Kapitel 5 (Die Sache mit dem Schlafrhythmus)

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Abendschulen haben übrigens auch mal Ferien, ja, das hätte ich jetzt auch nicht unbedingt erwartet, aber es ist nun mal so, man kann es nicht ändern und das bedeutete für mich, dass sich mein Schlafrhythmus so gut wie komplett verabschiedete. Aber ich fand nun mal keine Zeit zu so etwas unwichtigem wie Schlafen, wenn ich die gigantische Bibliothek der Villa entdeckt hatte und dort gefühlt tausende der verschiedensten Bücher warteten, um nur von mir ganz alleine gelesen zu werden. Somit konnte ich auch sämtlichen Vampiren ohne große Probleme aus dem Weg gehen. Was für ein super positiver Nebeneffekt an meiner großartigen Entdeckung.

Leise summte ich die melodische Musik mit, welche aus meinen Kopfhörern in mein Gehör drang, während ich ausnahmsweise die Küche aufgesucht hatte, um mir neuen Kaffeenachschub zu machen. Draußen herrschte helllichter Tag und somit war ich mir ziemlich sicher, dass ich keinem aufdringlichen Blutsauger begegnen würde. Ja Gehirn, du hast mich erwischt... ich hoffte es inständigst... Als die lang ersehnte Versorgung an meinem geliebten, koffeinhaltigen Heißgetränken endlich fertig war, machte ich mich auf leisen Sohlen wieder zurück in die Bibliothek. Ich wusste nicht, warum ich überhaupt schlich, denn meine besonderen Mitbewohner konnten eh jeden meiner Schritte hören. Wieso mussten die auch übernatürliche Fähigkeiten besitzen! Das ist doch richtig unfair!
   Ich hatte ja so ein Glück, dass mich die sechs Dummschwätzer für ein ungebildetes, naives, vorlautes Gör hielten und somit wahrscheinlich nicht im Geringsten damit rechneten, dass ich meine Ferien mit lernwerten Inhalten füllen würde. Manchmal war es schon von Vorteil, wenn man sofort einen Stempel aufgesetzt bekam. Damit ich beim Lesen noch gebildeter wirkte, hatte ich mir extra eine neue Playlist mit "klugen" Liedern aus dem letzten Jahrhundert zusammengestellt. John Lennons "Imagine" kam mir da gerade recht, um mir ein Buch über die Zustände in den USA während der sechziger Jahre durchzulesen. Hier gab es wirklich die verschiedensten Lektüren. Ausversehen hatte ich mir bei meinem ersten Besuch in diesem Zimmer ein, in Latein verfasstes, Werk von irgendeinem italienischen oder griechischen Philosophen aus einem Regal gefischt. Ich hatte natürlich nur Bahnhof verstanden. Aber das mussten ja nicht unbedingt gewisse Blutsauger erfahren, immerhin konnte ich Goethes Faust ausgezeichnet im originalen Deutsch erfassen und sogar zwischen den Zeilen lesen. Da fiel mir ein, dass ich das Reiji noch bei der nächstbesten Gelegenheit unter die Nase reiben konnte. Es würde mit Sicherheit sein ach so perfektes Weltbild zerstören, wenn ihm das zu nichts taugende Mädchen auf gut Deutsch erst einmal eine Standpauke über richtiges Verhalten Gästen gegenüber hielt. Allein schon bei diesem Gedanken bildete sich ein fieses, gehässiges Grinsen auf meinem Gesicht und ich schlug enthusiastisch die erste Seite meines neuen Schmökers auf, während ich genüsslich an meinem Kaffee nippte.

