mal ganz so schlimm, aber an manchen Personen... damit meinte ich natürlich mich selbst... sah es einfach nur total bescheuert und affig aus. Wer zum Teufel hatte dieses Ding nur designt. Und ja, ich mochte es sehr gerne, mich über unnötigen Humbug aufzuregen.

Nach einem einstündigen Aufenthalt im Bad tänzelte ich mit meinen Kopfhörern in den Ohren in mein Zimmer, um schnell noch meine Schultasche zu packen. Danach machte ich mich auf den Weg zur Küche, da sich mein knurrender Magen zu Wort meldete und ich eh nichts Besseres mit meiner Zeit anzufangen wusste. An meinem Zielort angekommen durchforstete ich sämtliche Schränke nach etwas Essbaren, fand letztendlich aber nichts und machte mir deshalb Trübsal blasend einen vielleicht etwas zu starken Kaffee. Während ich ungeduldig auf mein Heißgetränk wartete, durchforstete ich mit meinem Handy das Internet nach neuen Liedern, damit ich nicht ewig dasselbe hören musste. Zwar liebte ich die Musik, die ich bereits hatte, aber meine Sucht nach neuen, besseren Songs konnte man schon fast mit Vampiren und ihrer Gier nach frischem Blut vergleichen. Okay... ziemlich gruselig...

"Kaida-san, wollen wir zusammen essen?"
fragte mich Yui, als sie mich auf dem Flur entdeckte, stürmte enthusiastisch auf mich zu und lächelte mich fröhlich an.
"Ja, wieso auch nicht,"
erwiderte ich schulterzuckend, die Blonde hakte sich bei mir ein und wir begaben uns zusammen zur Mensa. Dort setzten wir uns an einen etwas abgelegen Tisch, kramten unsere Lunchboxen hervor und begannen zunächst schweigsam mit dem Essen.
"Wie findest du es bis jetzt, mit den Sakamakis zusammen zu leben?"
erhob die Rotäugige nach einer Weile ihre zarte Stimme.
"Nervig. Jeden Tag will jemand anderes an mein Blut und es juckt sie auch nicht, wenn man mal alleine im Badezimmer sein will,"
beschwerte ich mich und schnaubte verächtlich.
"Hm... ja, das mit dem nicht ungestört sein ist mir auch lange missfallen, aber mit der Zeit gewöhnst du dich dran. Und sie sind eigentlich gar keine schlechten Kerle, sie kommen nur nicht unbedingt gut untereinander aus,"
entgegnete meine Gesprächspartnerin und blickte in Gedanken versunken aus einem der Fenster in die dämmernd schummernde Landschaft.
"Wie lange lebst du schon bei denen?"
fragte ich und packte mein Essen zusammen, ich hatte keinen Appetit.
"Fast ein halbes Jahr,"
antwortete sie leise, sah mich an und lächelte. Alter... dieses Mädel machte mich schon seelisch ein bisschen sehr fertig. Hatte man sie irgendeiner mysteriösen Gehirnwäsche unterzogen oder war sie einfach nur total naiv...
   Nach der "Mittagspause" war mir jegliche Lust auf den Unterricht vergangen und so beschloss ich, die nächste Stunde zu schwänzen und in der schuleigenen Bibliothek zu verbringen. Zwar war dort die Auswahl bei weitem nicht so gigantisch, wie bei den blutlüsternen Vampiren, aber sie erfüllte dennoch ihren Zweck. Mal wieder mit der passenden Musik auf den Ohren verkrümelte ich mich in das hinterste Eck, riss mir einen historischen Band über den Siebenjährigen Krieg um Schlesien unter den Nagel und begann gebannt zu lesen. Dabei vergaß ich, wie so oft, total die Zeit.
"Du bist fast schon so ein großer Taugenichts wie Shuu,"
riss mich auf einmal eine kalte, verurteilende Stimme aus meiner Lektüre. Erschrocken blickte ich nach oben und sogleich in Reijis rotfarbene Augen. Scheiße... rauschte es mir durch meinen Kopf, ich machte meine Musik aus und erwiderte
"warum?"
"Als eine pflichtbewusste Schülerin solltest du jetzt vorbildlich im Unterricht sitzen und nicht deine Zeit in der Bibliothek verplempern. Dieses Thema nimmst du auch noch in den nächsten Geschichtsstunden durch,"
entgegnete der Vampir und deutete auf das vor mir liegende Buch.
"Und wenn schon, wenn der Lehrer zu unfähig ist, seinen Unterricht richtig zu gestalten, lese ich mir lieber hier den Lernstoff durch. Und solltest du nicht auch lieber wo anders sein, als hier?"
rechtfertigte ich mich und verschränkte meine Arme vor der Brust, während ich meinen Gegenüber herausfordernd ansah.
"Ich habe gerade eine Freistunde und das ist keine Ausrede, um den Unterricht zu schwänzen. Willst du, dass ich dich dafür bestrafe?"
antwortete der Schwarzhaarige unbeeindruckt, legte seine Hände auf den Tisch und beugte sich sogleich gefährlich nahe zu mir herunter.
"Du hast nicht das Recht, so mit mir umzugehen. Auch nicht, wenn du ein Vampir bist und ich zu Gast in deinem Haus bin. Menschenrechte kennst' oder?"
meinte ich unbeeindruckt und stellte dabei meine fehlerfreien Deutschkenntnisse zur Schau. Für einen Moment entglitten dem Rotäugigen sämtliche Gesichtszüge und er stierte mich einfach nur an, bevor er sich schnell wieder sammelte und entgegnete
"beeindruckend, wie so ein dummes Wesen, wie du, in der Lage sein kann, solch schwierige wie auch komplexe Sprache ohne jeglichen Makel zu sprechen."
Meine Augen verengten sich zu gefährlichen Schlitzen und ich zischte kalt
"halt dein Maul, oder ich werde es dir irgendwann stopfen."
Dann erhob ich mich und begab mich zu meinem Klassenzimmer. Den vor Wut tobenden schwarzhaarigen Möchtegerngentleman ließ ich einfach in der Bibliothek zurück.

Während dem "Abendmahl" in der Villa der Sakamaki Brüder herrschte das typische Schweigen und jeder befasste sich mit seinem eigenen Essen. Naja... außer Kanato, welcher die Brötchen vor sich mal wieder massakrierte, und Shuu... der wie üblich schon fast pennte. Aber wer konnte es dem schon verübeln, hier war es wirklich erdrückend langweilig und die Tatsache, dass mich ein gewisser handschuhtragender Möchtegernbenimmtrainer fast andauernd mit seinen vernichtenden Blicken durchbohrte, als würde er mich am liebsten auf der Stelle umbringen wollen, stimmte mich auch nicht gerade ruhiger. Der Typ war auch jemand, der einfach nicht mit der Meinung oder Kritik anderer klar kam und anscheinend viel lieber einen auf beleidigt machte und dann für den Rest des Tages... gut in diesem Fall der Nacht... vor sich hin schmollte und einem anscheinend sämtliche Plagen der Geschichte an den Hals wünschte. Das war doch auch wirklich nicht die feine englische Art! Als es mir letztendlich zu bunt wurde, stand ich kurzerhand einfach auf, sagte, dass ich keinen Appetit mehr hätte und mich für die Unannehmlichkeiten entschuldigen würde, und ging in mein Zimmer. Es machte echt keinen Spaß diese Vampire zu ärgern, wenn sie sich danach wie kleine eingeschnappte Schulmädchen verhielten, denen man die heißgeliebte Stoffpuppe weggenommen hatte.

Bis(s) Sie Mir Den Letzten Nerv Rauben (Diabolik Lovers FF)Where stories live. Discover now