Als ich leicht verwirrt aus meinem tiefen Schlaf erwachte war mein Trinken mal wieder leer und vor mir lag mein, zur Hälfte durchgelesenes, Geschichtsbuch. Ich gähnte herzhaft, rieb mir den Schlaf aus den Augen, blickte geradeaus und... schreckte höllisch zusammen.
"Du siehst furchtbar aus,"
stellte der weißhaarige Vampir trocken fest und lehnte sich, die Arme vor der Brust verschränkend, zurück.
"Auch ein Hallo an dich Subaru, was willst du?"
erwiderte ich ungerührt und versuchte meinen Gegenüber mit den Augen zu fixieren. Irgendwie gelang mir das nicht so wirklich.
"Reiji vermisst dich seit Tagen bei sämtlichen Mahlzeiten, ich meine, mich persönlich stört es ja nicht sonderlich, aber seine ständigen Beschwerden gehen mir langsam tierisch auf die Nerven,"
erklärte der jüngste der Brüder sein Anliegen kurz und bündig.
"Aha, das ist aber nicht so wirklich mein Problem,"
meinte ich nur und zuckte unbekümmert mit den Schultern.
"Es könnte aber relativ schnell deines werden, wenn er mit dir ein persönliches Gespräch unter vier Augen führen will,"
argumentierte der Weißhaarige. Ich stierte ihn einige Sekunden lang an, bis mir klar wurde, was er gerade eben eigentlich gesagt hatte.
"Oh nein! Den lass ich bestimmt nicht an mein Blut,"
rief ich, sprang auf und stieß dabei beinahe meinen Stuhl um.
"Anscheinend ist da doch etwas in deinem Kopf außer heißer Luft,"
beleidigte mich mein Gegenüber, doch ich ignorierte ihn gekonnt indem ich mein Getränketablett nahm und mich auf den Weg Richtung Küche begab. Bevor ich jedoch den Raum verließ drehte ich mich noch einmal um, sah Subaru warnend an und sprach
"du sagst niemandem etwas von meinem Rückzugsort, oder?"
"Ich schweige wie ein Grab,"
erwiderte er trocken und verdrehte dabei die Augen. Zwar kam mir diese Antwort nun nicht mehr so glaubwürdig vor, aber ich fand mich einfach mal mit seinen Worten ab und verließ die Bibliothek.

War der weißhaarige Gremlin gerade wirklich halbwegs nett zu mir gewesen, als er mich vor Reiji warnte? Gruselig... was war denn bitte in den gefahren? Musste ich ihm jetzt irgendwie freundlicher gegenüber sein oder ihm irgendetwas zum Ausgleich geben? Ich hoffte mal nicht, denn der weißhaarige Dauergenervte war mir persönlich eher unsympathisch. Wieder einmal in der Küche angekommen, spülte ich schnell mein Geschirr ab, räumte dieses auch gleich weg und begab mich dann zu meinem Heiligtum der Ruhe. Ich fühlte mich so, als hätte ich die letzten Tage nichts anderes außer Lesen getan und bei genauerem Überlegen stimmte das sogar... mit anderen Worten: Scheiße, Subaru hatte mit seiner Bemerkung recht gehabt. Ich sah wirklich verdammt beschissen aus. Also machte ich mal wieder einen ungeplanten Ausflug in das Badezimmer, hoffentlich dieses Mal ohne einen spontanen Besuch seitens eines gewissen dauerperversen Lüstlings mit adrettem Hut.

Welch Glück ich doch hatte, dass sich mein Wunsch ausnahmsweise erfüllte. Deshalb verließ ich völlig entspannt, mit Leggins und Bandshirt von "Nirvana" bekleidet wie auch die Melodie eines bekannten Liedes von ihnen summend das Badezimmer und lief ein wenig durch die Villa, um mir die Beine zu vertreten. Vielleicht entdeckte ich ja noch zufällig ein interessantes Zimmer. Und nein, damit meinte ich nicht das Schlafzimmer von irgendeinem Vampir sondern eventuell so etwas wie einen Hobbyraum, ein Musikzimmer oder ähnliches. Finden konnte ich jedoch auf die Schnelle nichts und da es bereits dämmerte machte ich mich lieber mal auf den Weg zum Speisesaal, nicht, dass der Dauermeckerer von Brillenträger sich wieder über mein Nichterscheinen aufregen musste. Wie gesagt, ich hatte zwar nicht wirklich etwas dagegen, aber wenn es einen Vampir gab, den ich definitiv nicht an meinem Körper haben wollte, dann war das dieser Möchtegerngentleman.

Bis(s) Sie Mir Den Letzten Nerv Rauben (Diabolik Lovers FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt